Außenhandel01.03.2022 Newsletter

Ukraine-Krieg: Geltende Sanktionen in a nutshell

Der Krieg in der Ukraine hält weiter an. Die EU und die USA haben am Wochenende zusätzliche Sanktionen verhängt. Die Presse berichtete. Viele Unternehmen sind stark verunsichert. Was gilt nun? Was ist noch erlaubt und was nicht?

Wir geben einen Überblick über die verhängten Sanktionen.

Fokus auf Finanzsanktionen und einzelnen Sektoren

Der Fokus sowohl der US- als auch der europäischen Sanktionen liegt auf dem Finanzsektor und einzelnen Industriesektoren.

Viele wichtige Banken Russlands wurden auf US- und EU-Sanktionslisten hinzugefügt, sodass nun insbesondere Geschäfte über Wertpapiere und andere Finanzinstrumente mit diesen Banken verboten sind. Mit einigen russischen Banken ist sogar jegliches Geschäft untersagt. Sollte – vermutlich heute oder morgen – noch ein Ausschluss einiger russischer Banken aus dem SWIFT-System folgen, würde der Zahlungsverkehr mit Russland noch einmal deutlich erschwert. Dem Vernehmen nach sollen aber nicht alle Banken von SWIFT ausgeschlossen werden, sondern nur diese, die auch auf Sanktionslisten stehen.

To Do: Unternehmen, die Russlandgeschäft betreiben, sollten daher schon heute prüfen, welche Banken in die Abwicklung ihrer Geschäfte involviert sind und ggf. alternative Möglichkeiten des Zahlungsverkehrs prüfen.

Bisher sind von den Finanzsanktionen gegenüber den russischen Banken vor allem Finanzinstitute betroffen. 

Die insgesamt 140 Seiten lange neue EU-Verordnung, die am Samstag in Kraft getreten ist, verbietet auch Geschäfte mit bestimmten Gütern und Technologien nach Russland oder an russische Personen. Davon sind allerdings bei weitem nicht alle Industriesektoren betroffen. Der Fokus liegt hier auf Gütern aus den folgenden Bereichen:

  • Elektronik
  • IT und Telekommunikation 
  • IT-Sicherheit
  • Sensoren und Laser
  • Luftfahrt- und Seefahrt
  • Navigation und Antriebe
  • Öl-Raffinerie
  • militärischen oder militärisch nutzbaren Güter

In den USA gilt seit einigen Tagen offiziell eine „policy of denial“ für den Export sensibler Güter der Verteidigungs-, Luft- und Raumfahrt-, IT sowie maritimen Industrie mit US-Ursprung nach Russland oder an russische Personen. Das heißt, dass US-Behörden die entsprechenden Ausfuhren nicht mehr genehmigen. Das wird auch für sogenannte Re-Exporte von US-Waren durch europäische Exporteure gelten. Diese Güter, von denen viele zuvor nicht den US-Kontrollen unterlagen, wenn sie für Russland bestimmt waren, umfassen Halbleiter, Computer, Telekommunikation, Informationssicherheitsausrüstung, Laser und Sensoren.

Unternehmen, die entsprechende Güter oder Technologien vertreiben, warten, reparieren oder Unterstützung hierzu leisten und direktes oder indirektes Russlandgeschäft haben, müssen nun Anhang VI der neuen EU-Verordnung gelisteten Güter genau prüfen. Hier finden sich technische Beschreibungen der betroffenen Güter. Außerdem ist wegen der US Re-Exportproblematik spätestens jetzt eine Bestandsaufnahme darüber zu machen, welche Güter und Technologien mit US-Ursprung genutzt werden.

Es gibt aber auch Ausnahmen von den Verboten u. a. für humanitäre und zwischenstaatliche zwecke oder für Nutzung durch Verbraucher. Deshalb bedeutet selbst eine Listung eines Gutes oder eine Technologie nicht, dass grundsätzlich alle Geschäfte nun verboten sind.

To Do: Überprüfung des Produktportfolios im Hinblick auf die Güterliste und die Verwendung von US-Gütern und –Komponenten. 

Neue personenbezogene Sanktionen

Die USA und die EU haben außerdem Sanktionen gegen einzelne einflussreiche Personen und Unternehmen verhängt. Danach dürfen teilweise keine Geschäfte mit diesen Personen mehr gemacht oder diesen Personen auch nur indirekt wirtschaftliche Ressourcen zur Verfügung gestellt werden. Allein nach den EU-Sanktionen sind davon gegenwärtig über 700 Personen und Unternehmen betroffen.

Dem Sanctions Screening – also die Überprüfung der Geschäftspartner anhand der Sanktionslisten – ist nun besondere Aufmerksamkeit zu widmen. In den letzten Tagen hat sich gezeigt, dass die Erweiterung der Sanctions List gesetzgebungstechnisch sehr leicht möglich ist. Die Aktualität des Screenings und der Grundlagen des Screenings sind daher wichtiger denn je.

To Do: Dem Sanctions Screening ist eine besonders hohe Aufmerksamkeit zu widmen. Screenings sollten idealerweise tagesaktuell durchgeführt werden. 

US-Sanktionen betreffen europäische Unternehmen (nur) indirekt

Ob das Verbot, mit den in den USA gelisteten Personen (sog. Specially Designated Nationals, SDN) Geschäfte zu machen auch für Personen außerhalb der USA rechtlich verbindlich gilt (also im Fall sogenannter secondary sanctions), geht aus den Sanktionen nicht ausdrücklich hervor. In den USA geht man aber bisher davon aus, dass dies nicht der Fall ist und auch das uns zur Verfügung stehen Material legt dies nahe. Damit dürften EU-Unternehmen mit den gelisteten Unternehmen grundsätzlich weiterhin Geschäfte machen. Viele EU-Unternehmen haben allerdings die Policy, keine Geschäfte zu machen, in die SDN verwickelt sind, da auch ein Verstoß gegen primary sanctions als riskant für das US-Geschäft angesehen werden. Daher können deutsche Unternehmen auch mittelbar betroffen sein, wenn Sie Geschäfte mit den gelisteten Personen machen. Für US-Unternehmen gilt, dass sie nunmehr innerhalb der sog. wind-down period (bis zum 2. März) ihre Geschäfte mit den gelisteten Personen beenden müssen.

Darüber hinaus können Zahlungen in Dollar problematisch werden, da für die Abwicklungen solche Zahlungen US-Banken involviert werden müssen. Diesen ist die Unterstützung einer solchen Abwicklung durch die Sanktionen nun möglicherweise verwehrt.

Wie geht es jetzt weiter?

Die EU und USA erwägen weitere Sanktionen durch Ausschluss russischer Banken aus dem SWIFT-System. Wann es dazu kommen wird und welche Banken betroffen sein werden, ist bisher nicht klar. Ob und welche weiteren Sanktionen US- oder EU-seitig außerdem folgen könnten, ist bisher ebenfalls ungewiss. 

Was ist zu tun?

  • Vor allem Unternehmen mit substantiellem Russland-Geschäft sollten eine Task-Force zusammenstellen, die in jedem Fall die Bereiche Recht, Compliance, Key Account Management und Öffentlichkeitsarbeit abdecken sollte. 
  • Die Task-Force sollte sicherstellen, dass Güter und Technologien nach Maßgabe der neuen Anhänge der Russland-Sanktionen klassifiziert werden, Geschäftspartner und Banken geprüft und ggf. Exportstopps eingerichtet werden. 
  • Außerdem sollte die Task-Force die weiteren rechtlichen Entwicklung in den USA und Europa verfolgen. Eine enge Anbindung an die Unternehmensleitung wird dringend empfohlen. Einige Unternehmen haben diese Teams in Zuständigkeiten unterteilt – für die USA und für die EU. 

Es ist nicht auszuschließen, dass schon jetzt oder sehr bald harte Entscheidungen getroffen werden müssen. 

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Stephan Müller

Stephan Müller

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