Arbeitsrecht23.04.2020Köln Newsletter

Kurzarbeit – Neues vom Gesetzgeber

(Stand 8. Mai 2020)

Am 22.04.2020 hat sich die Regierungskoalition auf die Erhöhung des Kurzarbeitergeldes geeinigt. Diese und weitere aktuelle Änderungen beim Bezug vom Kurzarbeitergeld zeigen, dass das Instrument der Kurzarbeit das arbeitsmarktpolitische Instrument der Stunde ist.

Änderung der Bezugsdauer auf 21 Monate (16.04.2020)

Mit der am 16.04.2020 verkündeten Verordnung über die Bezugsdauer für das Kurzarbeitergeld (KugBeV) ist die bislang geltende 12-monatige Bezugsdauer nunmehr auf 21 Monate verlängert. Grundlage hierfür ist die Verordnungsermächtigung in § 109 Abs. 1 Nr. 2 SGB III, wonach der Bezug von Kurzarbeit auf bis zu 24 Monate verlängert werden kann.

Aber Vorsicht: Die Verordnung ist kein Freibrief, aktuelle Kurzarbeitsanzeigen zu verlängern. Diese Verordnung gilt nach § 1 der KugBeV nur für Arbeitnehmer, deren Anspruch auf Kurzarbeitergeld vor dem 31.12.2019 entstanden ist.

Zielsetzung war es, insbesondere den Unternehmen, die bereits vor der Corona-Pandemie in Kurzarbeit waren, den weiteren Bezug von Kurzarbeit zu ermöglichen. Bei vielen Unternehmen lief die Bezugsdauer aus und daran hätte sich eine dreimonatige Pause angeschlossen, bevor erneut Kurzarbeit angeordnet werden könnte. Diese Pause der Kurzarbeit hätte für die betroffenen Unternehmen in den allermeisten Fällen existentielle Auswirkungen gehabt.

Um die betroffenen Unternehmen zu schützen, tritt die Verordnung rückwirkend zum 31.01.2020 in Kraft. Sie gilt wie die meisten Corona-Pandemie Maßnahmen des Gesetzgebers nur bis 31.12.2020.

Erhöhung des Kurzarbeitergeldes (22.04.2020)

Die Covid-19 Pandemie trifft die Wirtschaft hart. Nach aktuellem Stand (22.04.2020) haben ca. 725.000 Unternehmen Kurzarbeit beantragt. Für die Arbeitnehmer führt Kurzarbeit, insbesondere Kurzarbeit Null, zu deutlichen finanziellen Einbußen. Das Kurzarbeitergeld beträgt 60 bzw. 67 % des Nettoeinkommens (§ 105 SGB III). Zwar sind zusätzliche Aufstockungsbeiträge des Arbeitgebers zum Kurzarbeitergeld möglich, jedoch können viele Arbeitgeber diesen zusätzlichen finanziellen Aufwand derzeit nicht stemmen.

In den letzten Wochen sind vermehrt Forderungen aus Politik und vor allem der Gewerkschaften gekommen, die auf eine Erhöhung des Kurzarbeitergeldes bis hin zum vollen Ausgleich des bisherigen Nettoeinkommens zielen, um die Nettoeinbußen für die Arbeitnehmer zu minimieren.

Am 22.04.2020 hat sich die Regierungskoalition nun auf eine Änderung des Kurzarbeitergeldes geeinigt. Gestaffelt nach der Bezugsdauer soll es auf bis zu 80 Prozent und für Eltern auf bis zu 87 Prozent erhöht werden – längstens bis Ende 2020. Die Staffelung ist wie folgt:

  • Ab dem vierten Monat des Bezugs erfolgt eine Erhöhung auf 70 oder 77 Prozent.
  • Ab dem siebten Monat des Bezugs erfolgt eine Erhöhung auf 80 oder 87 Prozent.

Entsprechend der Formulierungshilfe des BMAS für die Koalitionsfraktionen für einen Gesetzesentwurf zu sozialen Maßnahmen zur Bekämpfung der Corona-Pandemie (Sozialschutz-Paket II) sind für die Berechnung der Bezugsmonate nur Monate mit Kurzarbeit ab März 2020 zu berücksichtigen.

Die Erhöhung des Kurzarbeitergeldes soll im Übrigen nur dann Anwendung finden, wenn der Arbeitsausfall mehr als 50 % beträgt.

Die Änderungen des Kurzarbeitergeldes sollen als § 421c Abs. 2 SGB III n.F, ins Gesetz eingefügt werden und stellen eine  Abweichung zu § 105 SGB III dar.

Auswirkungen für die Praxis:

Entscheidend ist nun für diejenigen Unternehmen, die Aufstockungsbeiträge – per Arbeitsvertrag, Betriebsvereinbarung oder Tarifvertrag – zugesagt haben, ob es zu einer automatischen Anrechnung des Aufstockungsbetrages kommt oder ob der bisher gewährte Aufstockungsbetrag bis maximal zum vollen Nettolohnausgleich weiter zu leisten ist.

Da in der Regel die Zusagen auf Aufstockungsbeiträge daran geknüpft sind, dass ein bestimmtes Nettoeinkommen gewährt wird (z.B. 80 % des Nettoeinkommens), spricht vieles dafür, dass die Erhöhung des Kurzarbeitergelds zu einer automatischen Anrechnung des Aufstockungsbetrages führen wird. D.h., der vom Unternehmen zu zahlende Aufstockungsbetrag kürzt sich um die Erhöhung des Kurzarbeitergeldes.

Änderungen beim Elterngeld (22.04.2020)

Damit werdende Eltern, die aufgrund der Corona-Pandemie Verdienstausfälle haben oder die Voraussetzungen für den Bezug von Elterngeld nicht mehr einhalten können, keine Nachteile haben, hat der Bundestag mit dem Gesetz für Maßnahmen im Elterngeld aus Anlass der Covid-19-Pandemie (BT-DS. 19/18698) am 22. April 2020 Sonderregelung für die Elternzeit während der Corona-Pandemie verabschiedet, die rückwirkend zum 01.01.2020 in Kraft treten sollen.

Es gibt folgende wesentliche Änderungen für das Elterngeld:

  • Bislang hatte die Einführung von Kurzarbeit massive Auswirkungen auf das Elterngeld. Zur Berechnung von Elterngeld ist nämlich das Durchschnittseinkommen in den letzten 12 Monaten vor dem Geburtsmonat (sog. Bemessungszeitraum) zu betrachten, §§ 2, 2b BEEG. Zum Einkommen zählen bei Arbeitnehmern grundsätzlich alle lohnsteuerpflichtigen Gehaltsbestandteile. Es umfasst damit grundsätzlich sämtliche Gehaltsbestandteile eines gewöhnlichen Arbeitsverhältnisses. Das Kurzarbeitergeld ist jedoch kein Einkommen in diesem Sinne. Es findet deshalb bei der Berechnung des Elterngeldes keine Berücksichtigung. Fällt eine Kurzarbeitsphase in den Bemessungszeitraum, führt dies zu Einschnitten beim Bezug von Elterngeld.

Für die Höhe des Elterngeldes bleiben nach der nunmehr erfolgten Neuregelung für die Zeit vom 1. März bis zum 31. Dezember 2020 die Einnahmen im Bezugszeitraum unberücksichtigt, die der berechtigten Person als Ersatz für Erwerbseinkommen - insbesondere Kurzarbeitergeld oder ALG 1 - zustehen, das nach der Geburt des Kindes aufgrund der Covid-19 Pandemie weggefallen ist. Das Elterngeld ist insoweit monatlich höchstens so hoch wie der Elterngeldbetrag, der dem Elternteil zustünde, wenn die berechtigte Person keinen Einkommenswegfall aufgrund der Pandemie hätte oder hat.

  • Ein Elternteil, das eine systemrelevante Tätigkeit ausübt, kann den Bezug von Elterngeld auf Antrag für die Zeit vom 1. März 2020 bis 31. Dezember 2020 aufschieben. Der Bezug der verschobenen Lebensmonate ist dann spätestens bis zum 30. Juni 2021 anzutreten. Als systemrelevante Berufe sollen alle Tätigkeiten angesehen werden, die insbesondere für das öffentliche Leben, die Sicherheit und Ordnung, das Gesundheits- und Pflegesystem, das Bildungs- und Betreuungswesen, den Transport- und Personenverkehr, die Versorgung mit Energie, Wasser, Kommunikation, Lebensmitteln, Waren und Dienstleistungen des täglichen Lebens unabdingbar sind.
  • Nach § 4 Abs. 3 BEEG besteht die Möglichkeit der Verlängerung der Elternzeit, wenn beide Elternteile in vier aufeinanderfolgenden Monaten gleichzeitig in Teilzeit von 25 bis 30 Wochenstunden tätig sind. Dieser Partnerschaftsbonus wird auch weiterhin bestehen bleiben, wenn Elternteile auf Grund der Covid-19 Pandemie ihrer Erwerbstätigkeit nicht nachgehen können.

Auswirkungen für die Praxis:

In der Praxis sind in vielen Unternehmen sozialverträgliche Lösungen für Kurzarbeit gesucht und Betriebsvereinbarungen vereinbart worden. Dabei sind schwangere Frauen oder werdende Väter, die Elterngeld in Anspruch nehmen und bei denen der Bezug von Kurzarbeitergeld in dem Bemessungszeitraum des Elterngeldes gem. § 2 BEEG fallen wird, von den Regelungen der Betriebsvereinbarung Kurzarbeit ausgenommen worden, um für sie Nachteile, insbesondere eine Kürzung ihres zu erwartenden Elterngeldes zu vermeiden.

Mit den gesetzlichen Änderungen besteht nun kein Anlass mehr, diese Personen aufgrund drohender Nachteile beim Bezug von Elterngeld von der Kurzarbeit auszunehmen. Arbeitgeber und Betriebsrat sollten insoweit durch entsprechende Änderungsvereinbarung zur Kurzarbeit die Regelungen anpassen. Es besteht anders als bislang kein Grund mehr für eine Ungleichbehandlung dieser Personen im Vergleich zu anderen Arbeitnehmern.

Da die Agentur für Arbeit es als zulässig erachtet, für noch nicht abgeschlossene Abrechnungszeiträume rückwirkend Kurzarbeit zu vereinbaren, könnte dies auch noch rückwirkend bis zum 01.04.2020 erfolgen. Als problematisch kann sich in diesen Fällen jedoch erweisen, wenn es Ankündigungsfristen für die Einführung von Kurzarbeit gibt. Hier wird die Kurzarbeit für diese Personengruppen nur für die Zukunft eingeführt werden können.

 

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Jörn Kuhn

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