Arbeitsrecht15.10.2020 Newsletter
Inländische Corona-Risikogebiete - Umgang des Arbeitgebers mit Reisen von Arbeitnehmern
Aufgrund des nunmehr wieder zunehmenden Pandemiegeschehens in Deutschland und der stetig wachsenden Zahl innerdeutscher Risikogebiete, stellen sich für Arbeitgeber zahlreiche Fragen zu dem Umgang mit Reiseaktivitäten von Arbeitnehmern innerhalb Deutschlands.
Nach dem Bund-Länder-Treffen am 14.10.2020 konnten sich Bund und Länder weiterhin nicht auf eine deutschlandweit einheitliche Linie hinsichtlich des Umgangs mit Reisenden und Reiserückkehrern aus sog. Risikogebieten einigen. Daher besteht jedenfalls noch bis zum Ende der Herbstferien in Bayern am 6.11.2020 ein nur schwer überschaubarer Flickenteppich unterschiedlicher Vorgaben.
Nachfolgend haben wir für Arbeitgeber die wichtigsten arbeitsrechtlichen Fragen im Zusammenhang mit den innerdeutschen Risikogebieten geklärt:
1. Wann ist ein Gebiet ein Corona-Risikogebiet?
Inländische Risikogebiete sind im täglichen Lagebericht des Robert-Koch-Instituts (RKI) zur Coronavirus-Krankheit-2019 ausgewiesen (sog. Corona-Dashboard). Letztlich entscheidet jedoch jedes Bundesland eigenverantwortlich, in welchen Landkreisen, Gemeinden oder Gemeindeteilen innerhalb Deutschlands ihrer Ansicht nach ein erhöhtes Infektionsrisiko für die eigene Bevölkerung besteht und welches Gebiet im eigenen Bundesland offiziell als Risikogebiet ausgewiesen wird. Entscheidendes Kriterium ist jedoch die 7-Tage-Inzidenz des RKI.
Im Gegensatz hierzu erfolgt die Einstufung als ausländisches Risikogebiet durch das Bundesministerium für Gesundheit, das Auswärtige Amt und das Bundeministerium des Innern, für Bau und Heimat und wird durch das Robert Koch-Institut veröffentlicht.
2. Kann ein Arbeitnehmer sich weigern, seine Arbeit anzutreten, wenn die Arbeitsstätte in einem inländischen Risikogebiet liegt?
Sofern ein Arbeitsort im Arbeitsvertrag konkret vereinbart wurde, kann der Arbeitnehmer sich nicht weigern, seine Arbeit im Betrieb anzutreten, nur weil dieser in einem inländischen Risikogebiet liegt. Vielmehr besteht auch hier für den Arbeitnehmer nach wie vor die Verpflichtung, seine Arbeit an dem arbeitsvertraglich vereinbarten Ort zu verrichten. Eine Ausnahme gilt, wenn gewichtige Gründe des Arbeitsschutzes am Arbeitsplatz des einzelnen Arbeitnehmers hinzutreten. In diesem Fall könnte der Arbeitnehmer berechtigt sein, seine Tätigkeit am vereinbarten Arbeitsplatz zu verweigern.
Sofern der Arbeitsvertrag keine Regelung hinsichtlich eines konkreten Arbeitsortes enthält, erfolgt die Zuordnung zu einer Tätigkeitsstätte auf Weisung des Arbeitgebers. In diesem Fall müssen ebenso gewichtige Gründe hinzukommen, damit der Arbeitnehmer die Weisung des Arbeitgebers nicht beachten müsste. Das Risiko, sich dieser Weisung zu verweigern, trägt jedoch der Arbeitnehmer (Annahmeverzug).
3. Kann ein Arbeitnehmer, der in einem inländischen Risikogebiet tätig ist, seine Arbeit am eigentlichen Arbeitsort verweigern und - soweit es seine Tätigkeit zulässt - auf eine Tätigkeit im Homeoffice bestehen?
Nach wie vor besteht grundsätzlich - und soweit individual- oder kollektivrechtlich nicht anders vereinbart ist - kein Anspruch auf eine Tätigkeit im Homeoffice. Hat der Arbeitnehmer berechtigte Zweifel am Arbeits- und Hygieneschutz am Arbeitsplatz, wird er die Erbringung seiner Arbeitsleistung am Arbeitsplatz jedoch ablehnen können. Ausschließlich aus Gründen der Einstufung als innerdeutsches Risikogebiet kann der Arbeitnehmer die Erbringung der Arbeitsleistung am Arbeitsplatz in jedem Fall nicht verweigern.
4. Kann der Arbeitgeber einem Arbeitnehmer den Zutritt zu dem Betrieb verweigern, wenn der Arbeitnehmer in einem ausgewiesenen inländischen Risikogebiet wohnt bzw. an dessen Wohnort in den letzten sieben Tagen ein gewisser Inzidenzwert überschritten wurde?
Grundsätzlich kann der Arbeitgeber aufgrund des ihm zustehenden Hausrechts dem Arbeitnehmer den Zugang zum Betrieb verweigern. Da der Arbeitgeber jedoch hierdurch in Annahmeverzug gerät, ist er weiterhin zur vollständigen Lohnzahlung verpflichtet. Ggf. besteht auch die Möglichkeit der Anordnung von Homeoffice.
5. Kann ein Arbeitnehmer verpflichtet werden, zu dienstlichen Zwecken in Risikogebiete zu reisen?
In der derzeitigen Situation, in der auch immer mehr innerdeutsche Gebiete als Risikogebiete ausgewiesen werden und das RKI nach wie vor auch für den beruflichen Bereich empfiehlt, die Reisetätigkeit zu reduzieren, wird man Arbeitnehmer, die vertraglich zu Dienstreisen verpflichtet sind, jedoch nicht reisen wollen, wohl nur noch in dringenden und unaufschiebbaren Ausnahmefällen zu einer Dienstreise verpflichten können. Dabei ist es unerheblich, ob sich um ein in- oder ausländisches Risikogebiet handelt.
Letztlich wird es aber im Ergebnis stets auf eine Einzelfallprüfung ankommen. Dabei sind sämtliche Umstände, etwa die Art der Tätigkeit des Arbeitnehmers sowie ggf. das Reisemittel, zu berücksichtigen. In jedem Fall sollten bei der Anordnung von Dienstreisen auch die allgemeinen Schutzpflichten des Arbeitgebers und die Grundsätze der guten Personalführung berücksichtigt werden. Praktisch kann der Arbeitgeber den Arbeitnehmer nicht gegen seinen Willen zum Antritt einer Dienstreise zwingen. Verweigert der Arbeitnehmer die Dienstreise jedoch grundlos, ist der Arbeitgeber zu arbeitsrechtlichen Sanktionen berechtigt. Dies gilt insbesondere dann, wenn die Dienstreise unaufschiebbar wichtig und für den Arbeitgeber zwingend erforderlich ist.
Da sämtliche Behörden derzeit generell empfehlen, Reisetätigkeiten zu reduzieren und soziale Kontakte im beruflichen Umfeld mit dem Ziel, weitere Neuinfektionen zu verhindern, möglichst zu vermeiden, sind arbeitsrechtliche Sanktionen im Fall der Verweigerung einer Dienstreise kaum durchsetzbar.
6. Kann der Arbeitgeber einem Arbeitnehmer untersagen, in seiner Freizeit ein nach dem Robert-Koch-Institut ausgewiesenes Risikogebiet zu betreten?
Nein, ein so weitreichender Eingriff in das Privatleben des Arbeitnehmers ist grundsätzlich nicht mehr vom Direktionsrecht des Arbeitgebers gedeckt und damit unzulässig. Der Schutz der Privatsphäre des Arbeitnehmers wird hier regelmäßig überwiegen.
Ausnahmen sind jedoch im Einzelfall für absolute Know-How-Träger in Unternehmen denkbar. Hier obliegt es dem Arbeitgeber eine solche Einschränkung zu rechtfertigen und im Zweifel auch darzulegen, dass eine ununterbrochene Geschäftstätigkeit des Unternehmens vom Know-How einer singulären Person abhängig ist. Eine solche Einschränkung wird man aus unserer Sicht nur in zwei Fällen darstellen können: Entweder im Bereich des Managements oder in Bereichen, in denen bereits andere Mitarbeiter ausgefallen sind. Maßstab werden in diesem Sinne dringende betriebliche Gründe im Sinne des § 7 Abs. 3 BUrlG sein.
7. Muss ein Arbeitnehmer den Arbeitgeber informieren, wenn der (im gleichen Haushalt lebende) Ehepartner / Lebenspartner in einem Risikogebiet arbeitet (z.B. Ehepaar wohnt in Bonn, Mann arbeitet in Köln, muss Frau den Arbeitgeber informieren)?
Der Arbeitnehmer ist grundsätzlich nicht verpflichtet, den Arbeitgeber über den Tätigkeitsort eines (im gleichen Haushalt lebenden) Ehepartners / Lebenspartners zu informieren. Allein aus der Tätigkeit des Ehepartners / Lebenspartners in einem in- oder ausländischen Risikogebiet kann nicht zwingend auf ein erhöhtes Infektionsrisiko geschlossen werden.
Verpflichtende Angaben über die Tätigkeit des Ehepartners / Lebenspartners können im Rahmen der nebenvertraglichen Schutzpflicht des Arbeitnehmers allerdings entstehen, wenn in dem Betrieb des Ehepartners / Lebenspartners eine konkrete, erhöhte Infektionsgefahr besteht und sich diese insoweit auch auf den Betrieb des eigenen Arbeitnehmers auswirken kann.
8. Muss ein Arbeiternehmer nach einer Dienstreise in ein Risikogebiet in Quarantäne oder ein negatives Attest vorweisen, bevor er in den Betrieb zurückkehrt?
Bei der Einreise von Personen aus innerdeutschen Risikogebieten („Corona-Hotspots“) gelten je nach Bundesland unterschiedliche Vorschriften.
Aktuell besteht nur noch bei Einreisen aus inländischen Risikogebieten in Mecklenburg-Vorpommern und in Rheinland-Pfalz die Pflicht, sich in Quarantäne zu begeben bzw. einen negativen Coronatest vorzuweisen. Für Rheinland-Pfalz gilt des Weiteren keine Quarantänepflicht, sofern sich eine in Rheinland-Pfalz lebende Person weniger als 72 Stunden in einem Risikogebiet aufgehalten hat.
In den übrigen Bundesländern besteht ansonsten weitestgehend ein Beherbergungsverbot (siehe Ziffer 9).
9. Gilt das Beherbergungsverbot auch bei Dienstreisen?
Auch bei der dienstlich veranlassten Beherbergung von Personen aus Risikogebieten gelten je nach Bundesland unterschiedliche Regelungen. Gemein haben alle in den Ländern geltenden Beherbergungsverbote, dass zumindest mit einem - in digitaler oder Papierform vorhandenen - negativen Corona-Test, der nicht älter als 48 Stunden sein darf, das Beherbergungsverbot aufgehoben werden kann.
In ersten Bundesländern (Baden-Württemberg und Niedersachen) wurde das dort geltende Beherbergungsverbot bereits durch gerichtliche Entscheidung gekippt; in Sachsen wurde das Beherbergungsverbot zunächst ausgesetzt. Es bleibt abzuwarten, ob andere Bundesländer folgen.
Im Übrigen gelten für Dienstreisen je nach Bundesland die folgenden Besonderheiten (Stand: 15.10.2020):
Bundesland | Besteht ein Beherbergungsverbot für Dienstreisende? | Voraussetzungen für Beherbergung bei Dienstreisenden |
Bayern | Ja | Von dem Beherbergungsverbot ausgenommen sind Personen, die zwingend und unaufschiebbar beruflich veranlasst reisen. Es ist ein Nachweis des Arbeitgebers beizubringen. |
Baden-Württemberg | Beherbergungsverbot vorläufig mit sofortiger Wirkung außer Vollzug gesetzt. |
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Niedersachsen | Beherbergungsverbot vom Niedersächsischen OVG für rechtswidrig erklärt. |
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Saarland | Ja | Das Beherbergungsverbot gilt nicht, wenn der Reisende durch einen Nachweis des Arbeitgebers belegen kann, dass er zwingend notwendig und unaufschiebbar beruflich veranlasst anreist. |
Nordrhein-Westfalen | Nein |
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Schleswig-Holstein | Ja | Von der Regelung ist der Pendelverkehr zu beruflichen Zwecken grundsätzlich ausgenommen. |
Berlin | Nein |
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Thüringen | Nein |
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Mecklenburg-Vorpommern | Ja | In Mecklenburg-Vorpommern haben Dienstreisende einzig die Möglichkeit, einen negativen Corona-Test einzureichen, der nicht älter ist als 48 Stunden. Es gibt keine Ausnahme vom Beherbergungsverbot aufgrund einer beruflich zwingend veranlassten Reise. |
Brandenburg | Ja | Auch in Brandenburg gilt, dass das Beherbergungsverbot nicht greift, wenn der Aufenthalt des Reisenden zwingend notwendig und unaufschiebbar beruflich veranlasst ist. Es ist ein geeigneter Nachweis zu führen. Weitere Voraussetzung ist, dass keine Symptome für eine Infektion bestehen dürfen. |
Hamburg | Ja | Auch in Hamburg haben Dienstreisende ausschließlich die Option, einen negativen Corona-Test vorzuweisen, der nicht älter ist als 48 Stunden. Es gibt keine Ausnahme vom Beherbergungsverbot aufgrund einer beruflich veranlassten Reise. |
Bremen | Nein |
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Hessen | Ja | Zwar gilt auch in Hessen grundsätzlich ein Beherbergungsverbot. Allerdings besteht eine Ausnahme für Dienstreisende, die einen Nachweis ihres Arbeitgebers beibringen, dass ihr Aufenthalt zwingend notwendig und unaufschiebbar beruflich veranlasst ist. |
Rheinland-Pfalz | Nein | Das grundsätzlich bestehende Beherbergungsverbot erfasst keine Geschäftsreisen. Vom Beherbergungsverbot werden Personen mit Wohnsitz in Rheinland-Pfalz nicht erfasst. |
Sachsen | Beherbergungsverbot vorläufig ausgesetzt. |
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Sachsen-Anhalt | Ja | In Sachsen-Anhalt haben Dienstreisende einzig die Möglichkeit, einen negativen Corona-Test vorzulegen. Es gibt keine Ausnahme vom Beherbergungsverbot aufgrund einer beruflich veranlassten Reise. |