Prozessrisiken steuern: Abtretungsmodelle und Prozessfinanzierung machen es möglich

Die gerichtliche Durchsetzung von Schadensersatzansprüchen ist auch für institutionelle Investoren oder Unternehmen häufig mit einem hohen finanziellen Risiko und organisatorischen Aufwand verbunden, weshalb Geschädigte davon häufig absehen. Abtretungsmodelle und Prozessfinanzierung können in diesen Fällen die Lösung sein: So können Geschädigte ihre Ansprüche kostenwirksam gerichtlich durchsetzen – teilweise sogar ohne selbst als Partei am Verfahren beteiligt zu sein.

Abtretungsmodelle: Eigene Ansprüche weitergeben

Unter Abtretung versteht man im Kontext von Massenverfahren die Bündelung von Ansprüchen verschiedener Geschädigter zur gemeinsamen Geltendmachung durch einen einzigen Kläger. Dazu treten die Geschädigten ihre Ansprüche an einen zugelassenen Rechtsdienstleister (Inkassodienstleister) oder an eine für die jeweilige Anspruchsbündelung gegründete Klagegesellschaft (Klagevehikel) ab. Diese machen die Ansprüche dann im eigenen Namen gerichtlich geltend.

An den klagenden Rechtsdienstleister werden durch das Rechtsdienstleistungsgesetz (RDG) bestimmte Anforderungen gestellt: Der Rechtsdienstleister muss als Inkassodienstleister registriert und finanziell mindestens zur Deckung sämtlicher etwaiger Kostenerstattungsansprüche der Gegenseite in der Lage sein (vgl. § 10 Abs. 1 S. 2, Abs. 2 RDG).

Praktische Bedeutung der Abtretungsmodelle

Solche Abtretungsmodelle haben für Geschädigte den Vorteil, dass der Inkassodienstleister das gesamte Prozessrisiko (Gerichts- und Anwaltskosten) übernimmt. Das dadurch „ersparte“ Kapital kann der Geschädigte an anderer Stelle innerhalb seines Geschäfts einsetzen und auf diese Weise seine Liquidität erhalten. Dies ist insbesondere für geschädigte Unternehmen attraktiv.

In vielen Fällen erhält der Geschädigte zudem im Gegenzug für die Abtretung des Anspruchs direkt einen Kaufpreis, unabhängig vom Ausgang des Verfahrens. Die erstrittene Klagesumme steht dafür dem Klagevehikel (oder dem hinter diesem stehenden Rechtsdienstleister) als Erfolgshonorar zu.

Der BGH hat Abtretungsmodelle als zulässig anerkannt (Urteil vom 13.06.2022, Az. VIa ZR 418/21). Auch das „Sammelklageinkasso“ hat er abgesegnet (Urteil vom 13.07.2021, Az. II ZR 84/20) und entschieden, dass die Tätigkeit des Rechtsdienstleisters noch vom Inkassobegriff der § 10 Abs. 1 S. 1 Nr. 1, § 2 Abs. 2 S. 1 RDG umfasst ist. Generell seien solche Geschäftsmodelle vom Inkassobegriff gedeckt, die ausschließlich oder vorrangig auf eine gerichtliche Einziehung der Forderung abzielen. Dies gelte auch im Fall des sog. „Sammelklageinkassos“.

Grundsätzlich, so betont der BGH, unterliegen die konkreten Abtretungsmodelle und deren vertragliche Ausgestaltung der gerichtlichen Kontrolle, was im Einzelfall zu Risiken führen kann. Hält ein Gericht die Abtretung nämlich für unwirksam, so ist die Klage unzulässig. Je nach Ausgestaltung des Abtretungsmodells kann dies zu Lasten des Geschädigten gehen. Offene, bislang höchstrichterlich nicht geklärte Fragen ergeben sich etwa zur Vereinbarkeit von Abtretungsmodellen mit Europarecht.

Prozessfinanzierung: Keine eigenen Kosten im Rechtsstreit

Im Falle einer Prozessfinanzierung verbleibt der Anspruch beim Geschädigten: Er erhebt die Klage im eigenen Namen und ist Partei des Rechtsstreits. Seine Verfahrens- und Rechtsberatungskosten übernimmt der Prozessfinanzierer, ohne dass der Geschädigte in Vorleistung gehen muss. Der Geschädigte muss dem Prozessfinanzierer nur ein Erfolgshonorar zahlen, wenn er vor Gericht gewinnt. In der Regel bemisst sich dieses Honorar prozentual am erstrittenen Schadensersatz oder an einem Vielfachen des vom Prozessfinanzierer beigesteuerten Kapitals.

Positive Aspekte der Prozessfinanzierung

Die Vorteile einer Prozessfinanzierung ähneln denen der Abtretungsmodelle. Insbesondere trägt der Geschädigte auch hier kein oder je nach Ausgestaltung nur ein sehr geringes Prozesskostenrisiko für den Fall, dass die Klage letztlich verloren geht.

Da Prozessfinanzierer in den Fall „investieren“, unterziehen sie die Ansprüche einer sorgfältigen „Ankaufsprüfung“. Der Geschädigte profitiert daher von einer Bewertung der Erfolgsaussichten des Rechtsstreits, die eine zuverlässige Risikoeinschätzung zulässt. Sind die Geschädigten Unternehmen, ist der Prozessfinanzierer üblicherweise Ansprechpartner für die Prozessbevollmächtigten. Dadurch wird die Rechtsabteilung des Unternehmens entlastet. Zusätzlich bietet eine Prozessfinanzierung den Vorteil, dass eine Auseinandersetzung zwischen Geschädigtem und Schädiger durch vergleichbaren Ressourceneinsatz auf Augenhöhe erfolgt.

Die reine Prozessfinanzierung eignet sich insbesondere für die Durchsetzung von Ansprüchen abseits von Massenverfahren, da die Besonderheiten des Einzelfalls so besser berücksichtigt werden können.

Ausblick

Massenverfahren gewinnen stetig an Bedeutung. Nicht nur im Zusammenhang mit den allseits bekannten Dieselverfahren beschreiten Geschädigte den Klageweg über sogenannte Massenverfahren.

Auch in anderen Fällen, in denen zahlreiche Geschädigte gleichgelagerte Ansprüche gegen denselben Schuldner geltend machen, werden Massenverfahren die Zukunft sein. Egal ob es dabei um massenhafte Einzelklagen oder um die Bündelung von Ansprüchen in einer Klage geht: Abtretungsmodelle und Prozessfinanzierung sind für Geschädigte praxistaugliche Möglichkeiten, um ihre Ansprüche effektiv gerichtlich durchzusetzen – teilweise sogar ohne eigenes Kapital einsetzen zu müssen.

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Maximilian Reichl

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