Arbeitsrecht20.01.2021Köln Newsletter

Verschärfung der Corona-Schutz-Regeln am Arbeitsplatz – ist Home-Office nun Pflicht?

Auf der Grundlage des Beschlusses der Bund-Länder-Videokonferenz vom 19.1.2021 wurde der Lockdown zunächst bis zum 14.2.2021 verlängert. Gastronomie, Freizeiteinrichtungen und weite Teile des Einzelhandels bleiben damit weiterhin geschlossen. Neben weiteren Verschärfungen der Maßnahmen vereinbarten die Ministerpräsidentinnen und Ministerpräsidenten der Länder mit der Bundeskanzlerin unter anderem, sich der Beschlussvorlage des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales hinsichtlich strengeren Reglungen im beruflichen Kontext weitgehend anzuschließen, um Kontakte am Arbeitsort, aber auch auf dem Weg zur Arbeit zu reduzieren. Die nachfolgend näher beleuchteten Regelungen der neuen SARS-Cov2-Arbeitsschutzverordnung (Corona-ArbSchV) treten 5 Tage nach ihrer Verkündung in Kraft, d. h. voraussichtlich am 27.1.2021, und gelten zunächst befristet bis zum 15.3.2021.

Home-Office-Reglungen

Nach der neuen Verordnung werden allen Arbeitgebern – unabhängig von ihrer Größe und unabhängig von etwaigen 7-Tage-Inzidenzwerten - zusätzliche besondere Arbeitsschutzmaßnahmen ab dem 27.1.2021 auferlegt.

Dazu zählt zum einen, dass Arbeitgeber die Gefährdungsbeurteilung nach §§ 5 und 6 ArbSchG hinsichtlich „zusätzlicher und erforderlicher Maßnahmen“ des betrieblichen Infektionsschutzes überprüfen und dokumentieren müssen.

 „Bei Büroarbeiten oder vergleichbaren Tätigkeiten“ haben Arbeitgeber das Arbeiten im Home-Office zu ermöglichen, es sei denn, zwingende betriebliche Gründe sprechen dagegen.

Nach den auf der Internetseite des BMAS befindlichen FAQs sind damit alle Tätigkeiten zu verstehen, die geeignet sind, unter Verwendung von Informationstechnologie aus dem Privatbereich der Beschäftigten durchgeführt werden zu können. Es können im Einzelfall hierunter aber auch Tätigkeiten fallen, die ohne Informationstechnologie von zu Hause erbracht werden können.

Da es sich bei den Regelungen der Corona-ArbSchV um arbeitsschutzrechtliche und damit öffentlich-rechtliche Verpflichtungen handelt, dürften Arbeitnehmer damit keinen Rechtsanspruch auf eine Tätigkeit im Home-Office begründen können.

Dennoch trifft Arbeitgeber die vorstehend genannte Prüfpflicht und sollte diese zur Annahme einer Home-Office-fähigen Tätigkeit führen, der keine zwingenden betrieblichen Gründe entgegenstehen, so hat der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer diese – am besten nachweislich – anzubieten.

Zwingende betriebliche Gründe, die dem Ermöglichen einer Tätigkeit aus dem Home-Office entgegenstehen können, könnten laut BMAS z. B. dann vorliegen, wenn ansonsten der übrige Betrieb nur eingeschränkt oder gar nicht aufrechterhalten werden kann. Dies umfasst insbesondere mit der Bürotätigkeit verbundene Nebentätigkeiten wie die Bearbeitung und Verteilung der eingehenden Post, die Bearbeitung des Warenein- und ausgangs, Schalterdienste bei weiterhin erforderlichen Kunden- und Mitarbeiterkontakten, Materialausgabe, Reparatur- und Wartungsaufgaben (z. B. IT-Service), Hausmeisterdienste und Notdienste zur Aufrechterhaltung des Betriebes, u. U. auch die Sicherstellung der Ersten Hilfe (siehe FAQ zur Corona ArbSchV des BMAS).

Technische oder organisatorische Gründe und Versäumnisse, wie z. B. die Nichtverfügbarkeit benötigter IT-Ausstattung, notwendige Veränderung der Arbeitsorganisation oder unzureichende Qualifizierung der betroffenen Beschäftigten können nach Ansicht des BMAS allenfalls befristet bis zur umgehenden Beseitigung des Verhinderungsgrunds geltend gemacht werden.

Wichtig ist: Für die Beschäftigten besteht keine Verpflichtung zur Nutzung von Home-Office, die Bundesregierung und die MPK appellieren aber an die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, das Angebot zu nutzen.

Zudem sind betriebsbedingte Zusammenkünfte mehrerer Personen auf das betriebsnotwendige Minimum zu reduzieren und nach Möglichkeit durch die Verwendung von Informationstechnologie zu ersetzen. Sollte der Einsatz von Informationstechnologie nicht möglich sein, hat der Arbeitgeber durch andere geeignete Schutzmaßnahmen den „gleichwertigen Schutz“ der Beschäftigten sicherzustellen, insbesondere durch Lüftungsmaßnahmen und geeignete Abtrennungen zwischen den anwesenden Personen.

Reduzierung der Raumbelegung, feste Arbeitsgruppen

Die neue Corona-Arbeitsschutzverordnung sieht zudem eine Reduzierung der Raumbelegung in den Arbeitsstätten vor. Sollte die gleichzeitige Nutzung von Räumen durch mehrere Personen erforderlich sein, so darf eine Mindestfläche von 10 Quadratmetern für jede im Raum befindliche Person nicht unterschritten werden, soweit die auszuführenden Tätigkeiten dies zulassen.

In Betrieben mit mehr als 10 Beschäftigten sind die Arbeitnehmer in möglichst kleine Arbeitsgruppen einzuteilen und die Personenkontakte zwischen den einzelnen Arbeitsgruppen im Betriebsablauf sowie Änderungen dieser Einteilung auf das betriebsnotwendige Minimum zu reduzieren. Zeitversetztes Arbeiten ist zu ermöglichen, soweit die betrieblichen Gegebenheiten dies zulassen.

Bereitstellen von medizinischen Masken

Kann die Tätigkeit nach entsprechender Prüfung nicht im Home-Office, sondern nur in Präsenz ausgeführt werden, sind Arbeitgeber verpflichtet, ihren Arbeitnehmern medizinische Gesichtsmasken (OP-Masken oder auch Masken der Standards KN95/N95 oder FFP2) zur Verfügung zu stellen, wenn die o. g. Anforderungen an die Raumbelegung nicht eingehalten werden können oder wenn der Mindestabstand von 1,5 Metern nicht eingehalten werden kann oder wenn bei den ausgeführten Tätigkeiten mit erhöhtem Aerosolausstoß zu rechnen ist. Die Beschäftigten haben in diesen Fällen auch die vom Arbeitgeber bereit gestellten medizinischen Masken – und nicht etwa die eigenen Stoffmasken - zu tragen.

Sanktionen

Die Einhaltung der neuen Regelungen soll nach Ankündigung von Bundesarbeitsminister Hubertus Heil von den zuständigen Arbeitsschutzbehörden überwacht werden, die vom Arbeitgeber die zur Durchführung ihrer Überwachungsaufgabe erforderlichen Auskünfte und die Überlassung von entsprechenden Unterlagen verlangen können. Sollten behördliche Anordnungen nicht vom Arbeitgeber befolgt werden, droht diesen womöglich eine Untersagung der Tätigkeit im Betrieb (§ 22 Abs. 3 Satz 3 ArbSchG). Ferner drohen Geldbußen bis zu EUR 30.000, sollte der Arbeitgeber einer vollziehbaren behördlichen Anordnung nicht nachkommen.

Umsetzung der Home-Office-Prüfpflicht durch den Arbeitgeber

Entsprechend der neuen Regelungen muss jeder Arbeitgeber spätestens mit Inkrafttreten der Corona-ArbSchV prüfen, ob der Arbeitnehmer Home-Office-fähige Tätigkeiten ausführt.

Handelt es sich um eine Tätigkeit, welche auch im Home-Office ausgeübt werden kann, und stehen der Ausübung keine zwingenden betrieblichen Gründe entgegen, so sollte dies dem Arbeitnehmer angeboten und das Angebot dokumentiert werden.

Nimmt der Arbeitnehmer das Angebot an, sollte hierzu eine Vereinbarung mit dem Arbeitnehmer geschlossen werden. Denn insofern sieht die Arbeitsschutzverordnung innerhalb der Verordnungserläuterungen vor, dass für die Beschäftigten keine Verpflichtung zur Annahme und Umsetzung des Angebots auf Home-Office besteht. Vielmehr sei es für die Umsetzung erforderlich, dass die räumlichen und technischen Voraussetzungen in der Wohnung der Beschäftigten gegeben sind und dass zwischen Arbeitgeber und Beschäftigtem eine Vereinbarung bezüglich Home-Office getroffen wurde, beispielsweise im Wege einer individualvertraglichen Regelung oder durch eine Betriebsvereinbarung.

Ablehnung des Home-Office-Angebots durch Arbeitnehmer

Was aber passiert, wenn der Arbeitnehmer die grundsätzlich mögliche Tätigkeit im Home-Office ablehnt? In diesem Fall ist der Arbeitnehmer grundsätzlich berechtigt, seine Arbeit im Betrieb in Präsenz zu erbringen. In diesem Fall treffen den Arbeitgeber die weitergehenden Pflichten aus der SARS-CoV-2-Arbeitschutzverordnung wie zuvor dargelegt.

Sollte es allerdings dazu kommen, dass eine Vielzahl von Arbeitnehmern das Home-Office Angebot ablehnt, sodass hierdurch womöglich eine erhöhte besondere Infektionsgefahr für die Beschäftigten im Betrieb ausgeht, so dürfte dem Arbeitgeber ausnahmsweise zumindest vorübergehend im Wege des erweiterten Direktionsrechts und nach Abwägung der gegenseitigen Interessen im Einzelfall das Recht zustehen, einseitig eine Tätigkeit aus dem Home-Office gegenüber dem Arbeitnehmer anzuordnen. Denn eine Rechtsverordnung zum Arbeitsschutzrecht kann die gesetzliche Wertung des § 106 GewO nicht verändern.

Ausnahmsweise wird der Arbeitgeber daher im Falle einer akuten Gefährdungssituation aufgrund der arbeitsvertragliche Rücksichtnahmepflicht aus § 241 Abs. 2 BGB und dem Grundsatz von Treu und Glauben (§ 242 BGB) einseitig die Erbringung der Arbeitsleistung aus dem Home-Office anordnen können, wenn er nur so seiner Fürsorgepflicht nachkommen kann und bei der Ermessensentscheidung die Arbeitnehmerinteressen angemessen berücksichtigt wurden. Die Frage der Zulässigkeit der einseitigen Anordnung von Home-Office hängt damit entscheidend von den Umständen des Einzelfalles ab und lässt sich nicht pauschal beantworten.

Da die Corona Arbeitsschutzverordnung voraussichtlich bereits am 27.1.2021 in Kraft treten wird, sollten Arbeitgeber sich schon jetzt auf die von ihnen nunmehr vorzunehmenden „Gefährdungsbeurteilungen“ der im Betrieb vorhandenen Arbeitsplätze als auch die Frage der Home-Office-Fähigkeit einstellen und Prozesse zur entsprechenden Dokumentation aufsetzen.

 

Haben Sie die Corona-Arbeitsschutzverordnung Ihrem Unternehmen richtig umgesetzt? Hier Checkliste kostenlos downloaden:

Checkliste für Arbeitgeber zur Umsetzung der Corona-Arbeitsschutzverordnung vom 21.01.2021

 

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Isabel Hexel

Isabel Hexel

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