Arbeitsrecht14.10.2022 Newsletter

Liquidität in der Energiekrise sichern: kurzfristige Einsparungen von Personalkosten

Die massiven Kostensteigerungen im Kontext der Energiekrise, insbesondere für Rohstoffe und Strom, machen den Unternehmen zu schaffen. Die gesamte Kostenstruktur wird geprüft. Dabei steht auch die Reduzierung von Personal- und insbesondere Lohnkosten im Fokus etlicher Unternehmen. Gleichzeitig wachsen die Befürchtungen, durch zu harte Einschnitte Fachkräfte zu verlieren. Wir geben einen Überblick über die Möglichkeiten.

Es ist ein weites Feld. Alles unterliegt der Prüfung: Sachleistungen, Geldleistungen, Altersversorgung, mögliches Outsourcing von definierten Bereichen etc. Dabei ist schnell festzustellen, dass viele Maßnahmen nicht innerhalb weniger Tage oder Wochen realisierbar sind. Der Schwerpunkt liegt deshalb auf kurzfristig umsetzbaren Maßnahmen, die Lohnkosten zu senken ohne gleichzeitig einen Personalabbau durchzuführen. Presseberichte über die Kündigung von Sanierungstarifverträgen stellen dabei ein verzerrtes Bild dar: Dort geht es eher darum, dass Unternehmen sich von Investitionszusagen oder einer möglichen Standortsicherung lossagen wollen.  

Kurzarbeit

Die Einsparung von Personalkosten ist bei Kurzarbeit offensichtlich und den Unternehmen bekannt (vgl. u. a. zu den Voraussetzungen der Kurzarbeit: Was tun mit dem Personal, wenn Energie und Rohstoffe für die Produktion fehlen? - Oppenhoff). Zuletzt hatte der Gesetzgeber den Zugang zur Kurzarbeit erleichtert (Aktuelle Gesetzesvorhaben zur Bewältigung der Energiekrise - Oppenhoff). Der Fokus liegt daher im Weiteren auf unterschiedlichen Elementen der Vergütung.

Einmalzahlungen im Fokus

Unternehmen sollten sich auf freiwillig gewährte Leistungen und Vergütungsansprüche auf Einmalzahlung der Beschäftigten fokussieren. Hierunter fallen insbesondere Weihnachts- und Urlaubsgeld, Treueprämien sowie variable Vergütungsbestandteile.

Inwieweit auch andere Maßnahmen ergriffen werden können oder müssen, ist unternehmensspezifisch zu beurteilen. Beispielsweise kann eine liquiditätswirksame Maßnahme durch eine Änderung von Arbeitszeitsystemen erfolgen. Führt dieses aber dazu, dass Überstundenkonten sich füllen und entsprechende Rückstellungen zu bilden sind, vermag dies nur im Einzelfall sinnvoll sein.

Umsetzung individueller Maßnahmen

Die Umsetzung der Maßnahmen hängt von verschiedenen Faktoren ab. Bevor eine vermeintlich freiwillig gewährte Leistung reduziert oder gestrichen wird, haben Unternehmen zunächst festzustellen, ob die Beschäftigten tatsächlich keinen Rechtsanspruch auf diese Leistung haben. Praktisch scheitert dies häufig daran, dass arbeitsvertraglich zwar ein pauschaler Freiwilligkeitsvorbehalt vereinbart ist, die Unternehmen jedoch die im Einzelfall gewährten freiwilligen Zahlungen nicht zusätzlich konkret unter den Freiwilligkeitsvorbehalt gestellt haben. Handelt es sich um eine freiwillig gewährte Leistung können Unternehmen diese ohne weiteres einseitig komplett streichen und erzielen eine unmittelbare Kosteneinsparung.

Ein weiteres probates Mittel, um kurzfristig Kosten zu sparen, sind einvernehmliche Stundungs- oder Verzichtsvereinbarungen mit den Beschäftigten. Eine Stundungsvereinbarung hat die einzelnen Vergütungsbestandteile und den Zeitraum der Stundung vorab genau zu bestimmen. In der Folge muss das Unternehmen den geschuldeten Betrag erst zu einem späteren Zeitpunkt auszahlen.

Soweit Beschäftigte zu einem einvernehmlichen Gehaltsverzicht für zukünftige Vergütungsansprüche bereit sind, ist dieser sorgfältig vorzubereiten. Insbesondere müssen Auswirkungen für die Sozialversicherung, die betriebliche Altersversorgung, das Mindestlohngesetz sowie aufgrund Betriebsvereinbarungen oder Tarifverträgen etwaige bestehende Verzichtshindernisse mitgedacht und abgestimmt werden. Auf Ansprüche aus einer Betriebsvereinbarung kann in der Regel nur mit Zustimmung des Betriebsrats verzichtet werden. Auf Ansprüche aus einem Tarifvertrag kann nur in einem Vergleich verzichtet werden, der von der Gewerkschaft genehmigt wurde.

Werden Leistungen auf der Grundlage von Gesamtzusagen oder betrieblichen Übungen gewährt, so ist zu beachten, dass diese individuelle Ansprüche sind, die individuell durch den einzelnen Beschäftigten disponierbar sind.

Umsetzung kollektivrechtlicher Maßnahmen

Auf den ersten Blick scheint die Kündigung kollektivrechtlicher Vergütungsregelungen in Betriebsvereinbarungen und Tarifverträgen sowie der Abschluss von Sanierungsregelungen keine Abhilfe zu schaffen. Der potenzielle größere Zeit- und Kostenaufwand steht der kurzfristigen Realisierung von Liquidität entgegen.

Gleichwohl sind die weitgehenden Instrumente, die im Rahmen der Unternehmenssanierung greifen, auch hier nicht außen vor zu lassen. Die Liquiditätskrise ist keine Momentaufnahme eines Monats. Damit sind auch tarifliche Regelungen zur Absenkung der Wochenarbeitszeit, Eingriffe in die Altersversorgung usw. denkbar.  

Die aufgeführten Maßnahmen sind längst nicht abschließend und im Einzelfall bestehen verschiedene Möglichkeit für eine Personalkostensenkung.

Kommunikation ist entscheidend

Bei allen Maßnahmen müssen Personalverantwortliche– neben der sorgfältigen rechtlichen Vorbereitung – ihr Augenmerk auf eine transparente und nachvollziehbare Kommunikation der Personalkostensenkung richten, um ein positives Betriebsklima zu erhalten und so dem Verlust von Fachkräften vorzubeugen. Andernfalls besteht ein hohes Risiko, dass die Maßnahme dem Abgang von Fachkräften Vorschub leistet. Der Verlust von hochqualifiziertem Personal mag in Zeiten des Fachkräftemangels gleichwohl nicht zu verhindern sein.

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Jörn Kuhn

Jörn Kuhn

PartnerRechtsanwaltFachanwalt für Arbeitsrecht

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