Prozessführung und Schiedsgerichtsverfahren09.09.2024 Newsletter
Verbandsklagen: Branchenübergreifendes Risiko für Unternehmen
Aktuell sorgen Verbandsklagen gegen Vodafone, Amazon und DZN für Aufsehen. Sie sind ein branchenübergreifendes Risiko, auf das Unternehmen vorbereitet sein sollten. Was Sie über Verbandsklagen wissen müssen und wie Sie sich auf die damit einhergehenden Risiken vorbereiten können, lesen Sie nachfolgend.
Verbandsklagen: Musterfeststellungsklage und Abhilfeklage
Mit Verbandsklagen können Verbraucherverbände Ansprüche von Verbrauchern und kleinen Unternehmen gebündelt durchsetzen. Dafür stehen zwei Arten von Verbandsklagen zur Auswahl:
Die Musterfeststellungsklage zielt darauf ab, bestimmte Voraussetzungen eines Anspruchs oder Rechtsverhältnisses gerichtlich feststellen zu lassen. Verweigert das beklagte Unternehmen auch nach einem Musterfeststellungsurteil die Erfüllung des Anspruchs, muss der einzelne Verbraucher ergänzend eine Individualklage erheben.
Seit 2023 können Verbraucherverbände mit der Abhilfeklage direkt auf Leistung an die Verbraucher klagen. Dafür muss der Verband darlegen, dass die Ansprüche der Verbraucher im Wesentlichen gleichartig sind. Die Gleichartigkeit ist zum Beispiel gegeben, wenn sämtliche Produkte einer Serie mangelhaft sind und Verbraucher dadurch Schäden erleiden.
Die Abhilfeklage erspart Verbrauchern die Individualklage zwar; sie wird die Musterfeststellungsklage dennoch nicht vollständig verdrängen. So sind beispielsweise Ansprüche auf Schmerzensgeld von zahlreichen individuellen Faktoren abhängig und damit gerade nicht gleichartig. Die Voraussetzungen des Schmerzensgeldanspruchs lassen sich aber mit der Musterfeststellungsklage feststellen, sodass im Individualverfahren „nur“ noch die Höhe des Schmerzensgeldes bestimmt werden muss.
Für beide Klagearten gilt: Verbraucher profitieren von einer Verbandsklageentscheidung nur dann, wenn sie ihre Ansprüche im Verbandsklageregister des Bundesamtes für Justiz (BfJ) rechtzeitig anmelden.
Risiken für Unternehmen
Verbandsklagen sind ein branchenübergreifendes Risiko, weil sie grundsätzlich für sämtliche zivilrechtliche Streitigkeiten zur Verfügung stehen. So kann es bei Verbandsklagen zum Beispiel um Kaufverträge, Produkthaftung, Datenschutz, Kartellrecht oder ESG- und Lieferketten-Compliance gehen.
Insbesondere die Abhilfeklage birgt ein großes wirtschaftliches Risiko. Das Ausmaß zeichnet sich oft erst spät im Verfahren ab, denn seit 2023 können Verbraucher ihre Ansprüche noch bis zu drei Wochen nach dem Schluss der mündlichen Verhandlung anmelden. Zu diesem Zeitpunkt sind die Erfolgsaussichten für die Verbraucher gut absehbar. Für hohe Einzelansprüche sorgen Anmeldungen von sogenannten „kleinen Unternehmen“ mit weniger als zehn Beschäftigten und einem Jahresumsatz von bis zu zwei Millionen Euro. Sie dürfen sich einer Verbandsklage ebenfalls anschließen.
Verbandsklagen binden schnell enorme personelle und zeitliche Kapazitäten. Für eine effektive Verteidigung ist eine umfassende Aufklärung des relevanten Sachverhalts notwendig. Mitunter sind die Beziehungen zu hunderten von Kunden zu prüfen und tausende von Dokumenten auszuwerten – das alles unter dem Druck gerichtlicher Fristen. Zusätzlichen Aufwand können Nebenkriegsschauplätze verursachen. Dazu gehören etwa Streitigkeiten mit dem BfJ über die Erfüllung von Auskunftsansprüchen über Verbraucherinformationen, die zur Verteidigung benötigt werden. Ebenfalls häufig sind begleitende Maßnahmen zur Eindämmung von Imageschäden durch eine negative Presseberichterstattung.
Maßnahmen zur Risikominimierung
Unternehmen sollten die Risiken von Verbandsklagen deshalb ernst nehmen, sich proaktiv schützen und für den Ernstfall vorbereiten:
- Compliance stärken: Informieren Sie sich über aktuelle Entwicklungen im Verbraucherrecht. Implementieren Sie Compliance- und Whistleblowing-Programme, um rechtliche Risiken frühzeitig zu erkennen.
- Marktbeobachtung: Überwachen Sie, ob Ihre Branche ins Visier von Verbraucherverbänden gerät. Prüfen Sie im öffentlichen Klageregister des BfJ, ob es Verbandsklagen gegen Ihre Wettbewerber gibt, um Ihr Risiko besser einschätzen und ggf. frühzeitig eliminieren zu können.
- Proaktive Kommunikation: Reagieren Sie auf Beschwerden von Verbraucherverbänden, um ein öffentlichkeitswirksames Klageverfahren zu vermeiden. Unsere Erfahrung zeigt, dass Verbände für einvernehmliche Lösungen offen sind, wenn die Verbraucherinteressen angemessen berücksichtigt werden.
- Dokumentation optimieren: Haben Sie Ihre Kundendaten und Dokumente im Griff, um im Ernstfall schnell und effizient reagieren zu können. Dies erleichtert nicht nur die Sachverhaltsaufarbeitung, sondern gestaltet zeitgleich die Verteidigung effektiver.
Das Team Prozessführung & Schiedsgerichtsverfahren bei Oppenhoff unterstützt bei der Vermeidung von Konflikten durch sorgfältige Vertragsgestaltungen und klare Definition von Rechten und Pflichten.
Ist eine Auseinandersetzung unvermeidbar, vertritt das Team Ihre Interessen vor staatlichen Gerichten und Schiedsgerichten – mit überzeugenden Argumenten und der individuell passenden Prozesstaktik. Das Team hat bereits mehrere Verbandsklagen erfolgreich abgewehrt.
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