Arbeitsrecht11.10.2024 Newsletter

Referenten-Entwurf: Tariftreue

Am 5. September 2024 hat Hubertus Heil, Bundesminister für Arbeit und Soziales, den Referenten-Entwurf zum „Tariftreuegesetz“ vorgelegt, der als solcher zunächst wenig überraschend ist. Inhaltlich hat es der Entwurf hingegen in sich, da die Regelungen teils verfassungs- und europarechtlichen Bedenken begegnen. Aus Unternehmenssicht sind die maßgeblichen Neu-Regelungen zum digitalen Zugangsrecht von Gewerkschaften beachtlich. Sollte der Entwurf so umgesetzt werden, betrifft dieses alle Unternehmen. Katharina Schäffer und Jörn Kuhn stellen den Entwurf knapp vor.

Der Entwurf zum Tariftreuegesetz sieht unter anderem vor, dass öffentliche Aufträge ab einem Wert von 25.000 Euro nur an Unternehmen vergeben werden dürfen, die die branchenüblichen Tarifverträge für die Dauer des jeweiligen Auftrages anwenden. Bei Beauftragung müssen sich die Unternehmen – auch für Nachunternehmer und Verleihfirmen – verpflichten, die entsprechende Tarifbindung einzuhalten. Ist unklar, welcher der konkurrierenden Tarifverträge im Betrieb Anwendung findet, entscheidet eine neu eingerichtete Clearingstelle, welcher Tarifvertrag in der Branche repräsentativ ist und beachtet werden soll.

Der Gesetzgeber verfolgt das Ziel, die Tarifbindung in Deutschland zu steigern und eine einheitliche Regelung zur Tariftreue auf Bundesebene zu schaffen. Damit soll ein fairer Wettbewerb zu tarifgebundenen Unternehmen gewährleistet und die Arbeitnehmerrechte geschützt werden.

Neben der verpflichtenden Anwendung von Tarifverträgen können durch Rechtsverordnungen auch verbindliche Arbeitsbedingungen festgelegt werden. Für die Festlegung dieser verbindlichen Arbeitsbedingungen werden die Möglichkeiten des Arbeitnehmerentsende-Gesetzes herangezogen.

Die Einhaltung dieser Vorgaben wird durch die „Prüfstelle Bundestariftreue“ kontrolliert. Sie unterstützt die Auftraggeber bei der Kontrolle und führt eigenständige Überprüfungen durch. Verstöße können mit zivilrechtlichen Vertragsstrafen, außerordentlichen Kündigungen und dem Ausschluss von zukünftigen Vergabeverfahren geahndet werden.

Eine weitere Änderung betrifft das Tarifvertragsgesetz, das Gewerkschaften ein digitales Zugangsrecht zu den Betrieben gewährt. Unternehmen müssen den Gewerkschaften die betrieblichen E-Mail-Adressen der Mitarbeiter zur Verfügung stellen und den Zugang zu internen Kommunikationswegen ermöglichen.

Dabei wird vermehrt Kritik an dem neuen Referenten-Entwurf geäußert. Es wird befürchtet, dass die Vergabeverfahren komplexer und damit aufwändiger werden. Zudem könnten Einschränkungen bei Umstrukturierungen die Wettbewerbsfähigkeit beeinträchtigen, da insoweit eine Nachbindung der vereinbarten Tarifverträge bei der Ausgliederung von Betrieben vorgesehen ist. Es bestehen ferner europa- und verfassungsrechtliche Bedenken aufgrund eines möglichen Eingriffs in die Tarifautonomie sowie datenschutzrechtliche Bedenken in Bezug auf die Nutzung betrieblicher E-Mails durch Gewerkschaften. Es wird befürchtet, dass die vorgesehene Einhaltung der branchenüblichen Tarifverträge nicht dazu führt, dass ein Anreiz für den Beitritt in Gewerkschaften und Arbeitgeberverbände geschaffen wird.

Zusammengefasst strebt das Tariftreuegesetz eine Stärkung der Tarifbindung und einen fairen Wettbewerb an, hinkt in der derzeit vorgesehenen Umsetzung durch Referenten-Entwurf vom 5. September insbesondere in Bezug auf die Umsetzbarkeit und den Datenschutz und wirft erhebliche europarechtliche- und verfassungsrechtliche Fragen auf.

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Jörn Kuhn

Jörn Kuhn

PartnerRechtsanwaltFachanwalt für Arbeitsrecht

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