Digital Business04.10.2023 Newsletter
Steuerrecht und Metaverse – mit welchen steuerlichen Herausforderungen sind Unternehmen in der virtuellen Welt konfrontiert?
Das Metaverse verspricht eindrucksvolle Innovationen und erregt damit in einer Vielzahl von Lebensbereichen außerordentliches Aufsehen. Unterdessen hat sich kaum ein anderes Rechtsgebiet so umfassend und eingehend mit verschiedenen Lebensrealitäten auseinanderzusetzen wie das Steuerrecht. Nur folgerichtig entstehen daraus diverse Herausforderungen für Unternehmen, die im Metaverse präsent sind. In diesem Kontext stellen sich in der Praxis rechtliche Fragen aus den verschiedensten Perspektiven:
- Führt der Tausch von virtuellen Währungen in reale oder in andere virtuelle Währungen zu steuerlichen Folgen in Deutschland?
- Unterliegen Angebote im Metaverse, wie etwa rein virtuelles Glücksspiel, überhaupt der Besteuerung?
- Erlangen Arbeitnehmer geldwerte Vorteile, wenn ihre Arbeitgeber ihnen Leistungen im Metaverse gewähren?
- Kann der Erwerb und die Vermietung von digitalem Land in Deutschland steuerbar sein?
- Kann ein Gewerbebetrieb digital betrieben werden und gibt es eine digitale Land- und Forstwirtschaft?
- Sind im Metaverse erworbene Wirtschaftsgüter, wie etwa virtuelle Assets und virtuelle Währungen in der Bilanz eines Unternehmens zu aktivieren?
Bislang hat erst eine – vorläufig unvollkommene – Auseinandersetzung mit diesen und weiteren Fragestellungen stattgefunden. Die höchstrichterliche Rechtsprechung wird naturgemäß erst in einigen Jahren Stellung nehmen können. Gleichwohl kann im Wege der Auswertung einer ersten Entscheidung des Bundesfinanzhofs (BFH) zum Themenbereich Metaverse ein Erkenntnisgewinn für erste Fragestellungen erzielt werden.
Anerkennung virtueller Welten im analogen Recht
Mit seinem Urteil vom 18. November 2021, Az. V R 38/19 (Quelle), hat der BFH vor dem Hintergrund des Metaversums „Second Life“ erstmals Stellung zur (umsatz-)steuerlichen Einordnung einer virtuellen Realität genommen. Ganz grundlegend stellte sich dem BFH dabei die Frage, ob rein virtuelle Vorgänge – im zu entscheidenden Fall die Vermietung von virtuellem Land – Anerkennung im deutschen Steuerrecht finden können.
Der BFH traf dabei vier die Zukunft bestimmende Aussagen:
(i.) In der virtuellen Welt können sich Vorgänge abspielen, die im realen Leben eine (Umsatz-)Steuerpflicht auslösen würden. Entgegen der Ansicht des Finanzgerichts Köln entschied der BFH jedoch, dass eine über das Spielerlebnis hinausgehende Bedeutung mit rein virtuellen Vorgängen wie der Vermietung von digitalem Land nicht verbunden sei. Daher sei in solchen Vorgängen kein steuerlich relevantes Ereignis zu sehen.
(ii.) Die vielfach von Spielen vorgesehene Möglichkeit spielinterne Währungen gegen reale Währungen zu tauschen stelle hingegen einen in der realen Welt verankerten Vorgang dar. Dieser unterliege nach dem BFH als sog. „sonstige Leistung“ grundsätzlich der Umsatzsteuer. Im konkreten Fall konnten virtuelle Token (sog. „Linden Dollar“) über eine spielinterne Börse („LindeX“) gegen US-Dollar getauscht werden. Mit einer Spielökonomie von zeitweise mehreren hundert Millionen US-Dollar kommt diesem Ausspruch des BFH bereits auf „Second Life“ bezogen enorme Bedeutung zu. Darüber hinaus beachtenswert ist diese Beurteilung auch für In-Game-Börsen virtueller Gegenstände und für mit diesen vergleichbaren Sachverhalten. Insbesondere Spieleanbieter und Betreiber von Metaversen sind daher zur Analyse einer möglichen Umsatzsteuerpflicht aufgerufen und haben diese in ihre Erwägungen zum Design ihrer virtuellen Welten einzubeziehen.
(iii.) Auch auf eine Besonderheit des Umsatzsteuerrechts weist der BFH hin. In bestimmten Konstellationen kommt es im Umsatzsteuerrecht zu einer Umkehr der Umsatzsteuerschuld (sog. Reverse-Charge-Verfahren). Nach dem BFH ist es nicht undenkbar, dass die Nutzer des Metaverse eine Steuerschuld für von ihnen vorgenommene Währungsaustauschvorgänge trifft. Die sich daraus ergebenden nachteiligen bürokratischen Folgen für die Teilnehmer sollten Unternehmen nach Möglichkeit bereits bei der Konzeption ihrer virtuellen Welten adressieren. Dafür ist eine genaue Analyse der geplanten Leistungsbeziehungen notwendig.
(iv.) Maßgeblich für eine Steuerpflicht nach deutschem Umsatzsteuerrecht ist zudem, dass der Leistungsort der Austauschbeziehung in Deutschland liegt. Der für die deutsche Umsatzbesteuerung maßgebliche Ort ist nach dem BFH nur im Einzelfall präzise zu bestimmen. So kommt der BFH unter Berücksichtigung des Sitzes und des Serverstandortes der Anbieterin des Metaverse zu einem Leistungsort in den USA und verneint damit eine Steuerpflicht für den Tausch von Spielwährung in Deutschland. Auf die Bestimmung des umsatzsteuerlichen Ortes des konkreten Leistungsaustauschs haben Unternehmen daher besonders Acht zu geben. Offengelassen hat der BFH welcher Ort bei einem Auseinanderfallen von Sitz und Serverstandort des Unternehmens maßgeblich sein soll. Damit bietet er Anlass für zukünftigen Streit auf diesem Gebiet, welches auch Gestaltungspotential für Unternehmen eröffnet.
Ausblick – Digitale Welten und Lokalitätsbezogenheit des Steuerrechts
Gerade der zuletzt genannte Aspekt ist im Steuerrecht allgegenwärtig – eine Vielzahl von Regelungen zur Besteuerung knüpfen an einen konkreten Leistungs- oder Tätigkeitsort an. Zündstoff bietet diese Frage etwa aktueller denn je im Rahmen der Diskussionen um die Besteuerung der digitalen Wirtschaft und damit verbunden um die internationale Aufteilung von Steuern, die vorwiegend auf der Ebene der OECD geführt wird. Naturgemäß stellt sich damit auch vor dem Hintergrund der Vornahme von Handlungen im Metaverse die Frage, welche Auswirkungen sich durch diese neue Dimension der digitalisierten Welt für die zahlreichen ortsbezogenen Steuervorschriften ergeben. Abschließend seien an dieser Stelle nur die folgenden, beispielhaften Regelungen angeführt, die Anlass für solche Diskussionen bieten mögen:
- Ort der Geschäftsleitung beim Abhalten von Geschäftsleitungssitzungen im Metaverse;
- Qualifikation der Einkünfte aus dem Metaverse als in Deutschland inländische Einkünfte;
- Ansässigkeit von Personen und Gesellschaften für Zwecke von Doppelbesteuerungsabkommen bei rein virtueller Tätigkeit;
- Zugriff auf und Zugänglichmachung von Daten und Aktivitäten im Metaverse für Zwecke der Betriebsprüfung;
- Örtlich zuständiges Finanzamt bei in Deutschland rein virtuellem Geschäftsbetrieb;
- Im Inland betriebener Gewerbebetrieb für gewerbesteuerliche Zwecke durch reine Tätigkeit im Metaverse.
Fazit
Mit dem Urteil des BFH sind erste Leitlinien zur Besteuerung von rein digitalen Vorgängen im Metaverse gezogen worden. Der dem Urteil zu Grunde liegende Sachverhalt betraf jedoch das im Jahr 2003 erstveröffentliche Spiel „Second Life“. Insbesondere vor dem Hintergrund der weitaus weitreichenderen Möglichkeiten der zeitlich nachfolgenden virtuellen Welten ist mit einer stetigen Aktualisierung und Verfeinerung der Rechtsprechung zu rechnen. Das Urteil des BFH kann jedoch als ein erster sichtbarer Hinweis eingeordnet werden. Sowohl politisch – hier insbesondere auf der Ebene der OECD – als auch mit Blick auf die Rechtsprechung wird ein wachsames Auge notwendig sein, um Entwicklungen zu antizipieren, vorausschauend zu planen und mit dem Gang der Diskussion Schritt zu halten. Sicher ist jedenfalls, dass die Volumina digitaler Austauschvorgänge wachsen werden und deren gesellschaftliche Bedeutung sich kontinuierlich weiterentwickeln wird.