Compliance & Internal Investigations / Öffentliches Wirtschaftsrecht07.03.2024 Newsletter
Verordnung zum Verbot von in Zwangsarbeit hergestellten Produkten: Weitere Fortschritte im Gesetzgebungsverfahren
Die EU treibt die ESG-Regulierung weiter voran. Künftig soll die Verordnung zum Verbot von in Zwangsarbeit hergestellten Produkten verhindern, dass in Zwangsarbeit hergestellte Produkte auf dem EU-Markt in Verkehr gebracht und bereitgestellt oder aus der EU ausgeführt werden.
Der Rat und das Europäische Parlament haben nun am 5. März 2024 eine vorläufige Einigung über den Inhalt der Verordnung erzielt und damit einen wichtigen Schritt zum Abschluss des Gesetzgebungsverfahrens erreicht. Mit einem Inkrafttreten der Verordnung ist wohl noch im Jahr 2024 zu rechnen. Unternehmen sollten sich möglichst frühzeitig auf die Vorgaben einstellen.
1. Zentrale Regelungen der neuen Verordnung
Die Verordnung enthält in Art. 3 ein Verbot, in Zwangsarbeit hergestellte Produkte auf den Unionsmarkt in Verkehr zu bringen, bereitzustellen oder aus der Union in Drittländer auszuführen.
Verkehrsverbot für in Zwangsarbeit hergestellte Produkte
Das Verkehrsverbot gilt für Unionsware und für importierte Produkte, soweit diese unter Einsatz von Zwangsarbeit hergestellt wurden. Zwangsarbeit ist jede Art von Arbeit oder Dienstleistung, die von einer Person unter Androhung irgendeiner Strafe verlangt wird und für die sie sich nicht freiwillig zur Verfügung gestellt hat.
Das Verbot gilt für Erzeugnisse aller Wirtschaftszweige, die einen Geldwert haben und Gegenstand von Handelsgeschäften sein können, unabhängig davon, ob sie gewonnen, geerntet, erzeugt oder hergestellt wurden, einschließlich der Be- oder Verarbeitung eines Erzeugnisses auf jeder Stufe der Lieferkette.
Das Verbot gilt für alle Unternehmen, die Waren auf dem EU-Markt in Verkehr bringen, unabhängig von ihrer Größe und ihrem Umsatz.
Behördliche Untersuchungen bei Verdacht und Feststellung von Verstößen
Besteht der Verdacht, dass bei der Herstellung eines Produkts Zwangsarbeit eingesetzt wurde, führen die nationalen Behörden und in bestimmten Fällen auch die EU-Kommission zunächst eine Voruntersuchung durch. Bestätigt sich der Verdacht nach Abschluss der Voruntersuchung, entscheiden die Behörden über die Einleitung einer Hauptuntersuchung.
Verdachtsfälle außerhalb der EU werden von der Kommission untersucht. Handelt es sich um Risiken im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaates, leitet dessen zuständige Behörde die Untersuchungen. Stößt eine Behörde bei der Beurteilung der Wahrscheinlichkeit eines Verstoßes gegen die Verordnung auf neue Informationen über mutmaßliche Zwangsarbeit in einem anderen Mitgliedstaat, so muss sie die zuständige Behörde dieses anderen Mitgliedstaates unterrichten.
Kriterien zur Bewertung der Wahrscheinlichkeit des Verstoßes
Die nun erzielte Einigung legt Kriterien fest, die von der EU-Kommission und den nationalen Behörden bei der Beurteilung der Wahrscheinlichkeit von Verstößen anzuwenden sind:
- Ausmaß und Schwere der mutmaßlichen Zwangsarbeit, einschließlich der Frage, ob es sich um staatlich verordnete Zwangsarbeit handelt;
- Menge oder Volumen der auf dem Unionsmarkt in Verkehr gebrachten oder bereitgestellten Produkte;
- Anteil des Produkts am Endprodukt, der wahrscheinlich unter Einsatz von Zwangsarbeit hergestellt wurde;
- Nähe der beteiligten Akteure zu den mutmaßlichen Risiken von Zwangsarbeit in ihrer Lieferkette und ihre Fähigkeit, diese Risiken zu beseitigen.
Die endgültige Entscheidung, ob ein in Zwangsarbeit hergestelltes Produkt verboten, vom Markt genommen oder aus dem Verkehr gezogen wird, trifft die Behörde, die die Untersuchung geleitet hat. Nach dem Grundsatz der gegenseitigen Anerkennung gilt die Entscheidung dann auch in allen anderen Mitgliedstaaten.
2. Sorgfaltspflichten und Herausforderungen für Unternehmen
Um Verstöße gegen die neue Verordnung zu vermeiden, müssen Unternehmen künftig im Rahmen der Überwachung ihrer Lieferketten verstärkt auf den möglichen Einsatz von Zwangsarbeit achten.
Für Unternehmen, die bereits Sorgfaltspflichten nach dem LkSG umsetzen, bietet sich hier ein Rückgriff auf bereits etablierte Compliance-Maßnahmen und Risikokriterien an.
Im Verdachtsfall müssen Unternehmen zudem bereit sein, die zuständigen Behörden ggf. sehr kurzfristig über Details zum Herstellungsprozess eines Produktes zu informieren. Im Rahmen der Vorprüfung können die Behörden die Unternehmen auffordern, die Maßnahmen darzulegen, die sie ergreifen, um das Risiko von Zwangsarbeit in ihren Geschäftstätigkeiten und Wertschöpfungsketten zu erkennen, zu verhindern, zu minimieren oder zu beenden. Auch in diesem Zusammenhang ist eine kontinuierliche Überwachung und Dokumentation risikobehafteter Lieferketten unerlässlich.
3. Mögliche Sanktionen im Falle von Verstößen
Drohen Lieferrisiken bei kritischen Produkten, die in Zwangsarbeit hergestellt wurden, kann die zuständige Behörde Unternehmen anweisen, das Produkt zurückzuhalten, bis er nachweisen kann, dass es im Zusammenhang mit seinen Tätigkeiten und Lieferketten keine Zwangsarbeit mehr gibt.
In begründeten Verdachtsfällen können die Behörden zudem anordnen, betroffene Produkte nicht in den Verkehr zu bringen, zurückzunehmen und zu vernichten oder, soweit möglich, den betreffenden Teil des Produkts durch ein nicht in Zwangsarbeit hergestelltes Produkt zu ersetzen.
Behördliche Entscheidungen zu Verdachtsfällen werden in Form nicht vertraulicher Zusammenfassungen in einem speziell hierfür errichteten, öffentlich zugänglichen Portal veröffentlicht. Kommt ein Unternehmen der Entscheidung nicht nach, so stellen die zuständigen Behörden sicher, dass der Inhalt umgesetzt wird. Hierfür können insbesondere die Zollbehörden einbezogen werden, die betroffene Produkte an den EU-Außengrenzen identifizieren und stoppen.
Bei Zuwiderhandeln drohen zudem erhebliche Geldbußen von bis zu 5 Prozent des unionsweiten Jahresumsatzes.
4. Fortgang des Verfahrens
Über den Verordnungsvorschlag der Europäischen Kommission aus 2022 haben Rat und Parlament am 5. März 2024 eine vorläufige Einigung erzielt. Beide müssen diese Einigung noch formell bestätigen. Die Verordnung soll bis Ende 2024 in Kraft treten. Sie gilt 36 Monate nach ihrem Inkrafttreten.