Arbeitsrecht16.12.2021 Newsletter
Koalitionsvertrag & Arbeitsrecht: Betriebliche Mitbestimmung
Am 24.11.2021 ist der neue Koalitionsvertrag der kommenden Regierung aus SPD, Bündnis90/DieGrünen und FDP veröffentlicht worden. Welche Aussagen der Koalitionsvertrag zu arbeitsrechtlichen Themen enthält und welche konkreten Auswirkungen die Pläne haben könnten, stellen wir in einer Reihe von Beiträgen dar. Heute: Weiterentwicklung der betrieblichen Mitbestimmung.
Die Aussage
„Betriebsräte sollen selbstbestimmt entscheiden, ob sie analog oder digital arbeiten. Im Rahmen der verfassungsrechtlich gebotenen Maßstäbe werden wir Online-Betriebsratswahlen in einem Pilotprojekt erproben. Wir schaffen ein zeitgemäßes Recht für Gewerkschaften auf digitalen Zugang in die Betriebe, was ihren anlogen Rechten entspricht. […] Die Behinderung der demokratischen Mitbestimmung stufen wir künftig als Offizialdelikt ein. […].“
Die Auswirkungen
Im Zuge des Betriebsrätemodernisierungsgesetzes hat der Gesetzgeber die freie Entscheidung des Betriebsrats zu digitaler Arbeit noch gescheut. So ist die Abhaltung virtueller Betriebsratssitzungen im neuen § 30 BetrVG zwar geschaffen worden, allerdings haben Präsenzsitzungen weiterhin Vorrang. Dem möchte die zukünftige Ampelkoalition mit dem Wahlrecht der Betriebsräte ein Ende setzen.
Trotz Pandemie sind nach der derzeitigen Fassung des BetrVG sowie der WO Online-Betriebsratswahlen unzulässig. Eine Briefwahl darf nur unter den Voraussetzungen des § 24 WO angeordnet werden. Die regulären Betriebsratswahlen finden vom 1.3.2022 bis 31.5.2022 statt. Ob die künftige Bundesregierung Online-Wahlen als Pilotprojekt noch vor der nächsten regulären Betriebsratswahl umsetzen wird, bleibt zeitlich ein hehres Ziel, würde jedoch angesichts der aktuellen Corona-Situation als Pilotprojekt gerade im Jahr 2022 Sinn machen.
Für den Zugang der Gewerkschaften zum Betrieb hat das BAG bereits einen praktikablen Rahmen entwickelt, der im Betrieb vertretenen Gewerkschaften auch ein digitales Zugangsrecht zu den Beschäftigten ermöglicht. Es gibt somit eigentlich kein Regelungsdefizit, vielmehr sind Klarstellungen im Gesetz zu erwarten.
Wird eine Behinderung der demokratischen Mitbestimmung als Offizialdelikt eingestuft, müssten Staatsanwaltschaften zukünftig ermitteln, wenn Ihnen z. B. ein Fall der Vereitelung oder Behinderung von Betriebsratswahlen, der Betriebsratsarbeit oder der Bevor- oder Benachteiligung von Betriebsratsmitgliedern aufgrund ihrer Funktion bekannt wird. Nach dem aktuellen § 119 BetrVG werden derlei Verstöße nur verfolgt, wenn Betriebsräte oder Gewerkschaften binnen einer Frist von drei Monaten Anzeige erstatten. Die Einstufung als Offizialdelikt wäre jedoch v. a. deswegen sehr empfindlich, da es derzeit noch sehr viele ungeklärte Rechtsfragen z. B. im Rahmen der Betriebsratsvergütung gibt. Bevor der Gesetzgeber dieses strafrechtliche Risiko v.a. den Arbeitgebern auferlegt, sollten die noch offenen Rechtsfragen zunächst rechtssicher geklärt werden.