13.06.2022 Newsletter

Immer wieder aktuell: Schriftformerfordernisse im Arbeitsrecht und Möglichkeiten der elektronischen Form

Im Zuge der Corona-Pandemie und der damit verbundenen zunehmenden Digitalisierung von Arbeitsprozessen stellt sich vor allem in Personalangelegenheiten häufig die Frage, welche arbeitsrechtlichen Rechtsgeschäfte überhaupt noch zwingend schriftlich erfolgen müssen und ob nicht beispielsweise ein kurzer E-Mail-Wechsel ausreicht, um bestimmte Vorgänge schnell und einfach abzuwickeln.

Der nachfolgende Beitrag fasst zunächst die rechtliche Ausgangslage für die in Deutschland geltende Rechtslage zusammen. Im Anschluss werden die typischen Rechtsgeschäfte im Arbeitsrecht und deren Formerfordernisse in einer tabellarischen Übersicht dargestellt.  

Schriftform oder formlos?

Maßgeblich für die Rechtsfragen der Form sind die §§ 125 ff. BGB. Nach § 125 S. 1 BGB ist ein Rechtsgeschäft, welches nicht die durch Gesetz oder Rechtsgeschäft (bspw. Vertrag) vorgeschriebene Form erfüllt, nichtig. Ist die Schriftform vorgeschrieben, so bestimmt § 126 Abs. 1 BGB, dass die Vertragsurkunde eigenhändig durch Namensunterschrift unterzeichnet sein muss. Alternativ kann nach § 126 Abs. 2 S. 2 BGB bei einem Vertrag auch nur die jeweils für die andere Partei bestimmte Urkunde unterzeichnet werden.

Also: Ist keine gesetzliche Form für das Rechtsgeschäft vorgeschrieben, kann dieses formlos, also auch (einfach) elektronisch erfolgen. Ist die Schriftform vorgeschrieben, bedarf das Rechtsgeschäft grundsätzlich einer eigenhändigen Unterschrift. Eine eingescannte Unterschrift wäre dann beispielsweise nicht zulässig.

Die elektronische Form

Die schriftliche Form kann durch die elektronische Form ersetzt werden, wenn sich aus dem Gesetz nicht ausdrücklich etwas anderes ergibt, § 126 Abs. 3 BGB. Um die schriftliche Form durch die elektronische Form zu ersetzen, muss der Aussteller der Erklärung das Dokument gem. § 126a Abs. 1 BGB mit einer qualifizierten elektronischen Signatur versehen. Bei einem Vertrag müssen die Parteien nach § 126a Abs. 3 BGB jeweils ein gleichlautendes Dokument mit einer qualifizierten elektronischen Signatur versehen. Nach herrschender Meinung genügt es hier jedoch auch, dass dieselbe Datei von den Parteien nacheinander qualifiziert elektronisch signiert wird. Die elektronische Form darf nicht ausdrücklich ausgeschlossen sein, wie beispielsweise bei Kündigungen und Aufhebungsverträgen (§ 623 Hs. 2 BGB) sowie bei Arbeitszeugnissen (§ 109 Abs. 3 GewO).

Es ist daher stets im Einzelfall zu prüfen, ob die elektronische Form zulässig und ob eine qualifizierte elektronische Signatur erforderlich ist. Eine qualifizierte elektronische Signatur muss nach der EU-Verordnung Nr. 910/2014 (sog. eIDAS-VO) besonders strenge technische Voraussetzungen erfüllen. Die eIDAS-VO unterscheidet drei Arten elektronischer Signaturen. Doch allein die qualifizierte elektronische Signatur (Art. 3 Nr. 12 eIDAS-VO) ersetzt die Schriftform nach § 126 BGB.

Nach Art. 30 eIDAS-VO wird die Konformität qualifizierter elektronischer Signaturerstellungseinheiten mit den Anforderungen der Verordnung von geeigneten, von den Mitgliedstaaten benannten öffentlichen oder privaten Stellen zertifiziert. In der Bundesrepublik Deutschland ist die Prüfung privater Anbieter nach § 17 Vertrauensdienstleistungsgesetz (VDG) der Bundesnetzagentur übertragen. Ohne die erforderliche Zertifizierung liegt eine qualifizierte elektronische Signatur nicht vor. Über die Homepage der Bundesnetzagentur lässt sich eine Auflistung von entsprechenden Anbietern aufrufen.

Neue Schriftformerfordernisse nach dem Nachweisgesetz

Seit dem 1.8.2022 gibt § 2 des Nachweisgesetzes (NachwG) vor, dass der Arbeitgeber den Arbeitnehmer über bestimmte Arbeitsbedingungen schriftlich informieren muss, wie beispielsweise über die Zusammensetzung und die Höhe des Entgelts, das bei Kündigung des Arbeitsverhältnisses von Arbeitgeber und Arbeitnehmer einzuhaltende Verfahren und die vereinbarte Arbeitszeit. Die Nachweispflichten können entweder durch entsprechende Regelungen und Hinweise in einem schriftlich abzuschließenden Arbeits­vertrag oder über ein separates und schriftliches Informationsblatt erfüllt werden.

Wir haben in unserem Newsbeitrag bereits eingehend zu den Änderungen des Nachweisgesetzes berichtet, in dem Sie hilfreiche Praxistipps finden.

Übersicht zu einzelnen Rechtsgeschäften und etwaigen Schriftformerfordernissen (Stand: 18.8.2022)

Rechtsgeschäft

 

Schriftform

Elektron­ische Form

Textform

Schriftliche Doku­men­tat­ion nach dem Nach­weis­gesetz erforderlich?

Arbeits­vertrag (einschließlich Änderungsvertrag)

 

Grund­sätz­lich nicht erforderlich, es sei denn, der Arbeits­vertrag soll die ab­schließ­ende Information nach dem Nach­weis­gesetz beinhalten.

Zulässig, es sei denn, der Arbeits­vertrag soll die ab­schließ­ende Information nach dem Nach­weis­gesetz beinhalten.

Zulässig, es sei denn, der Arbeits­vertrag soll die ab­schließ­ende Information nach dem Nach­weis­gesetz beinhalten.

Dieses hängt von den jeweiligen Regelungen ab und ob die In­for­ma­ti­ons­pflicht im Arbeits­vertrag oder in einem Informationsblatt erfüllt werden sollen. Werden die Informationen außerhalb des Arbeits­vertrag­es in einem Informationsblatt zu­sammen­ge­fasst, ist nur dieses an die Schriftform gebunden, nicht jedoch der Arbeits­vertrag.  

Arbeits­zeit­verringerung (§ 8 Abs. 1 S. 1 TzBfG)

 

Nicht erforderlich

Zulässig

Zulässig

Nicht beim Antrag, aber entweder muss die Änderung der Arbeitszeit schriftlich erfolgen oder eine Information hierüber in einem separaten Informationsblatt.

Arbeitszeugnis

 

Erforderlich

Nicht zulässig

Nicht zulässig

/

Aufhebungsvertrag

 

 

Zwingend erforderlich nach § 623 BGB

Nicht zulässig 

Nicht zulässig 

/

Ausbildungszeugnis

 

Zwingend erforderlich nach § 16 Abs. 1 S. 2 u. 3 BBiG

Nicht zulässig

Nicht zulässig

/

Auskunftsanspruch nach dem Ent­gelt­trans­parenz­gesetz

 

Nicht erforderlich

Zulässig

Zulässig nach § 10 Abs. 2 S. EntgTranspG

/

Befristungsabrede

 

 

Erforderlich nach § 14 Abs. 4 TzBfG

Zulässig; aber qualifizierte elektron­ische Signatur erforderlich

Nicht zulässig 

Ja, aber keine Besonderheit wegen § 14 Abs. 4 TzBfG.

Erfolgt die Vereinbarung mit qualifizierter elektron­ischer Signatur, muss gleichwohl schriftlich über die Befristung informiert werden.

Betriebsratsanhörung (Kündigung) gem. § 102 BetrVG

 

Nicht erforderlich

Zulässig

Zulässig

/

Betriebsvereinbarung

 

 

Erforderlich nach § 77 Abs. 2 S. 1 BetrVG

Zulässig; aber qualifizierte elektron­ische Signatur nach § 77 Abs. 2 S. 3 BetrVG erforderlich

Nicht zulässig

Das Nach­weis­gesetz gilt nicht für Betriebs­vereinbarungen an sich. Aber der Arbeitgeber muss den Arbeitnehmer schriftlich nach dem Nach­weis­gesetz über anwendbare Betriebs­vereinbarungen informieren.

Elternzeitbegehren

Erforderlich nach § 16 Abs. 1 S. 1 BEEG

Zulässig; aber qualifizierte elektron­ische Signatur erforderlich

 

Nicht zulässig

/

Entschädigung und Schadenersatz nach dem AGG

Nach dem Wortlaut des § 15 Abs. 4 S. 1 AGG erforderlich

 

Zulässig

Zulässig

/

Kündigung

 

 

Zwingend erforderlich nach § 623 BGB

Nicht zulässig

Nicht zulässig

Zusätzlich: Über die Kündigungs­möglich­keit und die Fristen sowie über das einzuhaltende Verfahren muss nach dem Nach­weis­gesetz im Arbeits­vertrag oder in einem Informationsblatt schriftlich informiert werden.

Pflegezeitverlangen nach dem Pflegezeitgesetz

 

Erforderlich nach § 3 Abs. 3 S. 1 und Abs. 4 PfegeZG

Zulässig; aber qualifizierte elektron­ische Signatur erforderlich

Nicht zulässig

/

Regelungsabrede mit dem Betriebsrat

 

Nicht erforderlich

Zulässig

Zulässig

/

Unterrichtung des Betriebsrats bei Mitbestimmung nach § 99 BetrVG

 

Nicht erforderlich

Zulässig

Zulässig

/

Vorläufige personelle Maßnahme nach § 100 BetrVG

 

Nicht erforderlich

Zulässig

Zulässig

Nicht erforderlich gegenüber dem Betriebsrat, aber ggf. muss die in § 100 Abs. 1 S. 2 BetrVG vorgesehene Information des Arbeitnehmers schriftlich erfolgen, sofern diese Bestandteile enthält, die in § 2 NachwG aufgezählt sind.

Weiter­be­schäftigungs­anspruch eines Auszubildenden der Jugend- und Aus­zu­bildenden­ver­tretung

 

Erforderlich nach § 78a Abs. 2 S. 1 BetrVG

Zulässig; aber qualifizierte elektron­ische Signatur erforderlich

Nicht zulässig

/

Ablehnung Weiterbeschäftigung eines Auszubildenden der Jugend- und Aus­zu­bildenden­ver­tretung

 

Erforderlich nach § 78a Abs. 1 BetrVG

Dürfte zulässig sein, da nicht aus­drück­lich aus­ge­schlos­sen

Nach dem Wortlaut nicht zulässig

/

Wettbewerbsverbot (nachvertraglich)

Erforderlich nach § 74 Abs. 1 HGB

Zulässig; aber qualifizierte elektron­ische Signatur erforderlich

Nicht zulässig

/

 

Hinweis

Änderungen der gesetzlichen Formvorschriften, sei es durch Änderungen der gesetzlichen Vorschriften oder der Rechtsprechung, sind grundsätzlich möglich. Die aktuelle Rechtslage sollte daher, insbesondere bei wichtigen Rechtsgeschäften, im Auge behalten werden.

Bei Arbeitsverträgen sollte zudem Folgendes beachtet werden: Auch, wenn ein Arbeits­vertrag nicht der Schriftform bedarf, kann für einzelne Klauseln, wie beispielsweise für eine Befristungsabrede, etwas anderes gelten.

Ihr Ansprechpartner zum Thema: Daniel Gorks, [email protected], +49 221 2091-354

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