Arbeitsrecht24.10.2022 Newsletter
Workation als Energie-Sparmaßnahme – was Arbeitgeber beachten sollten
Spätestens seit der Corona-Pandemie sind Home-Office und mobiles Arbeiten aus dem Arbeitsalltag nicht mehr wegzudenken. Auch erfreut sich „Workation“ bei Beschäftigten zunehmender Beliebtheit – erst recht, da die Temperaturen in Deutschland sinken und die Energiepreise rasant steigen. Daher denken gerade jetzt viele Beschäftigte darüber nach, die Wintermonate in wärmeren Gefilden zu verbringen, um von dort aus zu arbeiten. Der nachvollziehbare Wunsch der Beschäftigten stellt Unternehmen allerdings vor rechtliche Probleme. Wir stellen im nachfolgenden Beitrag die wichtigsten Punkte für Arbeitgeber zusammen.
Kein Anspruch auf mobiles Arbeiten aus dem Ausland
Soweit nicht explizit vereinbart, haben Beschäftigte grundsätzlich keinen Anspruch auf mobiles Arbeiten. Dies hat das Arbeitsgericht München wenig überraschend bestätigt (Entscheidung vom 27.8.2021 – Az. 12 Ga 62/21). Nach § 106 GewO kann der Arbeitgeber Inhalt, Ort und Zeit der Arbeitsleistung nach billigem Ermessen näher bestimmen, soweit diese Arbeitsbedingungen nicht durch Vertrag oder gesetzliche Vorschriften anders festgelegt sind. Es bleibt Sache der Unternehmen, ihren Beschäftigten zu ermöglichen, ihrer Tätigkeit aus dem Ausland nachzukommen.
Ist das einmal gewährt, sind einige rechtliche Fragen zu beantworten, an die nur wenige denken.
Anwendbares Recht?
Entrichtet ein Beschäftigter seine Arbeit mobil vom Ausland aus, stellt sich zunächst die Frage nach dem anwendbaren Recht. Welche Arbeitszeitregelungen oder welche Arbeitsschutzregelungen gelten? Gibt es einen Mindestlohn und wenn ja, in welcher Höhe?
Unterliegt das Arbeitsverhältnis eines Beschäftigten dem deutschem Recht, ändert sich in der Regel bei einer vorübergehenden Workation nichts. Die freie Rechtswahlder Arbeitsvertragsparteienunterliegt jedoch der Beschränkung, dass grundsätzlich keine arbeitnehmerschützenden Vorschriften durch einen Arbeitsvertrag abbedungen werden können, die als zwingend erachtet werden (Art. 8 Abs. 1 S. 2 Rom I-VO) oder dem Schutz des Allgemeinwohls dienen (Art. 9 Abs. 1 Rom I-VO).
Um eine – in arbeitsrechtlicher Hinsicht – rechtssichere Gestaltung von Arbeit aus dem Ausland zu ermöglichen, ist es bei längeren Aufenthalten ratsam, im Rahmen einer vertraglichen Vereinbarung zunächst eine Rechtswahl zu treffen. Dies entbindet nicht von der Verpflichtung, vor Beginn der Workation die zwingenden arbeitsrechtlichen Vorschriften am ausländischen Tätigkeitsort zu ermitteln.
Entsenderichtlinien finden auf Workation grundsätzlich keine Anwendung, da eine Entsendung voraussetzt, dass ein Beschäftigter auf Weisung und im Interesse des Arbeitgebers ins Ausland geschickt wird, um dort seine Arbeitsleistung zu erbringen. Im Fall der Workation erfolgt die Tätigkeit im Ausland allerdings auf Veranlassung und Wunsch des Beschäftigten und stellt somit per Definition keine Entsendung im Rechtssinn dar.
Sozialversicherungsrechtlicher Status bei Auslandsaufenthalten
Problematisch wird das Thema Workation beim Thema des sozialversicherungsrechtlichen Statuts: Beschäftigte, die einen entsprechenden Auslandsaufenthalt planen, möchten ihre sozialversicherungsrechtliche Absicherung in Deutschland natürlich nicht verlieren. Innerhalb der EU, der Schweiz und dem EWR regelt eine Verordnung, welches Sozialversicherungsrecht bei einer mobilen Tätigkeit aus dem EU-Ausland Anwendung findet (Verordnung (EG) Nr. 883/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29. April 2004 zur Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit („VO (EG) 883/2004“)). Ziel der Verordnung ist es, dass eine doppelte Sozialversicherungspflicht von Arbeitnehmern verhindert werden soll.
Eine Person ist demnach immer nur dort sozialversicherungspflichtig, wo sie ihre Beschäftigung ausübt (sog. Tätigkeitsortprinzip). Sowohl Arbeitgeber als auch Beschäftigter sind bei Workation allerdings an der ausschließlichen Anwendung des deutschen Sozialversicherungsstatuts interessiert. Auch wenn Workation per Definition keine Entsendung darstellt, so ist einer gemeinsame Verlautbarung zur versicherungsrechtlichen Beurteilung entsandter Mitarbeitender des GKV Spitzenverband, der Deutschen Rentenversicherung Bund, der Bundesagentur für Arbeit Berlin und der Gesetzlichen Unfallversicherung Berlin vom 18. März 2020 allerdings zu entnehmen, dass die Sozialversicherungsträger mangels konkreter gesetzlicher Regelungen den Begriff aktuell nicht streng auslegen. Von Beschäftigten ausgehende Auslandsaufenthalte sollen nicht per se einer Entsendung im sozialversicherungsrechtlichen Sinn entgegenstehen.
Um jedoch eine rechtsichere Lösung zu finden, bleibt nur die frühzeitige Kontaktaufnahme mit der DVKA (Deutsche Verbindungsstelle Krankenversicherung Ausland), um bestehende Gestaltungsmöglichkeiten zu erörtern, etwa die Einholung einer Ausnahmeregelung nach Art. 16 VO (EG) 883/2004. Gerade der zeitlich erforderliche Vorlauf sollte in diesen Fällen nicht unterschätzt werden, insbesondere, wenn sich die Beschäftigten aufgrund der Energiekrise kurzfristig mit ihrem Wunsch von Workation an ihren Arbeitgeber wenden.
Ist das deutsche Sozialversicherungssystem bei einer mobilen Arbeit innerhalb der EU in der jeweiligen Konstellation weiterhin möglich, stellt sich darüber hinaus die Frage, ob zusätzlich eine sog. A1-Bescheinigung für diese Zeit beantragt werden muss. Während dies teilweise aufgrund der bereits erfolgten offiziellen Meldung bei der DVKA als entbehrlich angesehen wird, befürworten die DVKA und andere Stimmen in der Literatur gleichwohl die Vorlage einer A1-Bescheinigung. Diese sollte daher ebenfalls vor Beginn der Tätigkeit im Ausland beantragt und vom Beschäftigten bei seinem Auslandsaufenthalt mit sich geführt werden, da ansonsten auch dem Arbeitgeber u. U. hohe Bußgelder drohen können.
Steuerrechtliche Folgen einer Workation
Der Beschäftigte bleibt auch bei einer mobilen Tätigkeit im europäischen Ausland für weniger als sechs Monate (183 Tage) zunächst in Deutschland steuerpflichtig (vgl. § 1 Abs. 1 S. 1 EStG). Die sog. „183-Tage-Regelung“ (Art. 15 Abs. 2 OECD-MA) sieht vor, dass das Besteuerungsrecht ausnahmsweise beim Ansässigkeitsstaat des Beschäftigten verbleibt, wenn dieser sich in dem anderen Mitgliedstaat (i) nicht mehr als 183 Tage aufgehalten hat, (ii) die Vergütung nicht von einem oder für einen im Ausland ansässigen Arbeitgeber gezahlt wird, und (iii) die Vergütung nicht von einer Betriebsstätte des Unternehmens im Ausland getragen wird.
Allerdings wird auf internationaler Ebene (OECD-Musterkommentar) erwogen, ein Home-Office als Betriebsstätte anzusehen, wenn dem Beschäftigten kein Arbeitsplatz zur Verfügung gestellt wird oder er auf Weisung des Unternehmens regelmäßig oder durchgehend das Home-Office nutzt. Ferner können Beschäftigte eine ausländische Betriebsstätte dann begründen, wenn sie berechtigt sind, im Namen des Unternehmens Verträge abzuschließen und diese Vollmacht im anderen Staat gewöhnlich ausüben. Auch hierauf ist daher im Vorfeld einer entsprechenden Ausgestaltung unbedingt zu achten, um schwerwiegende Folgen auf Arbeitgeberseite zu vermeiden.
Arbeitgeber ist für Datenschutz verantwortlich
Der Arbeitgeber bleibt bei einer Auslandstätigkeit seines Beschäftigten weiterhin für den Datenschutz verantwortlich. Er kann diese Verantwortlichkeit nicht auf den Beschäftigten abwälzen. Bei mobiler Arbeit, insbesondere solcher aus dem Ausland, ist das Risiko eines Datenverlustes und -angriffes deutlich höher als bei einer Arbeit ausschließlich im Betrieb.
Arbeitgeber müssen hier entsprechende technische, organisatorische Maßnahmen und IT-Security-Systeme implementieren, um die Datensicherheit zu gewährleisten (vgl. Art. 24 Abs. 1 DSGVO). Aufgrund der steigenden Gefahren durch Cyber-Crime ist dieses Risiko in der Praxis nicht zu unterschätzen.
Aufenthalts- und Arbeitserlaubnis beantragen
Außerhalb der EU muss eine Aufenthaltserlaubnis und ggf. zusätzlich eine Arbeitserlaubnis beantragt werden. Zu beachten ist, dass Beschäftigte eine Aufenthaltserlaubnis für das jeweilige Urlaubsland nicht ohne Weiteres erhalten können. Die meisten Aufenthaltstitel setzen die Beschäftigung in einem Betrieb des Aufnahmestaats voraus, was für den klassischen Fall der Workation regelmäßig nicht der Fall sein wird.
Schriftlicher Nachweis der Arbeitsbedingungen
Sind sämtliche rechtlichen Hürden genommen und steht der Workation des Beschäftigten nichts mehr im Weg, muss ein Beschäftigter von seinem Arbeitgeber schriftlich über die wesentlichen Arbeitsbedingungen seiner Tätigkeit informiert werden. Hierzu sei auf die bußgeldbewehrten Anforderungen nach § 2 Abs.1, 2 NachwG bei einem geplanten Auslandsaufenthalt von länger als einen Monat verwiesen.
In der Praxis empfiehlt sich eine schriftliche Vereinbarung mit dem Beschäftigten über die Rechte und Pflichten während der Workation zu treffen.
Mitbestimmungsrecht des Betriebsrates
Berücksichtigt werden muss außerdem, dass Betriebsräten bei der Ausgestaltung mobiler Arbeit ein Mitbestimmungsrecht zusteht (§ 87 Abs. 1 Nr. 14 BetrVG). Heißt: Räumt das Unternehmen seinen Beschäftigten grundsätzlich die Möglichkeit ein, mobil aus dem Ausland tätig zu werden, so besteht an der Ausgestaltung der mobilen Arbeit aus dem Ausland aufgrund des kollektiven Bezugs ein Mitbestimmungsrecht des Betriebsrates.
Nur weil der Beschäftigte nicht mehr im Betrieb in Deutschland tätig ist, bedeutet dies nicht, dass der Betriebsrat nicht mehr zuständig ist. Auch können Regelungen zur Arbeitszeit oder zu der Erreichbarkeit der Beschäftigten während der Tätigkeit im Ausland Mitbestimmungsrechte des Betriebsrates auslösen.
Fazit
Das Angebot einer Workation kann für Unternehmen attraktiv sein: Sie schaffen hierdurch einen zusätzlichen Anreiz für das Recruiting von Fachkräften. Es sollte jedoch in jedem Fall darauf geachtet werden, eine rechtssichere Ausgestaltung zu schaffen. In der Praxis bedeutet dies – mangels gesetzlicher Regelungen – stets eine intensive Einzelfallprüfung, die nicht unterschätzt werden sollte.
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