Compliance & Internal Investigations19.03.2024 Newsletter
Update CSDDD: Weg frei für ein Level-Playing-Field der Lieferkettencompliance
Der europäische Rechtsrahmen für Sorgfaltspflichten in Lieferketten wird nun aller Voraussicht nach in einer abgeschwächten Fassung kommen. Im Rat der Europäischen Union hat sich die Mehrheit der EU-Mitgliedsstaaten auf eine Richtlinie zur Lieferkettencompliance (Corporate Sustainability Due Dilligence Directive/ kurz CSDDD oder CS3D) geeinigt, nachdem zunächst keine Einigung auf europäischer Ebene zustande gekommen war.
Wie wir bereits [Strenger Rahmen für die Lieferkettencompliance in Europa – das „EU-Lieferkettengesetz“ kommt!] berichtet haben, sieht die Richtlinie umfassende Sorgfaltspflichten und einen künftig erheblich größeren Beitrag zur Nachhaltigkeit als unter dem Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz (LkSG) vor. Die Eckpunkte der CSDDD bleiben in ihren Grundzügen erhalten, wobei es auf der „Zielgeraden“ insbesondere zu folgenden Anpassungen gekommen ist:
1. Deutlich Abschwächung beim Anwendungsbereich
Der nunmehr gefundene Kompromiss sieht vor, dass die Richtlinie ausschließlich für größere Unternehmen gilt, die folgende Voraussetzungen in zwei aufeinanderfolgenden Jahren erfüllen und damit in aller Regel bereits in den Anwendungsbereich des LkSG fallen:
EU-Unternehmen | Nicht-EU-Unternehmen |
Allgemeine Schwellenwerte | |
3 Jahre nach in Krafttreten | |
> 1,5 Mrd. EUR Umsatz weltweit; und | > 1,5 Mrd. EUR Umsatz in der EU |
> 5000 Mitarbeiter | |
4 Jahre nach in Krafttreten | |
> 900 Mio. EUR Umsatz weltweit; und | > 900 Mio. EUR Umsatz in der EU |
> 3000 Mitarbeiter | |
5 Jahre nach in Krafttreten | |
> 450 Mio. EUR Umsatz weltweit; und | > 450 Mio. EUR Umsatz in der EU |
> 1000 Mitarbeiter | |
Franchise- und Lizenzvertragsparteien | |
5 Jahre nach in Krafttreten | |
> 22,5 Mio. EUR Vertragsgebühren weltweit | > 22,5 Mio. EUR Vertragsgebühren in der EU |
> 80 Mio. EUR Umsatz weltweit | > 80 Mio. EUR Umsatz in der EU |
Nicht-EU-Unternehmen fallen in den Anwendungsbereich, wenn sie über signifikante Aktivitäten in der EU verfügen. Die EU-Kommission wird dann eine Liste mit Nicht-EU-Unternehmen veröffentlichen, die in den Anwendungsbereich fallen.
2. Risikosektoransatz entfällt
Der ursprünglich für Unternehmen in Sektoren mit besonderem „Schadenspotential“ strengere Anwendungsbereich wurde aufgegeben.
3. Delegation von Aufgaben auf Tochterunternehmen
Eine Sonderregelung ist für Konzernmütter vorgesehen, die primär als nicht operative Holdinggesellschaften fungieren. Diese können beantragen, von den Verpflichtungen befreit zu werden, sofern diese an eine Tochtergesellschaft delegiert werden. Voraussetzung ist, dass die Tochtergesellschaft mit den für die Aufgabenerfüllung erforderlichen Mitteln und Kompetenzen ausgestattet ist und Zugang zu den relevanten Informationen der Konzerngesellschaften erhält. Die Haftung der Konzernmutter bleibt allerdings bestehen.
Darüber hinaus gab es eine Reihe weiterer Anpassungen im Detail, u. a. in Hinblick auf den Begriff der Lieferkette, die Erweiterung des Pflichtenkreises auf den Klimawandel, den Pflichten von Geschäftsführern und in Bezug auf den Finanzsektor.
Aus deutscher Sicht hervorzuheben ist, dass eine zivilrechtliche Haftung für Sorgfaltspflichtverletzungen kommen wird. Verstoßen betroffene Unternehmen gegen die neuen Regelungen, so können sie hierfür künftig von Betroffenen und ggf. von Gewerkschaften oder NGOs in die Verantwortung genommen werden. Ihnen drohen dann insbesondere Schadensersatz- und Schmerzensgeldforderungen.
Der Entwurf bedarf noch der Zustimmung des Europäischen Parlaments. Mit diesem ist spätestens im April zu rechnen.