Digital Business06.10.2022 Newsletter

In-Game-Käufe: Millionen-Transfers auf dem digitalen Rasen – Ticketkäufe auf dem Schwarzmarkt

Erneut hat der diesjährige Release des Videospiels FIFA für große Aufmerksamkeit und Kritik gesorgt. Medial aber bislang noch kaum thematisiert ist der Schwarzmarkthandel mit In-Game-Währung, also Spiel-eigener Währung, die eigentlich nur im Spiel selbst erspielt wird. Diese kann auf dubiosen Handelsplattformen gegen Echtgeld gekauft werden. Darunter leiden vor allem die Publisher.

Worum genau geht es?

Gegen erspielbare In-Game-Währung, sogenannte „FUT-Coins“ oder gegen käufliche In-Game-Währung, die „FIFA-Points“ können FIFA-Nutzer sogenannte Packs erwerben. Darin enthalten: zufällige Spielerkarten unterschiedlicher Stärke. Diese Käufe gleichen einer Wundertüte: Nutzer haben keine Garantie, dass in den erspielten oder käuflich erworbenen Packs ein für ihr Spiel benötigter Spieler enthalten ist.

Um einen Wunschspieler zu erhalten, müssen Nutzer auf den FIFA 23 spielinternen digitalen Transfermarkt ausweichen. Hier können nicht benötigte virtuelle Spieler für erspielbare FUT-Coins – und nicht etwa für käuflich erwerbbare FIFA-Points – zwischen den FIFA-Nutzern transferiert werden. Damit können Nutzer mit dem Echtgeld-Einsatz in Form von FIFA-Points entweder durch Zufall direkt den benötigten Spieler ziehen oder zumindest schneller als die übrigen Nutzer nicht benötigte Spieler auf dem Transfermarkt veräußern, um hierdurch FUT-Coins zu generieren, die wiederum selbst dann für den Wunschspieler auf dem Transfermarkt eingesetzt werden können.

Erspielbare In-Game-Währung bei dubiosen Handelsplattformen käuflich erwerbbar

Im Spiel selbst gibt es keine Möglichkeit, den Wunschspieler käuflich zu erwerben. Das machen sich dubiose Handelsplattformen mit Sitz zumeist im asiatischen Ausland zunutze: Auf diesen Handelsplattformen können FUT-Coins gegen Echtgeld erworben werden – obwohl FIFA 23 diese Möglichkeit nicht vorsieht. Dieses Problem stellt sich allerdings nicht nur bei FIFA 23. Nahezu jedes Videospiel, das erspielbare In-Game-Währung enthält, ist davon betroffen.

Neben erheblichen negativen Auswirkungen auf das erdachte digitale Ökosystem, drohen Publishern erhebliche finanzielle Einbußen. Nutzer sind dazu verleitet, ihre Echtgeldkäufe über diese Handelsplattformen anstatt über die spielinternen Stores vorzunehmen. An deren Einnahmen sind die Publisher aber nicht beteiligt.

Publisher haben verschiedene Möglichkeiten, um dieses nicht gewollte und von seinem Spiel nicht vorgesehene Geschäftsmodell zu unterbinden. Grundsätzlich kann gegen die eigenen Nutzer vorgegangen werden. Zudem sind Ansprüche gegen Handelsplattformen denkbar.

Vorgehen gegen eigene Nutzer

Damit Publisher gegen ihre Nutzer vorgehen können, ist die juristische Grundlage der Nutzungsvertrag. Es ist praxisüblich, dass im Nutzungsvertrag eine Regelung enthalten ist, nach der der Bezug der In-Game-Währung, z. B. der FUT-Coins, über nicht autorisierte Handelsplattformen verboten ist und mit Sperrungen der erworbenen Inhalte bzw. des Accounts sanktioniert wird (vgl. Ziffer 6 der EA Nutzungsbedingungen bzgl. FIFA 23).

Maßstab der Wirksamkeit solcher Regelungen ist unter anderem das deutsche AGB-Recht. Hierbei stellen sich grundsätzlich zwei zentrale Fragen, an denen sich Klauseln im konkreten Einzelfall messen müssen.

  1. Zunächst darf ein solches Verbot keine überraschende Klausel i. S. d. § 305c BGB darstellen. Dies wäre der Fall, wenn es sich um eine objektiv ungewöhnliche Klausel handeln würde, mit der der Nutzer nicht zu rechnen braucht. Das Verbot, nicht käufliche Spielinhalte von Handelsplattformen käuflich zu erwerben, ist eine marktübliche Klausel. Ein solches Verbot ist daher weder objektiv ungewöhnlich noch rechnen Nutzer nicht damit.
  2. Daneben – vorbehaltlich des genauen Wortlauts im Einzelfall – fällt auch eine Interessensabwägung (§ 307 Abs. 1, Abs. 2 BGB) wohl zugunsten des Publishers aus. Es sprechen gute Gründe dafür, dass Nutzer durch ein solches Verbot keine unangemessene Benachteiligung erfahren. Einerseits ist nicht ersichtlich, worin beim Verbot des Erwerbs von In-Game-Währung gegen Echtgeld über Handelsplattformen eine Benachteiligung Dritter liegen soll. Letztlich sichert diese Regelung nur den bereits vom Spiel nicht vorgesehenen Direkterwerb von ausschließlich erspielbarer In-Game-Währung (z. B. FUT-Coins) ab. Darüber hinaus hat der Publisher gewichtige Interessen an der Kontrolle über sein vorgegebenes Ökosystem sowie auch wirtschaftliche Interessen, die durch die beschriebenen Handelsplattformen von Drittanbietern gefährdet sind.

Vorgehen gegen die Handelsplattformen

Denkbar ist, dass Publisher direkt gegen Handelsplattformen vorgehen. Hier kommen insbesondere Ansprüche aus Lauterbarkeitsrecht in Betracht sowie Ansprüche, die auf der Verletzung von Immaterialgüterschutzrechten des Publishers beruhen:

  1. Es spricht viel dafür, dass die Handelsplattformen durch das Vorhalten des „Schwarzmarktes“ eine vertriebsbezogene Behinderung i. S. d. § 4 Nr. 4 UWG der Publisher begehen. Dies sind alle Maßnahmen, die den Vertriebsweg zwischen Publisher und Nutzer beeinträchtigen. Die grundsätzlich nicht vorgesehene Kaufmöglichkeit der In-Game-Währungen gefährdet laut OLG Hamburg (5 U 168/11) den Vertrieb des Produkts und führt auch zu einer Wettbewerbsverzerrung im Spiel zwischen Nutzern, die sich an die Nutzungsbedingungen halten und solchen, die durch Zukauf über Handelsplattformen Dritten Wettbewerbsvorteile generieren.
  2. Im gleichen Urteil des OLG Hamburg (5 U 168/11) betonte das Gericht zudem, dass auch die Nutzung geschützter Marken des Publishers auf diesen Handelsplattformen nicht über § 23 MarkenG gerechtfertigt ist, da aus der Wettbewerbswidrigkeit der Handelsplattformen zugleich die Unlauterkeit der Markennutzung folge.  

Unabhängig davon, ob noch weitere Verletzungen durch die Betreiber der Handelsplattformen begangen werden und der Publisher hieraus vor allem mit Unterlassungsansprüchen gegen diese vorgehen kann, müssen rechtliche Besonderheiten und Schwierigkeiten der Durchsetzbarkeit der Ansprüche im – oftmals asiatischen – Ausland bedacht werden.

Lösungen für Publisher

Publisher können gegen den Handel mit In-Game-Währungen durch bzw. über Handelsplattformen Dritter vorgehen. Sie haben sowohl Ansprüche gegen die einzelnen Nutzer der Spiele als auch gegen die Handelsplattformen. Das effektivste Vorgehen, nämlich direkt gegen die Handelsplattformen, hat den Nachteil der schwierigen Durchsetzbarkeit der bestehenden Ansprüche im Ausland.

Daher bietet es sich für Publisher an, künftig auch Ansprüche gegen inländische Internet Service Provider zu prüfen und auf eine Sperrung der Handelsplattformen hinzuwirken. Dabei ist im Einzelfall zu prüfen, ob und woraus sich solche Ansprüche ergeben könnten. Als Leitfaden könnte die Rechtsprechung des BGH (I ZR 174/14) zur Inanspruchnahme von Internet Service Providern als Störer dienen.

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Christian Saßenbach<br/>LL.M. (Norwich), CIPP/E

Christian Saßenbach
LL.M. (Norwich), CIPP/E

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