Außenhandel01.06.2022 Newsletter
Sanktionen: Neuer Rechtsrahmen für effektive Sanktionsdurchsetzung in Kraft getreten
Spätestens seit dem russischen Angriffskrieg auf die Ukraine im Februar 2022 sind Wirtschaftssanktionen in aller Munde. Dabei ist das Konzept nicht neu. Vielmehr ist es ein lang bewährtes Instrument auch der EU gegen bestimmte juristische wie natürliche Personen, Personengruppen oder Länder Sanktionen zu verhängen, um politische Interessen und die Einhaltung des Völkerrechts durchzusetzen.
Die gegen Russland und Belarus erlassenen Sanktionen umfassen das Einfrieren von Vermögenswerten gelisteter Personen, Reisebeschränkungen, Beschränkungen der wirtschaftlichen Zusammenarbeit und des Zugangs zu den Finanzmärkten sowie Im- und Exportrestriktionen. Diese Sanktionen gelten unmittelbar in den Mitgliedstaaten und bedürfen daher keiner nationalen Umsetzung. Allerdings hat sich in den Monaten seit Inkrafttreten in Deutschland (und in anderen Mitgliedstaaten) gezeigt, dass ein wirkungsstarker operativer Vollzug oftmals an unklaren Zuständigkeiten der Behörden, fehlender Zusammenarbeit und Hindernissen bei der Ermittlung von Vermögenswerten scheiterte. Der Gesetzgeber hat sich deshalb zum Ziel gesetzt, zur wirksamen Durchsetzung von Sanktionen erforderliche Maßnahmen gesetzlich zu verankern. Mit dem Sanktionsdurchsetzungsgesetz I ist nunmehr der erste Teil des bisher zweiteilig geplanten Gesetzespaketes in Kraft getreten.
Das Sanktionsdurchsetzungsgesetz I ändert das Außenwirtschaftsgesetz, das Geldwäschegesetz, das Kreditwesengesetz und das Wertpapierhandelsgesetz. Dabei umfasst es insbesondere die folgenden Regelungen:
- Die zuständigen Behörden werden dazu befugt, Zeugen vorzuladen und zu vernehmen, Beweismittel sicherzustellen, Wohnungen und Geschäftsräume zu durchsuchen, Grundbücher und andere öffentliche Register zu sichten sowie Konten zu ermitteln und abzufragen, um Eigentumsverhältnisse aufzuklären.
- Gelder und andere wirtschaftliche Ressourcen können bis zur Aufklärung der Eigentumsverhältnisse sichergestellt werden.
- Sanktionierte Personen werden verpflichtet, ihr Eigentum der deutschen Bundesbank bzw. dem Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (BAFA) unverzüglich anzuzeigen. Bei Zuwiderhandlung droht eine Freiheitsstrafe von bis zu 1 Jahr oder Geldstrafe.
- Den zuständigen Behörden werden weitere Möglichkeiten eingeräumt, sanktionsrelevante Informationen auszutauschen und Daten aus dem Transparenzregister abzurufen.
Für Unternehmen dürften sich aus diesen Regelungen allerdings zunächst kaum spürbare praktische Auswirkungen ergeben. Schon vor Inkrafttreten des Sanktionsdurchsetzungsgesetzes waren Wirtschaftsbeteiligte dazu verpflichtet, regelmäßige Prüfungen durchzuführen, um zu verifizieren, ob Geschäftspartner, Arbeitnehmer oder Gesellschafter des Unternehmens sanktioniert sind. Wenngleich es bisher keine entsprechende Strafandrohung des deutschen Gesetzes gab, so haben doch die meisten Unternehmen Informationen über eingefrorene Gelder und andere wirtschaftlichen Ressourcen entsprechend den in den EU-Sanktionen normierten Mitwirkungspflichten an die zuständigen deutschen Behörden übermittelt. Neu ist insofern die Strafandrohung für Zuwiderhandlungen. Nun bleibt abzuwarten, wie gut die Kooperation zwischen den zuständigen Behörden umgesetzt wird, ob Durchsuchungen von Geschäftsräumen tatsächlich stattfinden und ob Verstöße gegen die Anzeigepflicht tatsächlich verfolgt und strafrechtlich geahndet werden.
In den kommenden Monaten soll ein zweites Sanktionsdurchsetzungsgesetz erlassen werden. Hierdurch soll ein Register für Vermögen unklarer Herkunft und für sanktionierte Vermögenswerte eingerichtet und ein eigenständiges Verwaltungsverfahren zur Aufklärung von Vermögen unklarer Herkunft eingeführt werden. Außerdem soll eine besondere Hinweisgeberstelle geschaffen werden. Diese Hinweisgeberstelle würde die bereits existierende EU Whistleblower-Stelle für Sanktionsverstöße ergänzen.