Keine Gleichheit im Vergabeverfahren für ausländische Unternehmen – worauf Verteidigungsunternehmen achten müssen

Der EuGH hat am 22. Oktober 2024 entschieden, dass Unternehmen mit Sitz in Drittstaaten bei der Vergabe öffentlicher Aufträge nicht automatisch Gleichbehandlung verlangen können. Öffentliche Auftraggeber müssen Unternehmen aus einem Drittstaat nur dann als Bieter im Vergabeverfahren zulassen, wenn ein internationales Abkommen mit der EU über den Zugang zu Vergabeverfahren besteht.

Anlass der EuGH Entscheidung (C-652/22) war eine Vorabentscheidungsfrage Kroatiens. Das türkische Unternehmen Kolin hatte eine Vergabeentscheidung des kroatischen Auftraggebers zum Bau einer Eisenbahninfrastruktur angefochten, die einer EU-Unternehmensgruppe den Zuschlag erteilte. Kolin rügte Verstöße gegen die allgemeinen Vergabegrundsätze der Vergaberichtlinie 2014/25/EU. 

Der EuGH wies das Vorabentscheidungsgesuch als unzulässig ab, ohne inhaltlich über die Fragen des kroatischen Gerichts zu entscheiden. Denn Kolin könne sich als türkisches Unternehmen weder auf den Gleichbehandlungsgrundsatz aus der Vergaberichtlinie 2014/25/EU berufen, noch existiere ein internationales Abkommen mit der EU, aus dem Kolin einen rechtlichen Anspruch auf die Teilnahme am Vergabeverfahren begründen könne. Ein solcher Zugangsanspruch kann sich aufgrund der ausschließlichen Zuständigkeit der EU auch nicht aus nationalem Recht des Mitgliedstaates ergeben. De facto führt die Entscheidung dazu, dass ausländische Bieter in diesem Fall die Vergabeentscheidung nicht angreifen können. 

Auswirkungen auf deutsche Vergabeverfahren

Der EuGH macht klar, dass es öffentlichen Auftraggebern in bestimmten Fällen freisteht, Unternehmen aus Drittstaaten vom Vergabeverfahren auszuschließen, solange kein entsprechendes internationales Abkommen existiert. Das bekannteste Abkommen dieser Art ist das Übereinkommen der WHO über das öffentliche Beschaffungswesen (Government Procurement Agreement, GPA). Unternehmen aus Drittstaaten ohne Abkommen haben keinen Zugangsanspruch zum Vergabeverfahren und können nicht denselben Rechtsschutz geltend machen. Umgekehrt darf ein Mitgliedstaat aufgrund der klaren europäischen Regelung und der ausschließlichen Zuständigkeit der EU im Bereich der gemeinsamen Handelspolitik keine gegenteilige nationale Regelung erlassen.

Was heißt das für die Auftragsvergabe im Bereich Verteidigung und Sicherheit?

Für den Bereich Verteidigung und Sicherheit bringt diese Entscheidung des EuGH im Ergebnis wenig Neues, bekräftigt aber einen bekannten Grundsatz: Die Vergaberichtlinie für den Bereich Verteidigung und Sicherheit Richtlinie 2009/81/EG lässt den öffentlichen Auftraggebern eine weitreichendere Freiheit, unionsfremde Unternehmen im Vergabeverfahren – trotz etwaiger internationaler Abkommen – nicht zu berücksichtigen. Aufträge im Verteidigungsbereich sind häufig vom Anwendungsbereich des GPA ausgenommen. Im Kontext der Verteidigungs- und Sicherheitsmärkte durften so die Mitgliedstaaten schon vorher selbst entscheiden, ob sie Unternehmen aus Drittstaaten die Teilnahme an Vergabeverfahren gestatten oder nicht. Die aktuelle EuGH-Rechtsprechung bekräftigt das nochmals und ist damit auf Linie mit dem Leitfaden der Kommission zum EU-Beschaffungsmarkt aus dem Jahr 2019, nach dem öffentliche Auftraggeber im Verteidigungs- und Sicherheitsbereich Unternehmen aus Drittstaaten keinen Zugang gewähren müssen. Den Ansatz zur Stärkung der europäischen Verteidigungsindustrie bestätigte auch jüngst der Bericht von Mario Draghi über die Zukunft der EU-Wettbewerbsfähigkeit. Ausländische Verteidigungsunternehmen sind daher gut beraten, sich mit Gesellschaften mit Sitz in der EU an europäischen Vergabeverfahren zu beteiligen und, falls noch nicht geschehen, Unternehmen in der EU zu gründen. 

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Holger Hofmann

Holger Hofmann

PartnerRechtsanwalt

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