Digital Business04.05.2022 Newsletter

Mit Spielen Geld verdienen – Arbeitsrechtliche Fragen im E-Sport

E-Sport ist den Kinderschuhen entwachsen. Die Branche erlebt in den letzten Jahren ein schwindelerregendes Wachstum, mit dem eine deutliche Professionalisierung einhergeht.

Diese Entwicklung macht auch vor dem Arbeitsrecht nicht halt. In den Anfangsjahren waren die Top-Spieler des professionellen E-Sport eher als Freelancer zu betrachten. Vertragliche Regelungen, die das Verhältnis zwischen ihnen und den Clans bzw. Teams definierten, fehlten. Auch wegen der hohen Fluktuation der Spieler und der (wenn überhaupt) geringen Umsätze bestand kein Bedarf, das Verhältnis zwischen Spieler und Clan bzw. Team zu definieren.

Verbindliche Vereinbarungen notwendig

Die Entwicklungen der letzten Jahre zeichnen nun aber ein anderes Bild. Hoch dotierte Sponsorenverträge, erhebliche Preisgelder und der Wettbewerb um die besten Talente schafft auch im E-Sport das Bedürfnis nach verbindlichen Vereinbarungen und fordert die Einhaltung geltender Gesetze. Die Branche ist dabei, die Grenzen und Besonderheiten zu justieren, die beispielsweise im Profifußball bereits seit Jahren etabliert sind.

Man kann sich die Frage stellen, ob Spielen überhaupt Arbeit sein kann. Von der Beantwortung dieser Frage hängt ab, ob das gesamte Arbeitsrecht mit seinen Schutznormen und Verpflichtungen auch für den E-Sport-Bereich gilt. Tatsächlich ist die Beantwortung nicht einfach und hängt jeweils vom konkreten Einzelfall ab. Solange das Spielen reiner Selbstzweck ist und erstrangig der Freizeitgestaltung dient, dürfte es sich beim Spielen nicht um Arbeit handeln. Auch wenn der Spieler oder die Spielerin gelegentlich Preisgelder erzielt, oder aber (geringe) Zahlungen erhält, um ihn oder sie an einen bestimmten Clan zu binden, ändert sich hieran nichts.

Wirtschaftliches Interesse und Weisungsgebundenheit von Bedeutung

Je höher allerdings der Zeiteinsatz ist und je maßgeblicher das wirtschaftliche Interesse ist, das der Spieler oder die Spielerin mit dem E-Sport verfolgt, desto eher muss man davon ausgehen, dass das Spielen doch Arbeit ist.

Eine definitive Grenze – etwa ein bestimmtes Jahreseinkommen aus Preis-, Sponsorengeldern und Clan-Bezügen – lässt sich nicht grundsätzlich ziehen. Letztendlich wird entscheidend sein, ob der Spieler oder die Spielerin ein wesentliches wirtschaftliches Interesse verfolgt und umgekehrt ein solches des Clans befriedigt.

Ob ein Arbeitsverhältnis vorliegt, hängt auch von der Weisungsgebundenheit des Spielers bzw. der Spielerin ab. Professionelle Clans arbeiten mit Trainer- und Betreuerstäben, haben feste Trainings- und Spielpläne, Sponsorentermine und andere Verpflichtungen. Nicht selten sind die Spieler eines Clans zudem an bestimmte Verhaltensrichtlinien sowohl im virtuellen als auch realen Raum gebunden. Die Teams bzw. Clans stellen zudem oft einen erheblichen Teil der Infrastruktur, wie beispielsweise eigene Server, (Analyse-) Tools oder die einheitliche Teamkleidung.

Auf dieser Grundlage lässt sich oft im Hochleistungsbereich relativ deutlich das Vorliegen eines Arbeitsverhältnisses bestimmen. Ebenso deutlich wird das Ergebnis negativ ausfallen, wenn man die vielen informellen Clans bzw. Teams bis in den semiprofessionellen Bereich betrachtet. Dazwischen liegt eine Grauzone, in der jeder Einzelfall gesondert betrachtet werden muss.

Liegt ein Arbeitsverhältnis vor, ergeben sich für den Spieler bzw. die Spielerin einerseits und den Clan bzw. das Team andererseits mannigfaltige Folgen.

Jugendarbeitsschutzgesetz bei Arbeitsverhältnis beachten

Bei minderjährigen Pro-Gamerinnen und Pro-Gamern ist das Jugendarbeitsschutzgesetz zu berücksichtigen, das grundsätzlich einem Einsatz an Samstagen, Sonntagen und Feiertagen entgegensteht. Solange E-Sport nicht als Sport i. S. d. § 16 Abs. 2 Nr. 9 bzw. § 17 Abs. 2 Nr. 6 Jugendarbeitsschutzgesetz verstanden wird, dürften entsprechend junge Pro-Gamerinnen und Pro-Gamer demzufolge nicht auf kommerziellen Turnierveranstaltungen auftreten. Und auch unter der Woche käme nur eine Tätigkeit im Zeitraum zwischen 6.00 Uhr und 20.00 Uhr in Frage (§ 14 Abs. 2 JArbSchG). Dies schließt Trainingszeiten mit ein.

Vorsicht bei befristeten Arbeitsverhältnissen

Aufgrund der hohen Belastung beim professionellen Computerspielen und den hohen Anforderungen an Konzentration, Geschicklichkeit, Ausdauer, Reaktionsvermögen und Hand-Augen-Koordination dürfte das Zeitfenster, innerhalb dessen Pro-Gamerinnen und Pro-Gamer auf höchstem Niveau spielen können, auf wenige Jahre beschränkt sein, so dass sich auch im Bereich des E-Sports die Frage nach zulässig befristeten Arbeitsverhältnissen stellt.

Da die Befristung eines Arbeitsverhältnisses den gesetzlichen Kündigungsschutz aushebelt, sind Befristungen ohne sachlichen Grund nur unter engen Beschränkungen möglich. Unter anderem gilt für eine sachgrundlose Befristung eine Höchstdauer von zwei Jahren. Im Profisport, insbesondere im Fußball, dominieren Befristungen, die an einen Sachgrund anknüpfen und deshalb auch längere Laufzeiten zulassen. Für einen solchen Sachgrund wird z. B. auf die Rahmenbedingungen der professionellen Fußball-Ligen verwiesen. Dazu gehört die von vornherein begrenzte Zeit, in der die Sportler in der Lage sind, Spitzenleistungen zu erbringen, die vereinsinterne Kaderentwicklung und Wechselmöglichkeiten zu anderen Vereinen. Das ist auch vom Bundesarbeitsgericht anerkannt worden.

E-Sport ist bislang allerdings nicht einhellig als Sportart anerkannt. Deshalb ist offen, inwieweit die Rechtsprechung, die zur Zulässigkeit von befristeten Arbeitsverträgen im Profi-Fußball ergangen ist, auf den Bereich des E-Sports übertragen lässt. Dies schließt nebenbei bemerkt auch die Frage mit ein, inwiefern die Pro-Gamerinnen und Pro-Gamer vertraglich an einen Clan gebunden werden können und ob und inwieweit auch im professionellen E-Sport Ablösezahlungen vereinbart werden können.

Auch Kündigungsschutz spielt eine Rolle

Auch bei der Beendigung des Arbeitsverhältnisses mit einem Pro-Gamer oder einer Pro-Gamerin stellen sich die klassischen arbeitsrechtlichen Fragen. Insbesondere dürfte hier relevant sein, inwieweit der Ausspruch einer ordentlichen Kündigung nach Maßgabe des Kündigungsschutzgesetzes in Betracht kommt, wenn bei einem Pro-Gamer oder einer Pro-Gamerin ein nachhaltiger Leistungsabfall zu beobachten ist. Die verhaltensbedingte Kündigung des Arbeitsverhältnisses – bis hin zur außerordentlichen Kündigung – kommt hingegen in Betracht, wenn Spielerinnen oder Spieler gegen Anti-Doping-Vereinbarungen verstoßen, Cheaten oder sonstiges erhebliches Fehlverhalten wie wiederholtes Rage-Quitting, sonstige erhebliche Beschädigung des Ansehens des Clans bzw. Teams an den Tag legen.

Da sich bislang – soweit ersichtlich – noch kein Arbeitsgericht mit den Besonderheiten der Arbeitsverhältnisse im Bereich des E-Sports auseinandergesetzt hat, muss die weitere Entwicklung aufmerksam beobachtet werden. Grundsätzlich sind die althergebrachten Instrumente und Mechanismen des Arbeitsrechts jedoch geeignet, auch die rechtlichen Herausforderungen des E-Sports zu bewältigen. Die Branchenteilnehmer sollten jedoch bereits früh darauf hinwirken, dass das deutsche Arbeitsrecht im globalen Wettbewerb nicht zum Nachteil wird und das Wachstum der Branche deshalb bremst, weil z. B. die Stars der Szene aufgrund des Jugendarbeitsschutzgesetzes und des Arbeitszeitgesetzes nicht in dem Rahmen auftreten dürfen, der ihnen eigentlich gebührt.

 

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Dr. Alexander Willemsen

Dr. Alexander Willemsen

PartnerRechtsanwaltFachanwalt für Arbeitsrecht

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