Massenklagen: Umgang mit massenhaften Individualklagen

Dieselskandal, Datenlecks oder Fluggastrechte – das sind nur einige Beispiele, die eine Welle individueller (Verbraucher-)Klagen gegen Unternehmen ausgelöst haben. Für Unternehmen sind mit solchen Klagen große Herausforderungen verbunden – sie sollten sich auf das Risiko vorbereiten und im Fall der Fälle frühzeitig eine Verteidigungsstrategie entwickeln.

Massenhafte Einzelklagen

In den letzten Jahren waren Unternehmen unterschiedlicher Art und Größe immer wieder mit massenhaften Individualklagen von Verbrauchern konfrontiert. Prominente Beispiele wie die Diesel-Abgasaffäre, bei der zahlreiche Kunden gegen Automobilhersteller klagten, Klagen gegen Banken wegen fehlerhafter Widerrufsbelehrungen bei Verbraucherkrediten oder auch Entschädigungsklagen von Fluggästen gegen Airlines zeigen, wie schnell und umfassend solche Klagewellen entstehen können.

Initiatoren sind häufig spezialisierte Verbraucherkanzleien oder Prozessfinanzierer. Sie werben gezielt Verbraucher an, für die sie die gleichartigen Ansprüche vor Gericht geltend machen – meist schablonenhaft und unter Nutzung von Musterschriftsätzen. Nicht selten sind Rechtsschutzversicherungen involviert, die das finanzielle Risiko der Kläger abfedern und die Hemmschwelle für den Gang zu Gericht oder für die Einlegung eines Rechtsmittels senken.

Risiken und Herausforderungen für Unternehmen

Zuständig für die Verbraucherklagen sind regelmäßig die Heimatgerichte der Kläger, weshalb die Verfahren bei verschiedenen Gerichten innerhalb Deutschlands oder sogar international anhängig sind. Dadurch steigen Aufwand und Risiko, denn trotz der Gleichartigkeit der Fälle behandeln die Gerichte die Fälle sowohl prozessual als auch materiellrechtlich sehr unterschiedlich. Dadurch ist der Ausgang der Verfahren schlecht prognostizierbar und es ist für das betroffene Unternehmen schwierig, eine einheitliche und möglichst effiziente Verteidigungsstrategie zu entwickeln und umzusetzen. Das gilt insbesondere, wenn verschiedene Kanzleien mit unterschiedlichen Strategien auf Klägerseite tätig sind. Urteile aus Parallelverfahren können zwar Orientierung geben, mangels präjudizieller Wirkung vermitteln sie aber keine Rechtssicherheit.

Eine vergleichsweise Streitbeilegung ist aufgrund der bloßen Anzahl der Fälle und der unerwünschten Signalwirkung für Parallelverfahren zumindest im Anfangsstadium oft nicht ratsam. Daraus folgt oft eine Kollision mit dem Bedürfnis, die Fälle schnellstmöglich dem Blick der Öffentlichkeit zu entziehen. Eine Klagewelle hat häufig eine hohe Außenwirkung und kann zu negativer Berichterstattung über das beklagte Unternehmen führen: Verbraucherkanzleien betreiben in der Regel intensiv Werbung, um Kläger zu gewinnen. Das zieht die Aufmerksamkeit der Medien auf sich und kann die öffentliche Wahrnehmung des Unternehmens negativ beeinflussen – selbst wenn die Klagen letztlich abgewiesen werden.

Maßnahmen zur Risikominimierung

Unternehmen sollten der Flut an gleichartigen Klagen möglichst strategisch begegnen. Zeichnet sich eine massenhafte Inanspruchnahme ab, sollte frühzeitig eine Strategie schon für die vorgerichtliche Handhabung entwickelt werden. Eine einheitliche Kommunikation gegenüber allen Verbrauchern vermeidet etwa, dass die Kläger sich im Verfahren Widersprüche zunutze machen können. Außerdem haben sich Musterschriftsätze oder -textbausteine als kosten- und zeiteffiziente Maßnahme erwiesen. Äußerste Sorgfalt ist dann allerdings bei notwendigen Anpassungen an den Einzelfall geboten.

Sobald mehrere Klagen anhängig sind, ist ein effektives Fristenmanagement essenziell, um Versäumnisurteile oder Verspätungsrisiken zu vermeiden. Dabei kann künstliche Intelligenz ebenso helfen wie bei der Verwaltung von Textbausteinen oder der Analyse großer Datenmengen, um Muster und Abweichungen in den Musterschriftsätzen der Kläger zu analysieren.

Insgesamt empfehlen wir Unternehmen folgende (präventive) Maßnahmen:

  • Compliance-Maßnahmen: Die Einhaltung gesetzlicher Pflichten ist das effektivste Mittel, um Verstößen vorzubeugen, die eine Klagewelle hervorrufen könnten. Regelmäßige Schulungen der Mitarbeitenden sowie unternehmensinterne Richtlinien und Audits können das Risiko von klagebegünstigenden Verstößen minimieren und im Zweifelsfall ein Verschulden des Unternehmens für den Vorfall ausschließen. Unternehmen sollten zu Beweiszwecken unbedingt sicherstellen, dass ihre Maßnahmen ausreichend dokumentiert werden.
  • Schnell reagieren: Oft kündigt sich die Klagewelle durch vorgerichtliche Aufforderungsschreiben an. Eine schnelle und strategisch sorgsame Reaktion auf solche Schreiben kann Verbraucher von einer Klage abbringen oder ihre Rechtsschutzversicherer davon abhalten, eine Deckungszusage zu erteilen. Dies setzt eine fundierte rechtliche Analyse und eine strategische Vorgehensweise voraus, um Schwachstellen im Anspruch des Klägers frühzeitig und entschieden aufzuzeigen.
  • Litigation PR: Gezielte Öffentlichkeitsarbeit kann ein wirksames Instrument sein, um die öffentliche Wahrnehmung des Unternehmens vor und während eines Gerichtsverfahrens zu steuern. Proaktive Kommunikation kann das Vertrauen von Kunden, Geschäftspartnern und der breiten Öffentlichkeit in das Unternehmen erhalten.
  • Ganzheitliches Verteidigungskonzept: Zeichnen sich massenhafte Einzelklagen ab, gilt es, von Anfang an die richtigen Weichen zu stellen. Um Widersprüche in der rechtlichen Argumentation und dem Sachvortrag zu vermeiden, sollte bereits bei der ersten schriftsätzlichen Einlassung ein ganzheitliches Verteidigungskonzept stehen.

Insgesamt stellen massenhafte Einzelklagen Unternehmen zwar vor erhebliche Herausforderungen, diesen kann unserer Erfahrung nach aber mit einer sorgfältig erarbeiteten rechtlichen Verteidigung und strategischer Planung erfolgreich begegnet werden.

Das Team Prozessführung & Schiedsgerichtsverfahren bei Oppenhoff unterstützt bei der Vermeidung von Konflikten durch sorgfältige Vertragsgestaltungen und klare Definition von Rechten und Pflichten.

Ist eine Auseinandersetzung unvermeidbar, vertritt das Team Ihre Interessen vor staatlichen Gerichten und Schiedsgerichten – mit überzeugenden Argumenten und der individuell passenden Prozesstaktik. Das Team hat bereits mehrere Unternehmen erfolgreich gegen massenhafte Individualklagen verteidigt.

Weitere Informationen zum Team Prozessführung und Schiedsgerichtsverfahren finden Sie hier.

 

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Dr. Vanessa Pickenpack

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