Umsetzung der EU-Whistleblower-Richtlinie - Das neue Hinweisgeberschutzgesetz trifft nahezu alle Arbeitgeber

Die EU-Whistleblower-Richtlinie, die einheitliche Standards zum besseren Schutz von Whistleblowern vorschreibt, ist bereits am 16. Dezember 2019 in Kraft getreten. Die EU-Mitgliedstaaten haben bis zum 17. Dezember 2021 Zeit, um die Vorgaben in nationales Recht umzusetzen. Das Bundesministerium für Justiz hat dazu einen Referentenentwurf in Gestalt des sog. Hinweisgeberschutzgesetzes (HinSchG) vorgelegt, auf den sich die Koalitionspartner bisher allerdings noch nicht verständigen konnten, da er über die Vorgaben der EU-Richtlinie deutlich hinausgeht. Deshalb steht das Gesetzgebungsverfahren derzeit still. Dennoch wird das Gesetz wohl noch in dieser Legislaturperiode verabschiedet werden. Betroffene Unternehmen sollten sich daher schon jetzt auf die geplanten Neuerungen vorbereiten und entsprechende Compliance-Systeme einrichten, um Haftungsrisiken zu minimieren.

Welche Pflichten bestehen und wer ist betroffen?

Das Hinweisgeberschutzgesetz verpflichtet sämtliche Unternehmen ab 50 Mitarbeiter (einschließlich freier Mitarbeiter) sowie Unternehmen mit einem Umsatz ab 10 Mio. Euro pro Jahr dazu, eine interne „Whistleblowing-Hotline“ für Mitarbeiter, Kunden, Lieferanten und sonstige Dritte zu errichten. Unternehmen aus dem Bereich der Finanzdienstleistungen müssen unabhängig von der Anzahl ihrer Mitarbeiter interne Hinweisgebersysteme einrichten. Daher treffen die Neuregelungen in der Praxis fast jedes Unternehmen. Für Unternehmen mit 50 bis 249 Beschäftigte gilt eine verlängerte Einrichtungsfrist bis zum 17. Dezember 2023. Den betroffenen Unternehmen steht es frei, ob sie eine interne Organisationseinheit oder Dritte mit der Einrichtung und Betreibung einer internen Meldestelle betrauen.

Wahlrecht der Hinweisgeber und deren Schutz vor Repressalien

Hinweisgeber sollen zukünftig frei wählen dürfen, ob sie sich an eine interne oder externe Meldestelle wenden. Hinweisgebende Mitarbeiter genießen anders als bisher einen sehr umfangreichen Schutz vor Repressalien. So sind z. B. Kündigungen oder Nichtbeförderungen im Zusammenhang mit der Meldung von Verstößen untersagt. Das Gesetzesvorhaben sieht insoweit eine Beweislastumkehr vor: Meldet z. B. ein Mitarbeiter gutgläubig einen Verstoß und wird ihm anschließend gekündigt, so muss das Unternehmen beweisen, dass diese Maßnahme nicht im Zusammenhang mit der Meldung steht. Anderenfalls macht sich das Unternehmen schadensersatzpflichtig.

Drohende Sanktionen

Die Zuwiderhandlung gegen einige der Verpflichtungen aus dem HinSchG stellt eine Ordnungswidrigkeit dar. Den Handelnden drohen in diesem Fall Bußgelder bis zu 100.000 Euro z. B. für den Fall, dass Meldungen verhindert werden oder Repressalien gegenüber gutgläubigen Hinweisgebern erfolgen.

Die fehlende Einrichtung einer internen Meldestelle an sich ist zwar sanktionslos. Um jedoch zu verhindern, dass sich Hinweisgeber direkt an externe Meldestellen oder gar die Öffentlichkeit wenden, liegt es jedoch im ureigenen Interesse des Unternehmens, eine interne Aufklärung zu ermöglichen und auch für Hinweisgeber attraktiv zu machen, damit Hinweisen in einem geschützten nicht-öffentlichen Rahmen nachgegangen werden kann.

To-Do-Liste

Es besteht daher für die betroffenen Unternehmen Handlungsbedarf. Wir haben Ihnen aus diesem Grund nachfolgend eine To-Do-Liste erstellt, aus der sich zugleich die wesentlichen Eckpunkte des Gesetzesvorhabens entnehmen lassen:

1. Errichtung eines internen Hinweisgebersystems bzw. korrespondierende Änderung eines schon bestehenden Meldesystems

Mindestvorgaben

  • Bereitstellung klarer und leicht zugänglicher Informationen über externe Meldeverfahren (über Intranet, Aushang etc.)
  • Uneingeschränkter Zugang zum Hinweisgebersystem
  • Betreuung durch unabhängige und qualifizierte Person(en): Beschäftigte Person (z. B. CCO, Mitglied der Rechtsabteilung, Datenschutzbeauftragter), interne Organisationseinheit (z. B. Compliance-Abteilung) oder Dritter (sog. Ombudsperson) kann mit Aufgaben der internen Meldestelle betraut werden; Vermeidung von Interessenkonflikten; Regelmäßige Schulungen/Seminare
  • Schutz vor Zugriff durch nicht befugte Mitarbeiter auf eingehende Meldungen
  • Wahrung der Vertraulichkeit, Anonymitätswahrung und Datenschutz
  • Ermöglichung von Meldungen in mündlicher oder in Textform
  • Ermöglichung einer persönlichen Zusammenkunft auf Ersuchen der hinweisgebenden Person
  • Festlegung standardisierter Prozesse, die bestimmen, auf welche Weise eine Plausibilisierung und Bearbeitung der Meldungen erfolgt​​​​​​

Verfahren bei internen Meldungen

  • Eingangsbestätigung innerhalb von 7 Tagen
  • Aufrechterhaltung des Kontakts zur hinweisgebenden Person
  • Prüfung der Stichhaltigkeit der eingegangenen Meldung
  • Falls erforderlich, Einholung weiterer Informationen und Ergreifen angemessener Folgemaßnahmen
  • Rückmeldung innerhalb von 3 Monaten zum Umgang mit der Meldung; Rückmeldung umfasst Mitteilung geplanter bzw. bereits ergriffener Folgemaßnahmen sowie die entsprechenden Gründe dafür

Dokumentation der Meldung

  • Dokumentation aller eingehenden Meldungen in dauerhaft abrufbarer Weise unter Beachtung des Vertraulichkeitsgebots durch eine Tonaufzeichnung (mit Einwilligung der Parteien), durch die Zusammenfassung ihres Inhalts in Form eines Vermerks oder durch die vollständige ungenaue Niederschrift des Wortlauts in Form eines Protokolls
  • Hinweisgebende Person muss Gelegenheit bekommen, Vermerk oder Protokoll zu überprüfen, gegebenenfalls zu korrigieren und unterschriftlich zu bestätigen
  • Beachtung von Löschungsverpflichtungen bei Abschluss des Verfahrens

Datenschutzgerechte Gestaltung des Meldeverfahrens

  • Verarbeitung personenbezogener Daten durch Meldestelle hat unter Beachtung der geltenden Vorschriften der DSGVO und BDSG zu erfolgen
  • Ggf. Ergänzung des bestehenden Datenschutzkonzepts erforderlich

Wahrung von Mitbestimmungsrechten der zuständigen Arbeitnehmervertretung bei Einführung eines neuen bzw. Änderung eines existenten Hinweisgebersystems

  • § 87 Abs.1 Nr.1 BetrVG, wenn Hinweisgebersystem Meldepflichten statuiert
  • § 87 Abs.1 Nr. 6 BetrVG, wenn – je nach Ausgestaltung des Meldeverfahrens – dies zur Einführung oder Anwendung technische Einrichtungen führt

(Finanzielle) Anreize für die Nutzung interner Kanäle denkbar

  • Incentivierung gutgläubiger Hinweisgeber für eine vorrangige Meldung über das interne Meldesystem
  • Pflicht zur Bearbeitung anonymer Hinweise – wenn auch gesetzlich nicht vorgesehen

2. Schnittstelle zwischen interner Meldestelle und HR-Abteilung schaffen

  • Vor dem Hintergrund der Beweislastumkehr ist seitens der Personalabteilung eine umfangreiche Dokumentation unerlässlich, um nachweisen zu können, dass Disziplinarmaßnahmen nicht mit dem Whistleblowing zusammenhängen
  • Keine Repressalien gegenüber gutgläubigen Hinweisgebern
  • Informationsaustausch zwischen HR-Abteilung und Verantwortlichem für die interne Meldestelle zwingend erforderlich

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Isabel Hexel

Isabel Hexel

PartnerinRechtsanwältinFachanwältin für Arbeitsrecht

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