Arbeitsrecht08.01.2021 Newsletter
Update: Entgeltrelevante Regelungen bei der Kinderbetreuung
Auf der Grundlage des Beschlusses der Ministerpräsidentenkonferenz vom 5.1.2021 wird der Lockdown aufrechterhalten. Auch die Schließung von Schulen und Betreuungseinrichtungen wird bis Ende Januar verlängert werden. Zur Entlastung der Eltern soll das Kinderkrankengeld im Jahr 2021 für zehn zusätzliche Tage pro Elternteil (20 zusätzliche Tage für Alleinerziehende) gewährt werden. Das Zusammenspiel mit dem Entschädigungsanspruch nach § 56 Abs. 1a Infektionsschutzgesetz erweist sich hierbei als komplex. Unsere Experten Anja Dombrowsky und Jörn Kuhn haben die wesentlichen Punkte zusammengefasst.
Anspruch auf Kinderkrankengeld
Grundsätzlich besteht ein Anspruch auf Kinderkrankengeld nach § 45 SGB V für gesetzlich versicherte Eltern, wenn es nach ärztlichem Zeugnis erforderlich ist, dass sie zur Beaufsichtigung, Betreuung oder Pflege ihres erkrankten und versicherten Kindes der Arbeit fernbleiben, eine andere in ihrem Haushalt lebende Person das Kind nicht betreuen oder pflegen kann und das Kind das zwölfte Lebensjahr noch nicht vollendet hat oder behindert und auf Hilfe angewiesen ist.
Der Anspruch richtet sich gegen die gesetzliche Krankenversicherung. Dem Antrag bei der Krankenkasse muss ein ärztliches Attest sowie eine Verdienstbescheinigung des Arbeitgebers beigefügt sein, um die Höhe des dem Beschäftigten zustehenden Krankengeldes ermitteln zu können. Der Anspruch umfasst 90 Prozent des ausgefallenen Nettoarbeitsentgelts, darf jedoch 70 Prozent der Beitragsbemessungsgrenze nach § 223 Abs. 3 SGB V nicht überschreiten. Grundsätzlich stehen jedem Elternteil pro Kind zehn Tage Kinderkrankengeld (für Alleinerziehende 20 Tage) zu, jedoch bei mehreren Kindern insgesamt pro Kalenderjahr maximal 25 Tage je Elternteil (maximal 50 für Alleinerziehende).
Wie wir bereits an anderer Stelle berichtet hatten, ist mit dem am 29.10.2020 in Kraft getretenen Krankenhauszukunftsgesetz eine Sonderregelung für 2020 beschlossen worden, wonach jedem gesetzlich versicherten Elternteil zusätzlich fünf und jedem Alleinerziehenden zusätzlich zehn Tage Kinderkrankengeld pro Kind zukommen gewährt wurde. Die Änderung galt jedoch lediglich bis zum 31.12.2020.
Erweiterung für das Jahr 2021
Nach dem Beschluss vom 5.1.2021 soll erneut in einer vom Bund noch vorzunehmenden gesetzlichen Regelung jedem Elternteil für das Jahr 2021 zusätzliche zehn Tage und jedem Alleinerziehenden 20 Tage Kinderkrankengeld gewährt werden.
Im Unterschied zum Vorjahr soll nach dem Wortlaut des Beschlusses der Ministerpräsidentenkonferenz der Anspruch auf Kinderkrankengeld jedoch nun ungeachtet einer Corona-Erkrankung des Kindes auch für die Fälle gezahlt werden, in denen eine Betreuung des Kindes zu Hause erforderlich wird, weil die Schule oder der Kindergarten bzw. die Klasse oder Gruppe pandemiebedingt geschlossen ist oder die Präsenzpflicht im Unterricht ausgesetzt bzw. der Zugang zum Kinderbetreuungsangebot eingeschränkt wurde. Diese Erweiterung wirft in der Praxis die Frage auf, wie sich dieser Anspruch zu dem Entschädigungsanspruch des Beschäftigten aus § 56 Abs. 1a IfSG verhält.
Ein Anspruch auf Entschädigung nach § 56 Abs. 1a IfSG steht Beschäftigten zu, wenn
- Betreuungseinrichtungen für Kinder, Schulen sowie Einrichtungen für Menschen mit Behinderungen aufgrund behördlicher Anordnungen zur Verhinderung der Verbreitung von Infektionen oder übertragbaren Krankheiten geschlossen werden, Schul- oder Betriebsferien angeordnet oder verlängert werden oder die Präsenzpflicht in einer Schule aufgehoben wird
- der Arbeitnehmer sein Kind, das das zwölfte Lebensjahr noch nicht vollendet hat oder das (im Sinne des § 2 Abs. 1 SGV IX) behindert und auf Hilfe angewiesen ist, selbst beaufsichtigt, betreut oder pflegt, weil er keine anderweitige zumutbare Betreuungsmöglichkeit sicherstellen kann,
und er dadurch einen Verdienstausfall erleidet.
Die Entschädigung wird nach § 56 Abs. 5 Satz 1 für die ersten sechs Wochen direkt vom Arbeitgeber, darüber hinaus nach Antragstellung von der zuständigen Behörde ausgezahlt. Arbeitgeber können sich die von ihnen ausgezahlte Entschädigung von den zuständigen Behörden erstatten lassen oder bei der zuständigen Behörde einen Vorschuss beantragen. Eine Entschädigung des Verdienstausfalls wird gemäß § 56 Abs. 2 Satz 4 IfSG maximal für zehn Wochen, bei alleinerziehenden Beschäftigten maximal für zwanzig Wochen gewährt. Er umfasst 67 Prozent des entstandenen Verdienstausfalls, jedoch höchstens 2.016,- Euro im Monat.
Problem: Zumutbarkeit anderweitiger Betreuungsmöglichkeiten
In der Praxis können sich Schwierigkeiten bei der Beurteilung ergeben, ob für Beschäftigte anderweitige zumutbare Betreuungsmöglichkeiten bestehen. Was zumutbar ist, muss dabei stets nach den Umständen des Einzelfalls beurteilt werden. Das Bundesgesundheitsministerium hat einen FAQ-Katalog mit den wichtigsten Anhaltspunkten zur Auslegung und Bestimmung der Zumutbarkeit von Betreuungsmöglichkeiten veröffentlicht (vgl. FAQ Ziffern 29 ff.).
Nach den vorgelegten FAQ spielt neben der grundsätzlichen Möglichkeit zur Arbeit aus dem Homeoffice auch die Anzahl der zu betreuenden Kinder, das Alter und eine etwaige Pflegbedürftigkeit eine wichtige Rolle. Zudem sind möglicherweise bestehende Überstunden abzubauen und Urlaubstage in Anspruch zu nehmen, wobei der Beschäftigte jedoch nicht verpflichtet ist, seinen gesamten Jahresurlaub aufzubrauchen.
Arbeitnehmer müssen somit sorgfältig prüfen, ob zumutbare Betreuungsalternativen vorliegen und Arbeitgeber müssen ihre Beschäftigten gegebenenfalls auch zur konkreten Betreuungssituation befragen. Nach § 56 Abs. 1a Satz 2 IfSG müssen Beschäftigte der zuständigen Behörde und auf Verlangen auch dem Arbeitgeber das fehlende Vorliegen anderweitiger Betreuungsmöglichkeiten darlegen.
Angesichts der in den FAQ aufgezeigten hohen Anforderungen besteht ein Entschädigungsanspruch nach § 56 Abs. 1a IfSG daher nicht in allen Fällen. Des Weiteren besteht der Anspruch nicht, sofern ein Verdienstausfall nicht oder anderweitige Zahlungen an die Stelle des Verdienstes treten. Der Anspruch soll daher wohl nicht zur Anwendung kommen, sofern Beschäftigte im Einzelfall über § 616 BGB oder § 45 SGB V abgesichert sind. Auch der Anspruch gemäß § 45 SGB V ruht, sofern der Arbeitnehmer gemäß § 616 BGB Anspruch auf eine bezahlte Freistellung hat.
Für die betriebliche Praxis bedeutet dieses, dass der Arbeitgeber verpflichtet ist, den Beschäftigten zur konkreten Betreuungssituation zu befragen. Anderenfalls sieht sich der Arbeitgeber wohl zukünftig dem Risiko ausgesetzt, dass eine Erstattung des Entschädigungsanspruchs an ihn nicht erfolgt.
Ausblick
Interessant bleibt, inwiefern die gesetzlichen Krankenkassen bei der Bewältigung des finanziellen Mehraufwands unterstützt werden, erscheint die auf sie zukommende finanzielle Belastung durch die im Beschluss angekündigten Regelungen doch massiv. Des Weiteren ist bzgl. des erweiterten Anspruchs auf Kinderkrankengeld noch ungeklärt, wie dieser Anspruch genau geltend gemacht werden kann. Auch wird derzeit noch diskutiert, ob Kinderkrankengeld auch privat versicherten Arbeitnehmern gewährt werden soll. Beschlossen werden könnte die Regelung zum erweiterten Kinderkrankengeld in der kommenden Woche, wenn erstmals in diesem Jahr der Bundestag zusammentritt.
Hinsichtlich des Entschädigungsanspruchs nach § 56 Abs. 1a IfSG ist mit Spannung zu beobachten, wie lange die Möglichkeit einer solchen Entschädigung bestehen bleibt, da dieser Anspruch (vorläufig) bis zum 31.3.2021 befristet ist.
Anja Dombrowsky
PartnerinRechtsanwältin
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