Arbeitsrecht12.12.2024 Newsletter
Neue Fachliche Weisungen der Bundesagentur für Arbeit zum AÜG
Während das BAG die Anforderungen an das Konzernprivileg verschärft (siehe unseren Beitrag vom 22. November 2024), schlägt die Verwaltung einen strengeren Kurs in Bezug auf grenzüberschreitende Arbeitnehmerüberlassung ein. Die Bundesagentur für Arbeit (BfA) hat am 15. Oktober 2024 neue Fachliche Weisungen zum Arbeitnehmerüberlassungsgesetz (AÜG) veröffentlicht. Isabel Hexel und Roman Braun bewerten die neue Rechtsauffassung der BfA zum Modell des „Employer of Record“.
1. Neue Rechtsauffassung der BfA: Virtueller Inlandsbezug
Nach bisher nahezu einhelliger Meinung in der juristischen Literatur – der auch die vorherige Version der Fachlichen Weisungen zum AÜG beipflichteten – herrschte in Anwendung des Territorialitätsprinzips für das Modell „Employer of Record“ Klarheit: Befindet sich nur der Entleiher in Deutschland, während Verleiher und Arbeitnehmer sich im Ausland aufhalten, ist deutsches Recht nicht anwendbar. Somit war bisher u. a. keine Verleiherlaubnis in besagter Konstellation nach dem AÜG erforderlich.
Neuerdings vertritt die BfA in ihren Fachlichen Weisungen allerdings die Auffassung, dass bereits ein virtueller Inlandsbezug genüge, um das AÜG zur Geltung zu bringen. In Anwendung dieser Rechtsauffassung müsste ein „Employer of Record“ selbst dann eine Verleiherlaubnis nach § 1 Abs. 1 AÜG beantragen, wenn sich ein Leiharbeitnehmer physisch ausschließlich im Ausland aufhielte. Zudem würden in diesem Fall die weiteren rechtlichen Beschränkungen des AÜG zu Höchstüberlassungsdauer, Equal Pay, Transparenzgebot etc. zur Anwendung kommen.
2. Rechtliche Bewertung
Diese neue Rechtsauffassung der BfA erweist sich bei genauer Prüfung als wenig belastbar. Das Territorialitätsprinzip als zentrale Kollisionsnorm des öffentlichen Rechts dient der klaren Abgrenzung staatlicher Rechtsordnungen und soll Konflikte zwischen konkurrierenden Regelungen vermeiden. Der von der BfA postulierte virtuelle Inlandsbezug hingegen untergräbt diese Systematik und verwischt die Grenzen zwischen den Jurisdiktionen. Dadurch besteht das Risiko, dass zwei Rechtsordnungen parallel anwendbar sind, was für Unternehmen eine nicht tragbare Rechtsunsicherheit bedeutet.
Außerdem liegt in dieser Rechtsauffassung ein gravierender systematischer Widerspruch. Der virtuelle Inlandsbezug verleiht dem AÜG eine quasi globale Reichweite. So würde die BfA etwa von Arbeitgebern in den USA eine deutsche Verleiherlaubnis verlangen, obwohl § 3 Abs. 2 AÜG Unternehmen außerhalb des Europäischen Wirtschaftsraums diese grundsätzlich versagt. Damit entsteht ein unauflösbarer Widerspruch: Der „Employer of Record“ soll eine Erlaubnis besitzen, die ihm rechtlich nicht erteilt werden kann.
Die weitreichenden Konsequenzen der neuen Fachlichen Weisungen erscheinen umso problematischer, wenn man ihre Rechtsnatur betrachtet. Denn im Kern handelt es sich lediglich um interne Dienstanweisungen ohne rechtliche Außenwirkung. Für Gerichte ist die Rechtsauffassung der BfA somit nicht bindend.
3. Fazit
Gleichwohl ist zu erwarten, dass die BfA das Modell „Employer of Record“ in Zukunft verstärkt ins Visier nehmen wird. Bußgeldbewährte Sanktionen sind daher nicht auszuschließen, solange keine gerichtliche Klärung erfolgt ist.
Auch wenn wir die Rechtsauffassung der BfA in diesem Punkt für rechtsfehlerhaft erachten, sollten sich Unternehmen trotzdem auf die neue Prüfpraxis einstellen und entweder versuchen, einen virtueller Inlandsbezug in einem praktizierten „Employer of Record“ Modell zu beseitigen oder, wenn sich ein solcher nicht vermeiden lässt, das Modell ggf. vorübergehend abzustellen.