Massenklage statt Einzelkampf: Chancen und Risiken kollektiver Anspruchsdurchsetzung

2018 hat der deutsche Gesetzgeber erstmals eine Musterfeststellungsklage eingeführt –  motiviert durch die Welle von Klagen im Zuge des Dieselskandals. Seitdem sind Massenklagen aus der deutschen Prozesslandschaft nicht mehr wegzudenken.

Massenklagen bezeichnen sowohl eine Vielzahl gleichzeitiger bzw. zeitlich koordinierter Einzelklagen zur Durchsetzung ähnlicher oder identischer Ansprüche vieler Berechtigter (meist Verbraucher) gegen denselben Anspruchsgegner als auch Sammelklagen, etwa

  • Verbandsklagen (Musterfeststellungs- oder Abhilfeklagen) von Verbraucherschutzverbänden in bürgerlichen Streitigkeiten nach dem Verbraucherrechtedurchsetzungsgesetz,
  • Musterverfahren in kapitalmarktrechtlichen Streitigkeiten nach dem KapMuG oder
  • Abtretung der Ansprüche an ein Klagevehikel, d. h. in der Regel an ein Unternehmen, das die Ansprüche mehrerer Berechtigter gebündelt geltend macht und bei positivem Ausgang der Klage ein Erfolgshonorar erhält.

Berechtigte können so auch geringfügige Ansprüche verfolgen, deren Durchsetzung mit einer Individualklage nicht lohnenswert wäre. Massenklagen sind ein branchenübergreifendes Risiko: aktuelle prominente Beispiele sind Klagen gegen Vodafone und die Streamingdienste Amazon Prime und DAZN.

Unternehmen sind daher gut beraten, sich auf Massenklageverfahren vorzubereiten. Auf der einen Seite sollten Unternehmen Vorkehrungen treffen, um das Risiko zu minimieren, selbst auf Beklagtenseite zu stehen. Gelingt die Abwendung eines Massenklageverfahrens nicht, ist eine strukturierte Verteidigung essenziell. Besonders exponiert sind Unternehmen, die einen großen Kundenstamm haben und ihre Leistungen Endverbrauchern anbieten. In der Handels- und Konsumgüterbranche sind mögliche Beklagte zum Beispiel Hersteller, die massenhaft Waren gleicher Art herstellen und in Verkehr bringen. Generell besteht ein hohes Klagerisiko bei Vertrags- und Preisanpassungen in laufenden Vertragsbeziehungen sowie bei wettbewerbsrechtlichen und datenschutzrechtlichen Verstößen. Bestenfalls lässt sich das Risiko durch vorbeugende Maßnahmen reduzieren oder sogar eindämmen.

Auf der anderen Seite ergeben sich durch Massenklagen Chancen für geschädigte Unternehmen und Investoren, einzelne Ansprüche gebündelt durchzusetzen. Dies soll zu mehr Rechtssicherheit und Entlastung der Justiz führen. Geschädigte können unter Umständen wegen der Größe des Verfahrens profitieren und als Gruppe Unterstützung von Prozessfinanzierern erhalten, wenn diese das Potenzial eines positiven Ausgangs sehen.

Mit unserer Beitragsreihe zu Massenverfahren informieren wir Sie in den nächsten Wochen über die Eigenarten verschiedener Massenklagen und erörtern, wie Sie damit einhergehende Risiken beherrschen und Chancen nutzen können.

Das Team Prozessführung & Schiedsgerichtsverfahren bei Oppenhoff unterstützt bei der Vermeidung von Konflikten durch sorgfältige Vertragsgestaltungen und klare Definition von Rechten und Pflichten.

Ist eine Auseinandersetzung unvermeidbar, vertritt das Team Ihre Interessen vor staatlichen Gerichten und Schiedsgerichten – mit überzeugenden Argumenten und der individuell passenden Prozesstaktik. Weitere Informationen zum Team Prozessführung und Schiedsgerichtsverfahren finden Sie hier.

 

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Dr. Vanessa Pickenpack

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