Energie und Infrastruktur27.07.2022 Newsletter
Gasnotlage – Was können Sie tun?
Ende Juni hat das Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK) die Alarmstufe des Notfallplans Gas ausgerufen - die Sorge vor einem Gas-Lieferstopp und entsprechenden Reduktionen ist groß. Wenn das BMWK die dritte Eskalationsstufe ausrufen sollte, wären Unternehmen grundsätzlich als erste betroffen. Die Belastungen werden sich durch die gesamte Lieferkette ziehen.
Wir haben zusammengefasst, was Sie tun können, um sich bestmöglich zu wappnen. Für ein vertiefendes Gespräch zu diesen und anderen Punkten stehen unsere Experten jederzeit zur Verfügung.
Unternehmensspezifischer Schutzantrag/Mitteilung an Netzbetreiber
Sollte die Bundesregierung die Notfallstufe ausrufen, wird die Bundesnetzagentur als Bundeslastverteiler über eine Gasverbrauchsreduktion entscheiden. Derzeit hat sie dazu nur wenige Informationen; im April und Mai 2022 wurden Daten von Letztverbrauchern mit technischer Anschlusskapazität von mindestens 10 MWh erhoben. Wir empfehlen, der Bundesnetzagentur proaktiv über einen unternehmensspezifischen Schutzantrag relevante Unternehmensdaten mitzuteilen, z.B. zu Kosten und drohenden Schäden einer Reduktion. Zwar bietet dies nicht die Gewähr dafür, dass Ihr Unternehmen von einer etwaigen Gasverbrauchsreduktion nicht oder nur in geringem Maße betroffen sein wird, der Antrag dürfte aber die Geschäftsführung schützen, die verpflichtet ist, Schäden vom Unternehmen abzuwenden. Er kann außerdem hilfreich sein, um eine Rechtsgrundlage für etwaige Schadensersatz-/Entschädigungsansprüche zu schaffen.
Aufbauend auf den Schutzantrag bietet es sich je nach Einzelfall an, vorsorglich einen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung zu entwerfen, der im Fall der Fälle (unter Umständen sogar vorbeugend) zügig eingereicht werden kann. Im Erfolgsfall können Sie mit einem solchen Antrag die Bundesnetzagentur vorübergehend daran hindern, Eingriffe in die Gasversorgung Ihres Unternehmens vorzunehmen.
Eine ähnliche Mitteilung sollte an den Netzbetreiber gesendet werden. Im Fall einer Gefährdung oder Störung der Sicherheit oder Zuverlässigkeit des Gasversorgungssystems ist dieser berechtigt und verpflichtet, sämtliche Gasausspeisungen in seinem Netz anzupassen. Auch hier gilt: Zwar muss der Netzbetreiber diese Informationen nicht berücksichtigen; aber nur wenn sie ihm vorliegen, hat er überhaupt die Möglichkeit dazu.
Auseinandersetzungen mit Zulieferern und Abnehmern
Wird das Gas knapp oder bleibt es gänzlich aus, wird dies für Zulieferer und Hersteller zu Produktionsstopps oder zumindest zu einer erheblichen Verteuerung der Produktion führen. Auseinandersetzungen mit Geschäftspartnern werden nicht vermeidbar sein.
Vertrags-Check: Sämtliche Verträge sollten geprüft werden. Enthalten sie Regelungen für Fälle der Verteuerung der Produktion? Existieren Regelungen, die die Folgen von Produktionsausfällen beinhalten, z.B. Force Majeure- oder Höhere Gewalt-Klauseln? Gibt es sonstige Regelungen zur Leistungsfreiheit, Haftung oder zu Vorsorgeverpflichtungen?
Kontakt mit Vertragspartnern: Zur Vermeidung von Streitigkeiten empfiehlt sich in der Regel, frühzeitig Kontakt mit Vertragspartnern aufzunehmen. Weisen Sie Ihre Vertragspartner eventuell auf mögliche Produktionsausfälle hin. Schlagen Sie die Vereinbarung eines gemeinsamen Notfallplanes vor. Vereinbaren Sie – falls nicht bereits Bestandteil des Vertrages – Regelungen zu Produktionsausfällen und -verteuerungen sowie sonstigen Haftungs- und Vertragslösungsfragen.
Vorsorge: In jedem Fall sollten Sie zumutbare Vorsorgemaßnahmen treffen. Das kann etwa die Zurückstellung einer bestimmten Anzahl von besonders wichtigen Teilen für den Fall des Produktionsausfalls sein oder die Bereitstellung einer alternativen Energiequelle für den Wegfall einer bestimmten Quelle. Allgemeine Rücksichtnahmepflichten treffen grundsätzlich jeden Vertragspartner und können bei Nichtbeachtung Schadensersatzansprüche begründen; eigene Schadensersatzansprüche können bei Unterlassung ggf. gekürzt werden.
Arbeitsrechtliche Auswirkungen
Die Verknappung von Gas hat verschiedene Auswirkungen. Produktionsstopps einerseits und andererseits (erzwungene) Einsparungen von Energie etwa für die Beheizung von Betriebsgebäuden sind vordergründig zu betrachten. Unternehmen kommen in Zugzwang gegenüber ihren Mitarbeitenden.
Anordnung von Kurzarbeit (nur in Betriebsstätten): Kommt es zu einem Versorgungsengpass, der die Produktion beeinflusst, kann Kurzarbeit in Betracht kommen. Entscheidend ist, ob der Grund für den Arbeitsausfall außerhalb der betrieblichen Sphäre liegt und unmittelbar darauf beruht. Für den Fall einer möglichen Zwangsabschaltung des Betriebes von der Gasversorgung oder anderer Einschränkungen bei der Energieversorgung kommt ebenso ein „unabwendbares Ereignis“ als Grund für den Arbeitsausfall in Betracht.
Arbeiten in nicht/wenig beheizten Räumen: Die Absenkung der Bürotemperatur ist derzeit nur eingeschränkt möglich. Die EU hat aktuell im ersten Entwurf der sog. „Winter-Strategie“ den Mitgliedsstaaten vorgeschlagen, die Raumtemperatur in öffentlichen Gebäuden, Büros sowie in gewerblich genutzten Gebäuden auf 19 Grad Celsius zu begrenzen. Werden Mindesttemperaturen nicht erreicht, sind arbeitsplatzbezogene technische, organisatorische und/oder personenbezogene Maßnahmen (z. B. Bereitstellung geeigneter Kleidung) erforderlich.
Anordnung von Home-Office: Aktuell in der Diskussion ist die Einführung einer Homeoffice-Pflicht. Hiermit sollen Energie-Belastungen durch arbeitnehmerbezogenen Pendelverkehr vermieden und in den Betrieben Sparmaßnahmen umgesetzt werden. Die Umsetzung von Weisungen zur Ausübung der Tätigkeit im Homeoffice ist im Einzelfall zu beurteilen. Problematisch ist v.a., ob der Arbeitgeber ggf. eine zusätzliche Aufwandsentschädigung leisten muss.
Bei allen Maßnahmen sind etwaige Mitbestimmungsrechte zu beachten.
Sie können diese Informationen auch hier als PDF herunterladen.