Private Clients20.07.2023 Newsletter

Reform des Vormundschafts- und Betreuungsrechts: Rechtsgeschäfte von Minderjährigen

Rechtsgeschäfte von Minderjährigen erfordern in der Praxis immer wieder einen erhöhten Begründungs- und Organisationsaufwand. Durch die Reform des Vormundschafts- und Betreuungsrechts wird dies an einigen Stellen leichter. Andere Rechtsgeschäfte werden erstmals genehmigungsbedürftig.

Minderjährige Kinder und ihre Eltern müssen bei der Durchführung von Rechtsgeschäften diverse Einschränkungen und Hürden beachten. Hierdurch sollen Minderjährige vor für sie nachteiligen Rechtsgeschäften und Haftungsrisiken geschützt werden, die zum Beispiel bei Grundstücksgeschäften oder bei der Beteiligung an Gesellschaften auftreten können. Bei Rechtsgeschäften von Minderjährigen ist stets kumulativ zu prüfen, ob die Bestellung eines Ergänzungspflegers und die familiengerichtliche Genehmigung erforderlich ist. Da für Minderjährige typischerweise dieselben Rechtsgeschäfte wie für Mündel und Betreute risikobehaftet sind, finden im Wesentlichen dieselben Regelungen Anwendung. Das seit dem 1. Januar 2023 geltende neue Vormundschafts- und Betreuungsrecht hat daher auch Auswirkungen auf Rechtsgeschäfte von Minderjährigen.

Überblick über die Änderungen

Das Gesetz zur Reform des Vormundschafts- und Betreuungsrechts hat keine Auswirkungen auf die Ergänzungspflegschaft. Wenn ein Rechtsgeschäft für den Minderjährigen lediglich rechtlich vorteilhaft ist, kann er ab Vollendung des siebten Lebensjahres selbst für sich handeln. Ansonsten muss er vertreten werden, wozu grundsätzlich die Eltern befugt sind. Eltern können ihr Kind jedoch unter anderem dann nicht wirksam vertreten, wenn sie selbst Vertragspartner ihres Kindes sind. Sind die Eltern von der Vertretung ausgeschlossen, muss dies durch einen Ergänzungspfleger geschehen. Dieser ist vom zuständigen Familiengericht zu bestellen.

Zusätzlich ordnet das Gesetz in bestimmten Fällen die Genehmigung des Rechtsgeschäfts durch das Familiengericht an. Die Gesetzesänderung hat zu vielen geringfügigen Änderungen, Klarstellungen und Neustrukturierungen geführt. Ein Großteil der bisher bestehenden Genehmigungserfordernisse wurde jedoch inhaltlich unverändert übernommen. Die neuen Regelungen fassen die einzelnen Vorbehalte dabei zu inhaltlich zusammengehörigen Paragraphen zusammen, sodass diese insgesamt übersichtlicher sind.

Gesellschaftsrechtliche Rechtsgeschäfte

Erwerbsgeschäfte

Die Regelungen zur Genehmigungsbedürftigkeit von gesellschaftsrechtlichen Rechtsgeschäften haben sich insbesondere im Wortlaut teilweise erheblich verändert. Die Änderungen wirken sich vor allem auf Unternehmen aus, die ein Erwerbsgeschäft betreiben. Unternehmen, die ein Erwerbsgeschäft betreiben, handeln berufsmäßig und auf Dauer angelegt mit Gewinnerzielungsabsicht. Hierdurch besteht für den Minderjährigen stets ein abstraktes Haftungsrisiko.

Nach der neuen Rechtslage ist nicht nur der erstmalige Abschluss eines Gesellschaftsvertrages von Personen- und Kapitalgesellschaften, die ein Erwerbsgeschäft betreiben, genehmigungsbedürftig. Auch der Erwerb und die Veräußerung von einzelnen Anteilen an einer solchen Gesellschaft erfordern die Genehmigung durch das Familiengericht.

Bisher wurde der (nicht ausdrücklich geregelte) Beitritt zu einer Personengesellschaft, die ein Erwerbsgeschäft betreibt, wie der erstmalige Abschluss eines Gesellschaftsvertrages behandelt und war damit genehmigungsbedürftig. Denn das mit dem Betrieb eines Erwerbsgeschäfts verbundene Risiko besteht unabhängig davon, ob das Erwerbsgeschäft neu gegründet wird oder schon besteht. Der Beitritt zu einer Kapitalgesellschaft wurde bisher teilweise als genehmigungsfrei angesehen. Hier betreibt die rechtlich selbstständige Kapitalgesellschaft als juristische Person das Erwerbsgeschäft selbst und nicht der Minderjährige. Eine Genehmigungspflicht wurde jedoch von den Familiengerichten häufig trotzdem bejaht, wenn für den Minderjährigen eine Haftungsgefahr, etwa für die Aufbringung von Fehlbeträgen oder Nachschusspflichten, bestand. Der neue Wortlaut erfasst nun also mehr Rechtsgeschäfte als vorher.

Anteilsschenkungen

Zudem hat der Gesetzgeber mit dem neuen Wortlaut nun auch ausdrücklich den unentgeltlichen Erwerb erfasst, um trotz der Unentgeltlichkeit entstehende Haftungsrisiken zu vermeiden. Es sind also auch Schenkungen von Geschäfts- und Gesellschaftsanteilen zu genehmigen. Bisher wurde von einigen Gerichten eine Genehmigungsbedürftigkeit bei der Schenkung eines Kommanditanteils abgelehnt. Voraussetzung dafür war jedoch, dass dieser voll eingezahlt war und die Übertragung unter der aufschiebenden Bedingung der Eintragung im Handelsregister erfolgte. Denn dann ist die Haftung des eintretenden Kommanditisten auf die schon geleistete Einlage beschränkt; eine darüberhinausgehende persönliche Haftung des Minderjährigen im Zeitraum zwischen dem Beitritt zur Gesellschaft und der Eintragung ins Handelsregister scheidet aus. Nach der neuen Gesetzesfassung sind jedoch auch diese Fälle genehmigungsbedürftig. Es wird abzuwarten sein, ob die Gerichte angesichts des nun eindeutigen Wortlauts ihre Rechtsprechung anpassen und bei jeder Übertragung eines Geschäfts- oder Gesellschaftsanteils die Genehmigung des Familiengerichts fordern werden.

Vermögensverwaltende Gesellschaften

Wie bisher sind Rechtsgeschäfte, die sich auf rein vermögensverwaltende Gesellschaften beziehen, von der Genehmigungspflicht ausgenommen; diese betreiben kein Erwerbsgeschäft. Nach dem Gesetzeswortlaut ist die Übertragung von Kommanditanteilen an rein vermögensverwaltenden Kommanditgesellschaften auf Minderjährige weiterhin grundsätzlich ohne familiengerichtliche Genehmigung möglich. Die Bestellung eines Ergänzungspflegers ist ebenfalls nicht erforderlich. Dennoch haben die Gerichte in der Vergangenheit unterschiedlich bewertet, wann ein Erwerbsgeschäft vorliegt und ob das Rechtsgeschäft lediglich rechtlich vorteilhaft ist. Abhängig vom Gerichtsbezirk wurden teilweise auch bei den typischen vermögensverwaltenden Familiengesellschaften die Bestellung eines Ergänzungspflegers und die familiengerichtliche Genehmigung für erforderlich gehalten. Es bleibt abzuwarten, ob durch die Neufassung endlich Klarheit geschaffen werden kann und die uneinheitliche Handhabung ein Ende findet.

Bis zur Gesetzesänderung bestand die Genehmigungspflicht nach dem Wortlaut nur für „Verträge“. Das zugrundeliegende Geschäft, in dem der Minderjährige zur späteren Verfügung verpflichtet wird (Verpflichtungsgeschäft), war eindeutig genehmigungspflichtig. Es war hingegen umstritten, ob auch tatsächliche Verfügungen von der Genehmigungspflicht erfasst werden, also die spätere Übertragung des Geschäfts- oder Gesellschaftsanteils. Durch die Neuformulierung sind nun ausdrücklich beide (also sowohl Verpflichtungs- als auch Verfügungsgeschäft) zu genehmigen.

Grundstücksbezogene Rechtsgeschäfte

Der entgeltliche Erwerb von Wohnungs- und Teileigentum war bereits bisher genehmigungsbedürftig. Ergänzend hierzu wurde nun auch der unentgeltliche Erwerb von Wohnungs- oder Teileigentum unter einen Genehmigungsvorbehalt gestellt. Denn mit dem Beitritt zur Wohnungseigentümergemeinschaft entstehen (unabhängig von der Frage der Entgeltlichkeit) umfangreiche Haftungsrisiken.

Der schenkweise Erwerb eines Grundstücks ist grundsätzlich genehmigungsfrei. Wird im Zusammenhang mit einem schenkweisen Grundstückserwerb durch den Minderjährigen ein Rückforderungsvorbehalt vereinbart, ist dieser genehmigungsbedürftig. Denn der Minderjährige wird zu einer (Rück-)Verfügung über das erworbene Grundstück verpflichtet. Die Genehmigung ist dann nicht notwendig, wenn in der Vereinbarung sichergestellt ist, dass die Haftung des beschenkten Minderjährigen auf das unentgeltlich Zugewandte beschränkt bleibt.

Wie zuvor sind Verfügungen über Grundpfandrechte sowie Verpflichtungen zu einer solchen Verfügung nicht genehmigungsbedürftig.

Verträge über wiederkehrende Leistungen

Wie bisher sind Verträge, durch die der Minderjährige zu wiederkehrenden Leistungen verpflichtet wird, genehmigungsbedürftig, wenn das Vertragsverhältnis länger als ein Jahr nach dem Eintritt der Volljährigkeit des Kindes fortdauern soll. Dies kann relevant sein, wenn zum Beispiel Versicherungs- oder Bausparverträge auf einen Minderjährigen übertragen werden sollen.

Weiterhin ist der Abschluss von Ausbildungs-, Dienst- oder Arbeitsverträgen von der Genehmigungspflicht ausgenommen.

Darüber hinaus sind Verträge ausnahmsweise nicht genehmigungsbedürftig, wenn sich der Minderjährige ohne wirtschaftliche Nachteile bis zum Ablauf des 19. Lebensjahres vom Vertrag lösen kann. Das war bisher zwar nicht gesetzlich verankert, jedoch ständige Praxis.

Zudem wurde eine neue Ausnahme von der Genehmigungspflicht geschaffen: Verträge, die lediglich geringe wirtschaftliche Bedeutung für den Minderjährigen haben, bedürfen keiner Genehmigung. Hierunter sollen alterstypische Geschäfte des täglichen Lebens fallen, deren Gegenwert dem Minderjährigen bereits zugekommen ist bzw. regelmäßig zukommt, etwa Mobilfunkverträge, Fitnessstudiomitgliedschaften oder auch Abonnements bei Streaming-Diensten.

Eine Umgehung der Genehmigungserfordernisse über den „Taschengeldparagraphen“ (§ 110 BGB) ist nicht möglich: Eltern können ihren minderjährigen Kindern die Mittel zur Vornahme eines genehmigungsbedürftigen Geschäfts nicht bereits im Vorfeld genehmigungsfrei überlassen. Denn schon die durch die Mittelüberlassung erteilte Einwilligung der Eltern zu dem genehmigungsbedürftigen Rechtsgeschäft ist genehmigungsbedürftig.

Genehmigungsverfahren

Das Genehmigungsverfahren ist im Wesentlichen gleichgeblieben.

Die Frist zur nachträglichen Genehmigung eines Rechtsgeschäfts durch das Familiengericht nach Aufforderung durch den Vertragspartner wurde von vier Wochen auf zwei Monate verlängert.

Einseitige Rechtsgeschäfte, die ohne die erforderliche Genehmigung des Familiengerichts vorgenommen werden, sind grundsätzlich unwirksam. Neu ist, dass einseitige Rechtsgeschäfte, die ohne die erforderliche Genehmigung gegenüber einem Gericht oder einer Behörde vorgenommen werden, lediglich „schwebend unwirksam“ sind. Sie entfalten also zwar zunächst keine Rechtswirkung, können aber nachträglich durch das Familiengericht genehmigt werden. Solche einseitigen Rechtsgeschäfte sind zum Beispiel Erbausschlagungen oder Anträge auf Teilungsversteigerungen.

Fazit

Die durch das Gesetz zur Reform des Vormundschafts- und Betreuungsrechts erfolgten Änderungen bei Rechtsgeschäften von Minderjährigen sind insgesamt zu begrüßen. Zwar sind nun mehr Rechtsgeschäfte genehmigungsbedürftig, die Änderungen haben jedoch vielfach klarstellenden Charakter und vereinfachen durch die Neustrukturierung die Anwendung und Prüfung der Genehmigungserfordernisse.

Gerne beraten wir Sie bei der Vorbereitung und Durchführung von Geschäften unter Beteiligung Ihrer minderjährigen Kinder.

Malte Menken, Johanna Matheis

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