Neues BImSchG – welche Beschleunigungsmöglichkeiten kommen?

Die Novelle des Bundes-Immissionsschutzgesetzes (BImSchG) ist in Kraft. Ziel der Gesetzesänderungen sind beschleunigte Genehmigungsverfahren. Hiervon soll vor allem der Windenergieausbau profitieren, ohne den Klimaschutz außer Acht zu lassen.

Die neuen Bestimmungen gelten seit dem 9. Juli 2024 und betreffen neben dem BImSchG v. a. die 9. und 12. BImSchV (BGBl. 2024 I Nr. 225 vom 8. Juli 2024). Das Gesetz war fast ein Jahr lang in der parlamentarischen Befassung (1. Lesung am 6. Juli 2023).

Klima als Schutzgut i. S. d. BImSchG

Das Klima wird gem. § 1 Abs.1 und § 3 Abs. 2 BImSchG n. F. ausdrücklich als Schutzgut aufgenommen. Damit wird klargestellt, dass auf Grundlage des BImSchG erlassene Verordnungen auch Anforderungen zum Schutz des Klimas regeln können. 

Beschleunigung des Genehmigungsverfahrens

Die BImSchG Novelle sieht schnellere und unbürokratischere Genehmigungsverfahren vor.

  • Vereinfachung des vorzeitigen Baubeginns
    FürÄnderungsgenehmigungen und Genehmigungen für Anlagen auf einem bereits bestehenden Standort ist künftig keine positive Prognoseentscheidung der Behörde erforderlich (§ 8a Abs. 1 S. 2 BImSchG). Die Baumaßnahmen erfolgen auf Risiko des Bauherrn, der sicherstellen muss, dass keine einschlägigen öffentlich-rechtlichen Vorschriften (z. B. Baurecht, umweltrechtliche Vorschriften) verletzt werden.
     
  • Digitalisierung des Genehmigungsverfahrens
    Gemäß § 10 Abs. 1 und 4 BImSchG können Genehmigungsbehörden künftig verlangen, dass der Antrag elektronisch gestellt wird. Ausnahmen gelten für Personen ohne Internetzugang. Erörterungstermine können gem. § 10 Abs. 6 BImSchG online per Video- bzw. Telefonkonferenz durchgeführt werden.
     
  • Beschleunigtes Verfahren der Behördenbeteiligung
    Gibt eine zu beteiligende Behörde innerhalb eines Monats keine Stellungnahme ab und erwirkt keine Fristverlängerung, ist davon auszugehen, dass sie sich nicht äußern will (§ 10 Abs. 5 BImSchG). Bei Erneuerbare-Energien-Anlagen (EE-Anlagen) oder Elektrolyseuren für grünen Wasserstoff ist eine Fristverlängerung ausgeschlossen. Bleibt eine Stellungnahme aus, kann die zuständige Genehmigungsbehörde ein Sachverständigengutachten einholen oder selbst Stellung nehmen.
     
  • Öffentlichkeitsbeteiligung bei Änderungsgenehmigung
    Grundsätzlich soll die Genehmigungsbehörde bei Änderungsgenehmigungen die Öffentlichkeit nicht beteiligen (§ 16 Abs. 2 S. 1 und S. 2 BImSchG). Gemäß dem neu eingeführten § 16 Abs. 2 S. 5 BImSchG muss die Genehmigungsbehörde die Öffentlichkeit durch öffentliche Bekanntmachung und Auslegung neuerdings aber beteiligen, wenn die Anlage durch die Änderung die Leistungsgrenzen oder Anlagengrößen i. S. d. Anhangs 1 der 4. BImSchV (dort in Spalte d mit dem Buchstaben E gekennzeichnet) erreicht.
     
  • Öffentliche Bekanntmachung
    Auf Antrag des Vorhabenträgers ist eine öffentliche Bekanntmachung im einfachen Verfahren durchzuführen (§ 19 Abs. 3 BImSchG). Hierdurch stellt der Gesetzgeber klar, dass die öffentliche Bekanntmachung im vereinfachten Verfahren generell und nicht nur in Fällen des Repowering die Rechtsschutzfristen auslöst.
     
  • Genehmigungsfiktion und Vollständigkeit der Unterlagen
    § 7 Abs. 2 der 9. BImSchV definiert erstmals, was "Vollständigkeit" bedeutet. Die Behörden müssen die Unterlagen binnen eines Monats auf Vollständigkeit überprüfen und können die Genehmigungsfrist nur einmalig um drei Monate verlängern. Die Frist für das Genehmigungsverfahren beginnt auch dann, wenn die Behörde innerhalb der vorgegebenen Frist nicht reagiert oder die nachgeforderten Unterlagen nachgereicht wurden.
     
  • Stärkung der Rolle des Projektmanagers
    Der Projektmanager "kann" künftig nicht nur, sondern "soll" eingesetzt werden. Er kann als Verwaltungshelfer fungieren und übernimmt neue Aufgaben gemäß § 2a und 2b der 9. BImSchV wie z. B. die Prüfung der Vollständigkeit des Antrags.
     
  • Erörterungstermin
    Bei Windenergieanlagen (WEA), Elektrolyseuren und Speichern für grünen Wasserstoff soll auf einen Erörterungstermin verzichtet werden (§ 16 Abs. 1 S. 2-5 der 9. BImSchV). Für andere Anlagen findet ein Erörterungstermin nur auf Antrag des Vorhabenträgers statt oder wenn die Behörde es im Einzelfall als geboten erachtet (§ 16 Abs. 1 S. 1 Nr. 5 der 9. BImSchV). In diesem Fall ist der Erörterungstermin innerhalb von vier Wochen durchzuführen.

Besondere Erleichterungen für Windenergieanlagen (WEA)

  • Vereinfachung für Repowering-WEA
    • Die Änderungen des § 16b BImSchG dienen vor allem der Klarstellung und der Anpassung an das Naturschutzrecht. Für sämtliche öffentliche Belange erfolgt eine Deltaprüfung. Die Genehmigungsbehörde prüft lediglich, ob das Repowering im Verhältnis zum gegenwärtigen Zustand nachteilige Auswirkungen hervorruft, die für die Prüfung nach § 6 Absatz 1 erheblich sein können. Repowering ist in einem Abstand zu Bestandsanlage von maximal dem Fünffachen der Gesamthöhe der Neuanlage möglich. Die neue Anlage ist innerhalb von 48 Monaten nach dem Rückbau der Bestandsanlage zu errichten.
       
    • Genehmigungsfiktion bei Typenänderung: Trifft die Behörde innerhalb von sechs Wochen keine Entscheidung, gilt die Änderung gemäß § 16b Abs. 9 BImSchG als genehmigt.
       
    • Bei fehlender Betreiberidentität: Es genügt, wenn der neue Betreiber der Genehmigungsbehörde bis zum Zeitpunkt der Entscheidung über den Repowering-Antrag eine Einverständniserklärung des Bestandsanlagenbetreibers vorlegt (§ 16b Abs. 10 BImSchG).
       
  • Vorbescheid ohne UVP-Prüfung
    Antragsteller können künftig projektspezifische Fragen zu einzelnen Genehmigungsvoraussetzungen bereits vor dem Genehmigungsverfahren gemäß § 9 Abs. 1a BImSchG ohne Umweltverträglichkeitsprüfung oder Vorprüfung klären und so einen Vorbescheid erwirken.
     
  • Rechtsschutz
    Zulassungsentscheidungen zugunsten von WEA sind wie bisher sofort vollziehbar. Der Widerspruch gegen die Zulassung einer WEA hat nun binnen Monatsfrist zu erfolgen. Anträge auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung sind innerhalb eines Monats zu stellen und zu begründen.

Ausblick

Die BImSchG Novelle verspricht eine Beschleunigung und Entbürokratisierung der Verfahren, insbesondere bei WEA. Viele Regelungen zielen darauf, Verzögerungen im Verfahren durch die Behörden entgegenzuwirken. Damit soll der Windenergieausbau vorangetrieben und den Forderungen von Industrie und Verbänden nachgekommen werden. Ob dies gelingt, wird sich in der Genehmigungspraxis zeigen und nicht zuletzt von der Personalausstattung der Behörden abhängen.

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Holger Hofmann

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