Arbeitsrecht26.09.2024 Newsletter
Fokus Arbeitsrecht 3. Quartal 2024
Ob vom Gesetzgeber in der laufenden Legislaturperiode angesichts der vielfältigen aktuellen Herausforderungen noch nennenswerte Aktivitäten auf dem Gebiet des Arbeitsrechts zu erwarten sind, steht in den Sternen. Bundesarbeitsminister Hubertus Heil legte zwar jüngst einen Referentenentwurf zum lange angekündigten Tariftreuegesetz vor, um die sinkende Tarifbindung zu stoppen. Zugleich will er damit den Gewerkschaften ein digitales Zugangsrecht zu den Betrieben gewähren und die Möglichkeiten zur Tarifflucht einschränken. Allerdings entwickelt sich dieser Gesetzesentwurf aktuell zum Streitobjekt in der Ampel-Regierung. Daher bleibt dessen Umsetzung ungewiss.
Konstant neue Entwicklungen und spannende Urteile sind dagegen aus der arbeitsgerichtlichen Rechtsprechung zu berichten. Diese dritte Ausgabe unseres Fokus Arbeitsrecht enthält dazu die wichtigsten Entscheidungen.
Am 07.11.2024 findet der 16. Arbeitsrechtstag in unserem Büro in Köln statt. Die Veranstaltung wird nach den großen Erfolgen in den letzten Jahren auch in diesem Jahr wieder hybrid durchgeführt, daher besteht auch die Möglichkeit einer Online-Teilnahme. Näheres dazu finden Sie ebenfalls in diesem Fokus Arbeitsrecht.
1. Neue Rechtsprechung
1.1 Stolperfalle Kündigungszugang – Zeitpunkt des Zugangs beim Einwurf-Einschreiben
1.2 Angemessenheit der Probezeit in befristeten Arbeitsverhältnissen
1.3 Vorsicht bei Secondments: Unwirksame Befristung bei konzerninternen Entsendungen
1.4 Kündigung wegen Weiterleitung dienstlicher E Mails an private E-Mail-Adresse
1.5 Arbeitszeitbetrug durch freigestellte Betriebsratsmitglieder
1.7 Überstundenzuschläge – keine Benachteiligung für Teilzeitbeschäftigte
1.8 Betriebliche Altersversorgung – Abweichungen bei der Entgeltumwandlung mittels Tariföffnung?
1.9 Keine Bindungswirkung einer Statusfeststellung bei Betriebsübergang
1.10 Kein Auskunftsanspruch des Betriebsrats über Auflösung von Tarifkollisionen
1.11 Der ordentliche Schreibtisch und das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats
2. Neue Gesetzgebung
2.1 Wachstumschancengesetz – Änderung Fünftelregelung
2.2 Hubertus Heil legt Entwurf eines neuen Tariftreuegesetzes vor
2.3 Zukunftsfinanzierungsgesetz II – Kündigungsschutz in der Finanzbranche
2.4 Wachstumsinitiative – neue wirtschaftliche Dynamik für Deutschland
3. Arbeitsrechtstag 2024
1.Neue Rechtsprechung
1.1 Stolperfalle Kündigungszugang – Zeitpunkt des Zugangs beim Einwurf-Einschreiben
Nicht selten kommt es im Zusammenhang mit dem Zugang einer Kündigung zu Streit zwischen den Arbeitsvertragsparteien. Für Unternehmen ist der Zeitpunkt des Zugangs einer Kündigung wichtig, da zum einen hiermit der Lauf der Kündigungsfrist in Gang gesetzt wird und zum anderen auf diesen Zeitpunkt für die Frage abzustellen ist, ob die Wartefrist des Kündigungsschutzgesetzes bzw. die Probezeit abgelaufen ist oder ein Sonderkündigungsschutz besteht. Mit dem Zeitpunkt des Zugangs eines Einwurf-Einschreibens hatte sich jüngst das BAG (Urteil vom 20.06.2024 – 2 AZR 213/23) beschäftigt und für Unternehmen insoweit etwas mehr Klarheit gebracht.
Die Klägerin, deren Arbeitsvertrag eine vierteljährliche Kündigungsfrist zum Quartalsende vorsah, hatte bestritten, dass das Kündigungsschreiben zu den üblichen Postzustellungszeiten in ihren Hausbriefkasten eingeworfen worden sei. Mit einer Entnahme am selben Tag sei nicht mehr zu rechnen gewesen, so dass ihr das Schreiben erst einen Tag nach Einwurf in den Hausbriefkasten zugegangen sei. Damit sei die Kündigungsfrist erst ein Quartal später abgelaufen als vom Arbeitgeber angestrebt.
Das BAG betonte zunächst, dass das Kündigungsschreiben bei Einlegen in den Hausbriefkasten beim Empfänger zugehe, sobald nach der Verkehrsanschauung mit der nächsten Entnahme zu rechnen sei. Dabei komme es jedoch auf die Arbeitszeit der Postmitarbeiter an, nicht aber auf die übliche – in der tatsächlichen Praxis stark variierende – genaue Uhrzeit der Zustellung im örtlichen Postbezirk. Nach allgemeiner Lebenserfahrung werde der Briefkasten dann nach den durch die Arbeitszeit der Postmitarbeiter bestimmten üblichen örtlichen Zustellzeiten am selben Tag durch den Empfänger geleert. Der Auslieferungsbeleg der Deutschen Post AG könne dafür als Anscheinsbeweis herangezogen werden. Sodann sei es Aufgabe der Klägerin gewesen, Tatsachen vorzutragen, die die ernsthafte Möglichkeit eines abweichenden Geschehensablaufs nahelegen. Dies sei der Klägerin nicht gelungen, weshalb der Anscheinsbeweis nicht erschüttert wurde.
Das BAG schafft damit bei Zustellungen mit der Deutschen Post AG etwas mehr Rechtssicherheit für Unternehmen. Unternehmen sollten bei Zugang einer Kündigung durch Einwurf-Einschreiben neben dem Einlieferungsbeleg zwingend den Auslieferungsbeleg aufbewahren, der innerhalb von 15 Monaten heruntergeladen werden kann, um eine lückenlose Dokumentation der Versendung sowie den Tag der Einlegung in den Briefkasten durch die Bediensteten der Deutschen Post AG nachweisen zu können.
Wenn der Beschäftigte keine atypischen Umstände darlegen und beweisen kann, die eine ernsthafte, ebenfalls in Betracht kommende Möglichkeit eines abweichenden Geschehensablaufs nahelegen, gilt die Kündigung am Tag der Einlegung in den Briefkasten als zugegangen. Allerdings hat das BAG explizit offengelassen, ob der Beweis des ersten Anscheins auch dann noch greift, wenn an dem jeweiligen Zustellort andere Zustelldienste einen maßgeblichen Anteil an der Briefzustellung haben und diese auch außerhalb der üblichen Arbeitszeiten der Deutschen Post AG Briefe zustellen.
Anja Dombrowsky
1.2 Angemessenheit der Probezeit in befristeten Arbeitsverhältnissen
Wird in einem Arbeitsvertrag eine Probezeit für die Dauer von vier Monaten vereinbart, obwohl das Arbeitsverhältnis auf ein Jahr befristet ist, steht die Probezeit nicht in einem angemessenen Verhältnis zur Gesamtdauer der Befristung. Nach einer aktuellen Entscheidung des LAG Berlin-Brandenburg verstößt die Probezeitregelung vielmehr gegen § 15 Abs. 3 TzBfG und ist gemäß § 307 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1 BGB insgesamt unwirksam.
Unter Berücksichtigung des Erwägungsgrundes 28 der EU-Arbeitsbedingungenrichtlinie (Richtlinie 2019/1152/EU) haben die Mitgliedstaaten der Europäischen Union bei befristeten Arbeitsverhältnissen mit einer Dauer von weniger als zwölf Monaten dafür Sorge zu tragen, dass die Probezeitdauer angemessen ist und im Verhältnis zur erwarteten Dauer des Arbeitsvertrags sowie der Art der Tätigkeit steht. Diese Vorgabe wurde durch den deutschen Gesetzgeber mit der am 01.08.2022 in Kraft getretenen Neuregelung des NachwG umgesetzt. Das LAG Berlin-Brandenburg hat in einer aktuellen Entscheidung eine Probezeitregelung für unwirksam erklärt, die jenen Grundsätzen nicht standzuhalten vermochte (Urteil vom 02.08.2024 – 19 Sa 1150/23).
Der Entscheidung lag eine Kündigungsschutzklage betreffend die Wirksamkeit einer ordentlichen Kündigung zugrunde. Die Parteien hatten mit Wirkung zum 22.08.2022 einen Arbeitsvertrag für die Dauer eines Jahres geschlossen, der für die ersten vier Monate der Tätigkeit eine Probezeit vorsah. Die beklagte Arbeitgeberin kündigte das Arbeitsverhältnis mit Schreiben vom 09.12.2022 während der Probezeit unter Anwendung der kurzen Kündigungsfrist von zwei Wochen. Die klagende Arbeitnehmerin vertrat die Auffassung, die Kündigung sei unwirksam, weil die vereinbarte viermonatige Probezeit nicht in einem angemessenen Verhältnis zur Dauer der Befristung stünde.
Das LAG hat in seinem Urteil die erstinstanzliche, zu Gunsten der Klägerin ergangene Entscheidung des ArbG Berlin bestätigt und ausgeführt, dass die vereinbarte viermonatige Probezeit wegen Verstoßes gegen § 15 Abs. 3 TzBfG als allgemeine Geschäftsbedingung gemäß § 307 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1 BGB unwirksam sei. Zur Begründung führte das Gericht u.a. aus, dass – obwohl weder § 15 Abs. 3 TzBfG noch Art. 8 Abs. 2 der Richtlinie 2019/1152/EU ein starres Verhältnis von Befristungs- und Probezeitdauer festlegten – aus Gründen der Handhabbarkeit gewisse Quoten – bei einer einjährigen Befristung in Höhe von 25 % – regelmäßig als angemessen anzusehen seien. Die Dauer der Befristung und die Dauer der Probezeit müssten aufeinander bezogen sein und relativ in einem angemessenen Verhältnis stehen – dies komme sowohl in § 15 Abs. 3 TzBfG als auch in Art. 8 Abs. 2 der Richtlinie 2019/1152/EU zum Ausdruck. Hiervon abweichende Vereinbarungen könnten lediglich dann getroffen werden, wenn seitens des Arbeitgebers dargelegt würde, warum ein höheres Verhältnis von Befristungsdauer und Probezeit auf Grund der Art der Tätigkeit erforderlich und im Ergebnis angemessen sei. Dies ist der beklagten Arbeitgeberin nach Einschätzung des LAG im zu entscheidenden Fall jedoch nicht hinreichend gelungen.
Interessant an der Entscheidung des LAG ist insbesondere, dass das Gericht in seinem Urteil keinerlei Bezug auf die viel beachtete Entscheidung des LAG Schleswig-Holstein vom 18.10.2023 - 3 Sa 81/23 nimmt, in der eine Probezeit von sechs Monaten jedenfalls dann als stets angemessen bewertet wurde, wenn die Probebefristung im Vertrag entsprechend bezeichnet und das beabsichtigte unbefristete Arbeitsverhältnis konkret geregelt wird. Das LAG Schleswig-Holstein hat die Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassen; eine Entscheidung des BAG (Az. 2 AZR 275/23) wird am 05.12.2024 erwartet. Bei der Vereinbarung von Probezeiten in befristeten Arbeitsverhältnissen, die einer (gerichtlichen) Prüfung standhalten sollen, ist für Arbeitgeber daher weiterhin Vorsicht geboten – die Beurteilung der Angemessenheit bleibt bis auf Weiteres eine Frage des Einzelfalls.
Lisa Striegler
1.3 Vorsicht bei Secondments: Unwirksame Befristung bei konzerninternen Entsendungen
Nachlässigkeiten bei der Vertragsgestaltung können unerwartete Folgen nach sich ziehen. So kann es vorkommen, dass Arbeitgeber zu einer unbefristeten Entsendung verpflichtet werden – selbst wenn der (meist konzerninterne) „Entleiher“ den Mitarbeiter nicht mehr benötigt. Dies entschied das LAG Düsseldorf in seinem Urteil vom 24.04.2024 – 12 Sa 1001/23.
In dem vorliegenden Fall war der Kläger seit 2008 für die Beklagte tätig. Im Jahr 2009 vereinbarten der Kläger und die Beklagte die Entsendung des Klägers zu einer Konzerngesellschaft in Großbritannien, zunächst für sechs Monate. Der Kläger sollte weiterhin Arbeitnehmer der Beklagten bleiben, die auch die Vergütung an den Kläger auszahlte. Die Entsendung wurde bis Ende 2020 fortlaufend verlängert, der Kläger erhielt diesbezüglich jeweils verschiedene Schreiben. Über den Entleihungszeitraum absolvierte der Kläger einen beruflichen Aufstieg in Gehalt und Position. Im Juni 2020 informierte die britische Konzerngesellschaft die Beklagte, dass die Entsendung nicht über den 31.12.2020 hinaus verlängert werde. In der Folge sprach die Beklagte, bei der kein Beschäftigungsbedarf für den Kläger bestand, verschiedene Kündigungen aus.
Vor Gericht begehrte der Kläger nun die Feststellung, dass die Entsendung nicht zum 31.12.2020 endete, sondern unbefristet fortdauert. Das LAG sah in den sich wiederholenden Entsendungsschreiben Allgemeine Geschäftsbedingungen (AGB), die wiederum der rechtlichen Inhaltskontrolle nicht standhielten. Nach § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB sind Bestimmungen in AGB unwirksam, wenn sie den Vertragspartner unangemessen benachteiligen. Eine solche Benachteiligung des Klägers sah das Gericht in der fortlaufenden befristeten Verlängerung der Entsendung des Klägers über mehr als 11 Jahre: Die Wertungen des Teilzeit- und Befristungsgesetzes (TzBfG) sähen den unbefristeten Vertrag als Regelfall eines Arbeitsverhältnisses vor, während befristete Verträge die Ausnahme bleiben sollen. Dies gelte auch für einzelne Aspekte des Arbeitsvertrages wie Arbeitszeit, Position und Vergütung. Die Befristung einzelner Arbeitsbedingungen laufe zudem § 2 KSchG zuwider, der für solche Konstellationen das Instrument der Änderungskündigung vorsehe. Aus diesen Gesichtspunkten ergebe sich – so das LAG – für den Kläger ein schützenswertes Interesse an einer unbefristeten Vereinbarung seiner erreichten Position und Gehalt.
Die Beklagte wendete ein, den Kläger nicht entsprechend beschäftigen zu können, was einen Schaden im sechsstelligen Bereich verursachen würde. Zudem würde ihr damit das Risiko der Einsatzmöglichkeit des Arbeitnehmers bei der Entleiherin aufgebürdet. Diese Argumente wies das LAG scharf zurück. Die Ungewissheit über den künftigen Arbeitskräftebedarf gehöre zum unternehmerischen Risiko, das nicht auf die Arbeitnehmer verlagert werden könne.
Das Urteil zeigt, dass fortlaufende Befristungen bei Entsendungen Arbeitgeber teuer zu stehen kommen können. Konzerninterne Entsendungen sollten daher immer anlassbezogen und vorübergehend erfolgen. Gerade bei langfristigen Engagements verdeutlicht das hiesige Urteil, dass eine Überleitung des Arbeitsverhältnisses auf die Gesellschaft, in der der Arbeitnehmer eingesetzt wird, die bessere Option ist.
Dr. Alexander Willemsen
1.4 Kündigung wegen Weiterleitung dienstlicher E Mails an private E-Mail-Adresse
Die Weiterleitung dienstlicher E-Mails an einen privaten E-Mail-Account stellt einen Verstoß gegen die DSGVO dar, der eine außerordentliche fristlose Kündigung rechtfertigen kann, so das OLG München jüngst mit Urteil vom 31.07.2024 (Az. 7 U 351/23 e).
Ein langjähriges Vorstandsmitglied einer AG hatte wiederholt dienstliche E-Mails an seinen privaten E-Mail-Account weitergeleitet. Die E-Mails enthielten teils sensible Informationen über Gehälter, Provisionsabrechnungen und Unternehmensvorgänge, z.B. eine geldwäscherechtliche Bankanfrage. Nachdem der Aufsichtsrat hiervon Kenntnis erlangt hatte, berief er den Vorstand unverzüglich ab und kündigte den Anstellungsvertrag außerordentlich fristlos. Das OLG München wies die hiergegen gerichtete Klage des ehemaligen Vorstands ab.
Die zentrale Rechtsfrage lautete, ob das Weiterleiten dienstlicher E-Mails an einen privaten E-Mail-Account einen wichtigen Grund i.S.d. § 626 Abs. 1 BGB darstellt. Zwar stelle die Weiterleitung und Speicherung auf dem privaten Account eine unzulässige Verarbeitung i.S.d. Art. 4 Nr. 2 DSGVO dar, da diese nicht durch eine Einwilligung der betroffenen Personen gemäß Art. 6 Abs. 1 lit. a DSGVO gedeckt gewesen sei.
Allerdings begründe nicht jeder Verstoß gegen die DSGVO die Annahme eines wichtigen Grundes i.S.d. § 626 Abs. 1 BGB. Das OLG München bejahte vorliegend den wichtigen Grund mit Verweis darauf, dass die in den E-Mails enthaltenen Daten besonders sensibler Natur gewesen seien und der Kläger wiederholt und damit im Ergebnis schwerwiegend gegen die DSGVO verstoßen habe. Die Argumentation des Klägers, die Weiterleitung der E-Mails habe der eigenen Absicherung in einem etwaig späteren Haftungsfall dienen sollen, ließ das OLG München u.a. mit Verweis auf das Einsichtsrecht nach § 810 BGB ebenso wenig gelten wie den Umstand, dass er seine private E-Mail-Adresse in „cc“ gesetzt hatte und die Weiterleitung somit für die anderen Personen im Verteiler ersichtlich gewesen sei.
Das OLG München bestätigte zudem – neben der außerordentlichen Kündigung des Anstellungsvertrags – auch die sofortige Abberufung des Klägers als Vorstand. Ein wichtiger Grund i.S.d. § 626 Abs. 1 BGB für die außerordentliche fristlose Kündigung des Anstellungsvertrags stelle immer auch einen wichtigen Grund für die Abberufung des Vorstands i.S.d. § 84 Abs. 4 S. 1 AktG dar. So seien die Grenzen, unter denen eine außerordentliche Kündigung gemäß § 626 Abs. 1 BGB ausgesprochen werden dürfe, enger gezogen als der Kreis der Gründe, die die Abberufung aus der Organstellung erlaubten.
Die Entscheidung lässt sich auf die wachsende Relevanz des Datenschutzes auch in einem Arbeitsverhältnis übertragen. Dies gilt gleichermaßen für Beschäftigte und – unter Compliance-Gesichtspunkten – für Unternehmen. So sind bei DSGVO-Verstößen nicht nur arbeitsrechtliche Sanktionen gegen Beschäftigte zu prüfen. Vielmehr können zuletzt auch empfindliche Bußgelder gegen den Arbeitgeber drohen. Unternehmen sind daher gut beraten, Schulungen durchzuführen und eindeutige Richtlinien für den Umgang mit personenbezogenen Daten zu formulieren, um sicherzustellen, dass sich insbesondere Führungskräfte DSGVO-konform verhalten.
Dr. Johannes Kaesbach
1.5 Arbeitszeitbetrug durch freigestellte Betriebsratsmitglieder
Freigestellte Betriebsratsmitglieder müssen entweder Betriebsratstätigkeiten ausüben oder im Betrieb anwesend sein. Wird ein Mitglied zu einer Fortbildung geschickt, besteht eine Teilnahmepflicht. Ein ungerechtfertigtes Verlassen der Schulung kann somit eine außerordentliche Kündigung rechtfertigen. Dies entschied das LAG Niedersachsen im Beschluss vom 28.02.2024 - 13 TaBV 40/23.
Im zugrundeliegenden Sachverhalt bat der Arbeitgeber den Betriebsrat um Zustimmung zur außerordentlichen Kündigung des freigestellten Betriebsratsvorsitzenden. Dieser war für den dreitägigen Deutschen Betriebsrätetag freigestellt worden. Der Arbeitgeber hatte die Kostenübernahme zugesagt. Nach Aussagen der anderen Teilnehmer verließ der Vorsitzende nach dem ersten Tag die Veranstaltung und nahm nicht mehr weiter teil. Stattdessen soll er bei seiner Ex-Frau gewesen und Freizeitaktivitäten nachgegangen sein. Trotzdem trug er in seinen Arbeitszeitnachweisen Betriebsratstätigkeiten ein. Auf Nachfrage des Arbeitgebers erklärte er, er habe an den Nachmittagen und Abenden „fachlichen Austausch“ und „Rechercheaufgaben“ für den Betriebsrat geleistet. Der Arbeitgeber wertete dies als schweren Vertragsverstoß und beabsichtigte die Kündigung. Der Betriebsrat verweigerte jedoch die Zustimmung, sodass der Arbeitgeber ein Zustimmungsersetzungsverfahren nach § 103 BetrVG einleitete.
Das LAG Niedersachsen folgte der Vorinstanz und stimmte der Ersetzung der Zustimmung zur fristlosen Kündigung des Betriebsratsvorsitzenden zu. Beide Instanzen sahen das Fehlverhalten des Betriebsratsvorsitzenden als ausreichend an, um eine fristlose Kündigung zu rechtfertigen. Anstelle der Arbeitsleistung sind freigestellte Betriebsratsmitglieder zur Verrichtung oder Bereithaltung für Betriebsratstätigkeiten am Sitz des Arbeitgebers verpflichtet. Diese Zeiten dürfen mithin als Arbeitszeit im Rahmen betrieblicher Arbeitszeiterfassung dokumentiert werden. Gleiches gilt für Zeiten, in denen das Betriebsratsmitglied an genehmigten Schulungs- oder Weitebildungsveranstaltungen teilnimmt. Für ein Verlassen der Veranstaltung und eine Verrichtung anderer Betriebsratsarbeit außerhalb des Betriebes und außerhalb des Veranstaltungsortes bedarf es gewichtiger Gründe.
Der Beschluss des LAG Niedersachsen unterstreicht, dass Arbeitszeitbetrug auch für ein Betriebsratsmitglied schwerwiegende arbeitsrechtliche Konsequenzen haben kann, allerdings muss der Arbeitgeber klare Beweise für die Tat liefern. Während ihrer Arbeitszeit dürfen auch freigestellte Betriebsratsmitglieder nur Tätigkeiten ausüben, die objektiv notwendig für die Betriebsratsarbeit sind, oder müssen sich für diese bereithalten. Das unberechtigte Verlassen des Betriebs stellt eine Verletzung ihrer gesetzlichen und arbeitsvertraglichen Pflichten dar und kann einen Arbeitszeitbetrug rechtfertigen. Schwierigkeiten ergeben sich in der betrieblichen Praxis oft bei mobilem Arbeiten. Solches muss letztlich auch freigestellten Betriebsratsmitglieder möglich sein, wobei es gleichfalls nicht als Vorwand für private Aktivitäten genutzt werden darf. Arbeitgeber sollten daher besonders sorgfältig vorgehen, wenn sie Arbeitszeitverstöße von Betriebsratsmitgliedern ahnden möchten. Wichtig ist, dass ein fundierter Nachweis für den Betrug vorliegt, bevor arbeitsrechtliche Schritte eingeleitet werden.
Alexandra Groth
1.6 Der Ausschluss in passiver Altersteilzeit Beschäftigter von der Inflationsausgleichsprämie kann unwirksam sein
Seit ihrer Einführung im Oktober 2022 haben viele Arbeitgeber ihren Beschäftigten die Inflationsausgleichsprämie i. H. v. 3.000 Euro gezahlt. Naturgemäß sehen sich vor allem diejenigen Arbeitnehmer benachteiligt, die von dieser Leistung ausgeschlossen werden. Im Falle des in passiver Altersteilzeit befindlichen Klägers (teilweise) zu Recht, wie das LAG Düsseldorf in seinem Urteil vom 19.07.2024 – 7 Sa 1186/23 entschied.
Die Beklagte veröffentlichte im Dezember 2022 ein Informationsschreiben, in dem sie die Zahlung der Inflationsausgleichsprämie an alle Beschäftigten ankündigte, die „am 01.12.2022 in einem ungekündigten Beschäftigungsverhältnis stehen und auch an mindestens einem Tag zwischen dem 01.01.2022 und dem 30.11.2022 Anspruch auf Entgelt hatten.“ Außerdem erfolgte die Auszahlung für Teilzeitbeschäftigte entsprechend dem Beschäftigungsumfang. Von der Leistung ausgenommen waren unter anderem Beschäftigte, die sich am Stichtag in passiver Altersteilzeit befanden. Der Kläger arbeitete bis Ende August 2022 in der aktiven Phase der Altersteilzeit im Umfang von 50% und befand sich ab dem Folgemonat in passiver Altersteilzeit. Eine Inflationsausgleichsprämie wurde ihm nicht ausgezahlt. Diese klagte er ein, zuletzt in Höhe von 1.500 Euro.
Das LAG Düsseldorf bewertet das Informationsschreiben als Gesamtzusage, die anders als eine Betriebsvereinbarung gerade nicht von der AGB-Kontrolle nach § 310 Abs. 4 S. 3 BGB ausgeschlossen sei. Der Ausschluss jener Beschäftigten, die sich zum Stichtag in passiver Altersteilzeit befanden, sei eine unangemessene Benachteiligung i.S.v. § 307 Abs. 1 S. 1 BGB. Denn die Stichtagsregelung entziehe den Beschäftigten bereits erarbeitetes Entgelt und stehe somit im Widerspruch zum Grundgedanken des § 611a BGB.
Diese Bewertung einer Stichtagsregelung für Zahlungen mit Vergütungscharakter entspricht gefestigter Rechtsprechung des BAG und überrascht daher nicht. Interessant ist in diesem Zusammenhang jedoch, wie das LAG Düsseldorf zur Annahme gelangt, die Inflationsausgleichsprämie habe im vorliegenden Fall „zumindest auch“ Vergütungscharakter. Die Absicht des Arbeitgebers, die Inflationsausgleichsprämie auch als Belohnung der Arbeitsleistung zu zahlen, ergebe sich aus der Auslegung des Informationsschreibens. So sei insbesondere die anteilige Zahlung für Teilzeitbeschäftigte ein gewichtiges Indiz für den Vergütungscharakter, wie es auch der regelmäßigen Rechtsprechung des 10. Senats des BAG entspräche. Konsequenterweise sprach das LAG Düsseldorf dem Kläger im Ergebnis mit 1.000 Euro einen Teil der Inflationsausgleichsprämie zu, da dieser bei der Beklagten nur im Zeitraum von zwei Dritteln des Jahres in 50-prozentiger Teilzeit Arbeitsleistungen erbrachte. Allerdings hält der 9. Senat des BAG mit Urt. v. 25.07.2023 – 9 AZR 332/22 die anteilige Auszahlung für Teilzeitbeschäftigte für eine bloße Auszahlungsmodalität ohne Indizwirkung. Aufgrund der Uneinigkeit in der Spruchpraxis der verschiedenen BAG-Senate sah sich das LAG veranlasst, die Revision zur finalen Klärung dieser Rechtsfrage zuzulassen.
Das Urteil verdeutlicht: Nicht nur die Inflationsausgleichsprämie, sondern Entgeltzusagen jeglicher Art sind gründlich zu prüfen, zumal je nach Regelungsform (Gesamtzusage, Betriebsvereinbarung oder Tarifvertrag) die Anforderungen variieren. Der vorliegende Fall zeigt, dass vermeintlich harmlose Regelungen wie die anteilige Berücksichtigung von Teilzeitbeschäftigten unerwünschte Folgen nach sich ziehen können.
Roman Braun
1.7 Überstundenzuschläge – keine Benachteiligung für Teilzeitbeschäftigte
Ein Anspruch auf Überstundenvergütung darf nur von der Überschreitung der individuellen Arbeitszeit abhängig sein, nicht jedoch von der Überschreitung der (teils deutlich) höheren Vollzeitarbeitszeit. Ein Tarifvertrag, der Überstundenzuschläge nur für die Arbeitsstunden vorsieht, die über die Vollzeitarbeitszeit hinausgehen, verstößt gegen die EU-Teilzeit Richtlinie. Das hat der EuGH mit Urteil vom 29. Juli 2024 – C‑184/22 und C‑185/22 klargestellt.
Der gegenständliche Firmentarifvertrag mit Ver.di sah eine regelmäßige Vollzeitbeschäftigung mit 38,5 h pro Woche vor. Der Überstundenzuschlag in Höhe von 30% sollte für Arbeitsstunden gezahlt werden, die über die kalendermonatliche Arbeitszeit eines Vollzeitbeschäftigten hinaus geleistet werden. Die beiden Klägerinnen arbeiten in Teilzeit von jeweils 40% und 80% und verlangten die Zuschläge für ihre geleisteten Überstunden sowie eine Entschädigung nach § 15 Abs. 2 des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes (GG) wegen unzulässiger Diskriminierung aufgrund ihres Geschlechts.
Das BAG hatte die Rechtsfragen dem EuGH vorgelegt. Der EuGH bestätigte die Position der Klägerinnen: Die Festlegung einer einheitlichen Mindestgrenze für Überstundenzuschläge stellte eine höhere Belastung für Teilzeitbeschäftigte dar. Die Regelung könne außerdem dazu führen, dass Arbeitgeber Überstunden eher bei Teilzeitbeschäftigten anordneten, um eine frühere Zahlung von Überstundenzuschlägen zu umgehen.
Insbesondere rechtfertige das Ziel, eine Benachteiligung von Vollzeitbeschäftigten zu verhindert, nicht die Diskriminierung von Teilzeitbeschäftigten. Das BAG hatte in seiner Vorlage dargelegt, Vollzeitbeschäftigte könnten schlechter gestellt werden, wenn Teilzeitbeschäftigten bereits ab der ersten Überstunde ein Zuschlag gewährt würde, die bei Vollzeitbeschäftigten als reguläre Arbeitsstunde gelte. Dem erteilte der EuGH eine klare Absage.
Besondere Aufmerksamkeit wird das BAG den Ausführungen des EuGHs zu mittelbaren Diskriminierung auf Grund des Geschlechts schenken müssen: Wie bereits zuvor hatte der EuGH eine mittelbare Diskriminierung darauf gestützt, dass mehr Frauen in Teilzeit arbeiteten. Dabei stellt der EuGH nur darauf ab, dass unter den Teilzeitbeschäftigten mehr Frauen als Männer seien. Dass im beklagten Betrieb auch unter den Vollzeitbeschäftigten mehr Frauen als Männer seien, sei dagegen nicht relevant. Es reiche aus, dass die Regelung innerhalb der Gruppe von Teilzeitbeschäftigten faktisch zu Lasten von Frauen wirke. Dies setzt die Voraussetzungen für eine mittelbare Diskriminierung aufgrund des Geschlechts weiter herab.
Die Entscheidung des EuGHs war nicht überraschend, sondern eine Fortführung der Rechtsprechung vom 19.10.2023 – Az. C-660/20 zu Teilzeit-Piloten der Lufthansa. Im jetzigen Urteil verschärft der EuGH seine Rechtsprechung, unter welchen Zielen solche Regelungen jedenfalls nicht rechtmäßig sein können. Damit wird sich das BAG in seiner Entscheidung genauer auseinandersetzen müssen.
Vergütungsregelungen für Überstunden sollten daher auf eine mögliche Benachteiligung und mittelbare Geschlechtsdiskriminierung überprüft und gegebenenfalls angepasst werden.
Fatoumata Kaba
1.8 Betriebliche Altersversorgung – Abweichungen bei der Entgeltumwandlung mittels Tariföffnung?
Das Betriebsrentengesetz („BetrAVG“) lässt nur ausnahmsweise abweichende Regelungen zu, wenn diese nicht ausschließlich zu Gunsten der Beschäftigten ausfallen. Ausnahmen sind nach der Tariföffnungsklausel in § 19 Abs. 1 BetrAVG zulässig. Ob diese Ausnahme Tarifverträge erfasst, die zeitlich vor Inkrafttreten der gesetzlichen Tariföffnungsklausel geschlossen worden sind, hat das BAG – ausweislich der bislang vorliegenden Pressemitteilung – für abweichende Regelungen zum Arbeitgeberzuschuss bei Entgeltumwandlung in „Alt-Tarifverträgen“ nun bejaht (Urteil vom 20.8.2024 – 3 AZR 285/23).
Der Kläger begehrte von der Beklagten im Rahmen der betrieblichen Altersversorgung mittels Entgeltumwandlung die Gewährung eines Arbeitgeberzuschusses i.H.v. 15% auf das von ihm umgewandelte Entgelt nach § 1a Abs. 1a BetrAVG. Der auf das Arbeitsverhältnis kraft beidseitiger Tarifbindung anwendbare Tarifvertrag zur betrieblichen Altersversorgung vom 09.12.2008 regelte im Falle der Entgeltumwandlung indes bereits einen „zusätzlichen“ Arbeitgeberbeitrag i.H.v. 25% des tariflichen Ecklohns für Facharbeiter. Nachdem die Vorinstanzen die Klage abgewiesen hatten, war durch das BAG nunmehr zu klären, ob ein Tarifvertrag aus dem Jahr 2008 eine von dem gesetzlichen Arbeitgeberzuschuss abweichende Regelung treffen kann, wenngleich die derartige Abweichungen erlaubende Tariföffnungsklausel in § 19 Abs. 1 BetrAVG erst mit Wirkung zum 1.1.2018 in Kraft getreten ist.
Das BAG hat sich den Vorinstanzen angeschlossen, so dass die klägerische Revision keinen Erfolg hatte. Aufgrund der vorstehend skizzierten unterschiedlichen Zeitpunkte des Inkrafttretens der streitentscheidenden Normen hat der 3. Senat des BAG die tarifliche Öffnungsklausel des § 19 Abs. 1 BetrAVG ausgelegt. Danach enthalte der Wortlaut der Tariföffnungsklausel keine dahingehende zeitliche Einschränkung, dass mit zuvor abgeschlossenen Tarifverträgen nicht von der gesetzlichen Regelung zum Arbeitgeberzuschuss abgewichen werden könne. Der Gesetzgeber habe in dem Bewusstsein, dass Entgeltumwandlungen auf tariflicher Grundlage schon vor Inkrafttreten der Tariföffnungsklausel in § 19 Abs. 1 BetrAVG umfangreich praktiziert worden seien, keine Anforderung an den Zeitpunkt des Tarifvertragsschlusses normiert.
Die Entscheidung des BAG ist äußerst erfreulich, da sie – soweit derzeit ersichtlich – Rechtsklarheit für eine Vielzahl von Altfällen schafft. Insoweit können aller Voraussicht nach die tarifgebundenen (§ 19 Abs. 1 BetrAVG) und die einvernehmlich tarifanwendenden (§ 19 Abs. 2 BetrAVG) Unternehmen aufatmen, die ohnehin mittels Tarifvertrags Arbeitgeberzuschüsse zur Entgeltumwandlung gewähren. Gleichwohl ist abzuwarten, ob und welche Anforderungen das BAG in den Entscheidungsgründen an „Alt-Tarifverträge“ stellt.
Moritz Coché
1.9 Keine Bindungswirkung einer Statusfeststellung bei Betriebsübergang
Eine sozialversicherungsrechtliche Statusfeststellung, nach der eine selbständige Tätigkeit beschieden wird, wirkt nach einem Betriebsübergang auf einen neuen Arbeitgeber nicht über § 613a BGB weiter. Dies entschied jüngst das LSG Bayern mit Urteil vom 22.08.2024 (Az. L 7 BA 114/23).
Ein Statusfeststellungsverfahren wird regelmäßig dann durchgeführt, wenn es Unsicherheiten darüber gibt, ob eine Person selbstständig oder abhängig beschäftigt ist. Dies kann z.B. bei Freelancern der Fall sein. Wird im Rahmen eines solchen Verfahrens das Vorliegen einer selbständigen Tätigkeit bescheinigt, können sich Erwerber im Rahmen eines Betriebsübergangs nicht auf diesen Bescheid berufen.
Im vorliegenden Fall war der Kläger von 2008 bis 2014 gemeinsam mit seinem Vater Gesellschafter einer GbR. Gegenstand des Unternehmens war und ist der Betrieb einer Gastwirtschaft, einer Metzgerei sowie eines Hotels. Die Ehefrau des Klägers war im Betrieb ebenfalls tätig. Mit Bescheid von März 2011 stellte die BKK24 gegenüber der Ehefrau fest, dass für ihre Tätigkeit bei der GbR ab dem 01.03.2011 keine Versicherungspflicht zur Sozialversicherung bestehe. Nachdem der Vater des Klägers aus der GbR ausschied, führte der Kläger den bestehenden Betrieb als Einzelfirma fort, in der dessen Ehefrau weiter tätig blieb. Im Rahmen einer späteren Betriebsprüfung äußerte sich die Ehefrau dahingehend, sie arbeite seit dem 01.01.2015 sieben Tage die Woche im Betrieb ihres Mannes mit und erhalte hierfür ein Entgelt von 2.500 Euro brutto. Sie leite den Hotelbereich, führe das Personal, koche und sei in der Verwaltung der Metzgerei tätig. Sie sei dem Betriebsinhaber gleichgestellt; sie treffe Personalentscheidungen eigenverantwortlich und habe eine Kontovollmacht. Sie sei nicht an Weisungen gebunden und könne ihre Tätigkeit frei gestalten. Für die Rentenversicherung überwogen jedoch die Merkmale für eine abhängige Beschäftigung, so dass diese eine Nachforderung an Sozialversicherungsbeiträgen i. H. v. rund 50.000 Euro für den noch nicht verjährten Zeitraum erhob. Hiergegen setzte sich der Kläger in erster Instanz erfolgreich zur Wehr. Das LSG Bayern hob das klagestattgebende Urteil auf und wies die Klage ab.
Zentrale Rechtsfrage des Verfahrens war, ob der Einstufung der Ehefrau des Klägers als abhängig Beschäftigte der Bescheid der BKK24 entgegenstehe. Das LSG Bayern lehnte dies ab. Eine etwaige Bindungswirkung scheitere daran, dass § 613a BGB nur auf Arbeitsverhältnisse anwendbar sei. Dementsprechend habe der Bescheid von 2011 im vorliegenden Fall keine Bindungswirkung über § 613a BGB entfalten können, weshalb der Einstufung der Ehefrau des Klägers als abhängige Beschäftigte keine durchgreifenden Einwände entgegenstünden.
Für die Praxis bedeutet die Entscheidung, dass sich Arbeitgeber im Zusammenhang mit Betriebsübergängen auf einer einmal erfolgten Statusfeststellung von im Betrieb tätigen Personen als selbstständig Tätige nicht ausruhen können. Vielmehr ist eine erneute Überprüfung geboten. Vor dem Hintergrund, dass sich die Deutsche Rentenversicherung (DRV) ab dem Jahr 2025 für die Betriebsprüfung des KI-Tools KIRA bedienen möchte und daher eine erhöhte Aufdeckungswahrscheinlichkeit von Scheinselbstständigkeit zu erwarten steht, sollten Unternehmen ihre bestehenden Compliance-Systeme insoweit nachjustieren.
Isabel Hexel
1.10 Kein Auskunftsanspruch des Betriebsrats über Auflösung von Tarifkollisionen
Das BAG (Beschluss vom 30.04.2024 – 1 ABR 10/23) erteilt dem Anspruch des Betriebsrats auf Auskunft über gewerkschaftliche Mehrheitsverhältnisse im Betrieb eine Absage und betont die Grenzen der Überwachungsaufgabe des Betriebsrats.
Die Arbeitgeberin, ein Tochterunternehmen der Deutschen Bahn AG, ist Mitglied in einem Arbeitgeberverband, der mit verschiedenen Gewerkschaften zahlreiche Tarifverträge abgeschlossen hatte, darunter zuletzt auch einen Rahmentarifvertrag.
Bereits 2021 informierte die Arbeitgeberin den Betriebsrat über eine im Betrieb bestehende Tarifkollision, die nach § 4a Abs. 2 S. 2 TVG dahingehend aufzulösen sei, dass allein Tarifverträge der Mehrheitsgewerkschaft zur Anwendung kämen. Der Betriebsrat beantragte daraufhin bei der Arbeitgeberin die Erteilung von Auskünften über die Tatsachen und die Wertungen, die der Feststellung der Mehrheitsverhältnisse zugrunde gelegt wurden. Als Begründung führte der Betriebsrat an, dass er über die Durchführung der für die Arbeitnehmer geltenden Tarifverträge zu wachen habe. Die Arbeitgeberin verweigerte die Auskunft.
Das BAG schloss sich den Vorinstanzen an und wies die Rechtsbeschwerde des Betriebsrats als unbegründet zurück. Die Einhaltung des § 4a Abs. 2 S. 2 TVG stelle keine betriebsverfassungsrechtliche Aufgabe dar. Die Vorschrift bezwecke nicht den im Rahmen von § 80 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG erforderlichen Schutz des Arbeitnehmers, sondern diene der Gewährleistung der „Funktionsfähigkeit der Tarifautonomie“ durch die Auflösung von Tarifkollisionen und somit der Schaffung von Rechtssicherheit für den tarifgebundenen Arbeitgeber (BT-Drs. 18/4062, S. 8).
Soweit der Betriebsrat geltend gemacht habe, dass er die verlangten Informationen benötige, um die Durchführung der geltenden Tarifverträge im Betrieb zu überwachen, fehle es darüber hinaus an der zur ordnungsgemäßen Überwachung notwendigen Erforderlichkeit der verlangten Information. Nach § 4a Abs. 2 S. 2 TVG finde der Tarifvertrag derjenigen Gewerkschaft Anwendung, die „zum Zeitpunkt des Abschlusses des zuletzt abgeschlossenen kollidierenden Tarifvertrags im Betrieb die meisten in einem Arbeitsverhältnis stehenden Mitglieder hat“. Maßgebend sei danach der Zeitpunkt, in dem der Tarifvertrag schriftlich abgeschlossen werde (vgl. auch BT-Drs. 18/4062, S. 13). Vorliegend seien die verlangten Mehrheitsverhältnisse aufgrund mindestens eines zu einem späteren Zeitpunkt abgeschlossenen Tarifvertrags aufgrund Zeitablaufs nicht mehr erforderlich. Einen vergangenheitsbezogenen Anspruch gewähre § 80 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG hingegen nicht.
Das BAG setzt klare Grenzen für die vergangenheitsbezogene Auskunft über gewerkschaftliche Mehrheitsverhältnisse im Betrieb. Allerdings bleibt für Betriebsräte ein „Schlupfloch“: Der Betriebsrat kann im Rahmen der Mitbestimmung nach § 99 BetrVG über die beabsichtigte Eingruppierung Informationen über im Betrieb geltende Vergütungsordnungen verlangen (vgl. BAG, Beschl. v. 27.6.2000 – 1 ABR 36/99). Dies umfasst auch Informationen über die Auflösung einer Tarifkollision, da es für die ordnungsgemäße Eingruppierung auf die Anwendung des „richtigen“ Tarifvertrags ankommt.
Marko Vraetz
1.11 Der ordentliche Schreibtisch und das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats
Zukunft vs. Vergangenheit – Muss auch bei digitaler Durchführung des Bewerbungsverfahrens ein Ausdruck der Unterlagen für den Betriebsrat erfolgen? Das hatte das BAG jüngst im Beschluss vom 13.12.2023 – 1 ABR 28/22 zu entscheiden. Es entschied sich dabei für eine zukunftsfähige Lösung: eine Einsicht in ein IT-Tool ist ausreichend, um die Unterrichtungspflicht des § 99 Abs. 1 BetrVG zu erfüllen.
Das BAG hatte sich in der Auseinandersetzung zwischen Unternehmen und Betriebsrat damit zu beschäftigen, wie der Betriebsrat bei personellen Maßnahmen nach § 99 Abs. 1 BetrVG zu beteiligen ist. Nach § 99 BetrVG muss das Unternehmen den Betriebsrat vor jeder Einstellung unterrichten und diesem insbesondere die erforderlichen Bewerbungsunterlagen vorlegen.
Im konkreten Fall stellte sich zunächst die Frage, ob im Zuge einer Einstellung das Unternehmen dem Betriebsrat die Bewerberunterlagen auch mittels eines IT-Tools zur Verfügung stellen kann. Diese Frage bejahte das BAG und bestätigte damit die Vorinstanz (LAG Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 13.10.2022 – 2 TaBV 1/22). Zweck des § 99 Abs. 1 BetrVG sei, dem Betriebsrat die Informationen zu verschaffen, die für eine Prüfung von Zustimmungsverweigerungsgründen erforderlich seien. Das sei auch durch ein uneingeschränktes Zugriffsrecht auf alle digitalisierten Bewerbungsunterlagen und eingepflegten Daten mithilfe der Dienst-Laptops möglich. Besonders wenn der Arbeitgeber selbst nicht über Unterlagen in Papierform verfüge, könne kein Anspruch des Betriebsrats auf Überlassung in Papierform gerechtfertigt werden.
Berücksichtigt man den Umstand, dass in der heutigen Arbeitswelt der Großteil aller Bewerbungen digital eingeht, und viele Unternehmen Bewerbungsmanagement-Tools nutzen, erscheint es richtig, den Unternehmen die Möglichkeit zu eröffnen, den Betriebsrat mittels eines digitalen Bewerbungsmanagement-Tools zu beteiligen. Dies gilt umso mehr, wenn man berücksichtigt, dass nach der Rechtsprechung des BAG das Unternehmen nicht nur über die Person des Bewerbers, die eingestellt werden soll, Auskunft geben muss, sondern auch über diejenigen Bewerber, die nicht berücksichtig wurden. Die vorstehenden Erwägungen gelten jedenfalls dann, wenn der Betriebsrat die Möglichkeit hat, auf die entsprechenden Unterlagen zuzugreifen. Hierfür muss der Betriebsrat insbesondere mit den nötigen technischen Mitteln ausgestattet sein.
Die Entscheidung ist gleichfalls für die Unterrichtung der Schwerbehindertenvertretung nach § 178 Abs. 2 SGB IX maßgeblich, auch wenn dieses nicht Gegenstand des Verfahrens war. Das Beteiligungsrecht der Schwerbehindertenvertretung bei Einstellungen geht gleichfalls auf eine Unterrichtung, so dass Arbeitgeber unter Berücksichtigung der vorliegenden Entscheidung mit der Einrichtung der Möglichkeit des Zugriffs der Unterrichtungspflicht nach § 178 SGB Abs. 2 SGB IX nachkommen können.
Kathrin Vossen
2. Neue Gesetzgebung
2.1 Wachstumschancengesetz – Änderung Fünftelregelung
Mit dem Wachstumschancengesetz sollen aus steuerlicher Sicht die Rahmenbedingungen für mehr Wachstum, Investitionen und Innovationen durch zielgerichtete Maßnahmen umgesetzt werden.
Aus arbeitsrechtlicher Sicht relevant sind für Unternehmen hierbei die Änderungen zur sog. Fünftelregelung (vgl. § 34 Abs. 1 i.V.m. Abs. 2 Nr. 4 EStG), die ab dem 01.01.2025 greifen.
Nach der bisherigen Gesetzeslage hatten die Unternehmen für bestimmte Arbeitslöhne (insbesondere Entschädigungen und Abfindungen) im Lohnsteuerabzugsverfahren die Fünftelregelung zu berücksichtigen.
Mit Wirkung zum 01.01.2025 entfallen die Regelungen nach § 39b Abs. 3 S. 9 und 10 EStG und damit die Pflicht zur Anwendung der Fünftelregelung im Lohnsteuerabzugsverfahren. Für Unternehmen verbleibt es jedoch – auch wenn der Gesetzeswortlaut insoweit nicht eindeutig ist – dabei, die Tarifermäßigung des § 34 Abs. 1 EStG für die in Frage kommenden Arbeitslöhne gesondert ausweisen (vgl. § 41b Abs. 1 S. 2 Nr. 3 EStG).
Die Beschäftigten können zukünftig – wie auch bisher - die Anwendung der Fünftelregelung bei der Veranlagung zur Einkommensteuer durch Abgabe einer Einkommensteuererklärung geltend machen.
Die Fünftelregelung ist in der arbeitsrechtlichen Praxis in vielen Fällen relevant. Insbesondere bei Entschädigungen, Abfindungen sowie Vergütungen aus Long Termin Incentive-Plänen kommt diese zur Anwendung.
Für die Praxis gilt damit ab dem 01.01.2025 im Wesentlichen, dass eine Verpflichtung zur Anwendung der Fünftelregelung nicht mehr zu vereinbaren ist. Entsprechende Regelungen, die auch häufig in Sozialplänen zu finden sind, sollten nicht mehr verhandelt werden. Unternehmen sollten auch etwaige Verpflichtungen in Long Termin Incentive-Plänen prüfen und ggf. anpassen.
Jörn Kuhn
2.2 Hubertus Heil legt Entwurf eines neuen Tariftreuegesetzes vor
Bundesarbeitsminister Hubertus Heil hat jüngst einen Entwurf zum geplanten Tariftreuegesetz vorgelegt. Ziel des Gesetzentwurfs ist, dass öffentliche Aufträge vom Bund künftig nur noch an Auftragnehmer gehen, die sich an die Tarifverträge ihrer Branche halten. Dies soll auch für unterbeauftragte Sub - und Verleihunternehmen gelten. Mit dem Gesetzesentwurf soll die Tarifbindung wieder gestärkt werden, die in den vergangenen Jahren deutlich abgenommen hat. Laut dem Entwurf sollen Bundesauftraggeber bei der Kontrolle der Einhaltung der Tarifvertragsbedingungen künftig von einer neu einzurichtenden „Prüfstelle Bundestariftreue“ unterstützt werden, die bei der Deutschen Rentenversicherung Knappschaft-Bahn-See angesiedelt werden soll. Im Fall von Verstößen drohen neben der außerordentlichen Kündigung der Auftragsbeziehung auch der Ausschluss von öffentlichen Vergabeverfahren.
Der Gesetzentwurf enthält darüber hinaus ein digitales Zugangsrecht der Gewerkschaften zum Betrieb. Enthalten ist u.a. eine Regelung, die vorsieht, dass der Arbeitgeber Zugang zu bestehenden digitalen Kommunikationskanälen gewähren die betrieblichen E-Mail-Adressen an die Gewerkschaft herausgeben muss.
Ferner werden die Möglichkeiten der Tarifflucht bei Umstrukturierungen im Konzern eingeschränkt, indem die in § 3 Abs. 3 TVG geregelte Nachbindung ausgeweitet wird. Künftig soll ein Tarifvertrag beim Erwerber weiterhin normativ gelten, wenn ein Betrieb eines tarifgebundenen Unternehmens innerhalb eines Konzerns auf ein anderes Konzernunternehmen, das nicht an denselben Tarifvertrag gebunden ist, übergeht.
Isabel Hexel
2.3 Zukunftsfinanzierungsgesetz II – Kündigungsschutz in der Finanzbranche
Der Referentenentwurf zum Zukunftsfinanzierungsgesetz II des Bundesministeriums für Finanzen vom 27.08.2024 bringt nicht nur eine Vielzahl steuerrechtlicher Themen mit sich, sondern hat auch einen arbeitsrechtlichen Effekt. Konkret geht es um die Lockerung des Kündigungsschutzes im Finanzsektor.
Nachdem bereits 2019 für die Risikoträger bedeutender Kreditinstitute mit der Einführung von § 25a Abs. 5a Kreditwesensgesetz der Kündigungsschutz gelockert wurde, sieht das Zukunftsfinanzierungsgesetz eine deutliche Ausweitung vor. Die bestehenden Regelungen für Risikoträger in systemrelevanten Banken werden auf nicht-systemrelevante Banken sowie Versicherungen, Wertpapierinstitute und Kapitalanlagegesellschaften ausgeweitet. In der konkreten Umsetzung soll der zukünftig erfasste Personenkreis wie leitenden Angestellte behandelt werden. Die Unternehmen können dann im Falle, dass eine Kündigung sozial ungerechtfertigt wäre, einen gerichtlichen Auflösungsantrag stellen.
Zu beachten ist, dass die beabsichtigten Regelungen neben der Funktion der betroffenen Person auch an die Einkommen geknüpft sind. Bei geringem Einkommen bleibt es dann bei den allgemeinen Regelungen des Kündigungsschutzes.
Die aktuelle Regelung des § 25a Abs. 5a KWG lautet wie folgt:
(5a) Auf Risikoträger und Risikoträgerinnen bedeutender Institute, deren jährliche fixe Vergütung das Dreifache der Beitragsbemessungsgrenze in der allgemeinen Rentenversicherung im Sinne des § 159 des Sechsten Buches Sozialgesetzbuch überschreitet und die keine Geschäftsführer, Betriebsleiter und ähnliche leitende Angestellte sind, die zur selbständigen Einstellung oder Entlassung von Arbeitnehmern berechtigt sind, findet § 9 Absatz 1 Satz 2 des Kündigungsschutzgesetzes mit der Maßgabe Anwendung, dass der Antrag des Arbeitgebers auf Auflösung des Arbeitsverhältnisses keiner Begründung bedarf. § 14 Absatz 1 des Kündigungsschutzgesetzes bleibt unberührt.
Jörn Kuhn
2.4 Wachstumsinitiative – neue wirtschaftliche Dynamik für Deutschland
Am 05.07.2024 hat die Bundesregierung die sog. Wachstumsinitiative beschlossen. Sie umfasst insgesamt 49 wirtschaftspolitische Maßnahmen zur Stärkung der deutschen Wirtschaft, darunter neun mit arbeits- und sozialrechtlichem Bezug. Ein wesentliches Ziel der Wachstumsinitiative ist, dem Rückgang des Arbeitskräfteangebots zu begegnen, der durch die Renteneintritte der geburtenstarken Jahrgänge 1955-1964 bedingt ist. Hierzu soll insbesondere an drei Stellschrauben angesetzt werden:
- Bestehende Erwerbstätigkeit soll ausgeweitet werden, indem Mehrarbeit erleichtert und angemessen vergütet wird. Hierzu soll für eine auf Tarifvertrag oder Betriebsvereinbarung fußende Möglichkeit zur Abweichung von derzeit bestehenden Regelungen des Arbeitszeitgesetzes hinsichtlich der Tageshöchstarbeitszeit geschaffen werden. Daneben sollen Zuschläge des Arbeitgebers für Mehrarbeit, die über die (tariflich-)vertraglich vereinbarte Vollarbeitszeit hinausgeht, steuer- und abgabenfrei gestellt werden. Dies betrifft auch Prämien, die Arbeitgeber für die Ausweitung der Arbeitszeit von Teilzeitbeschäftigten zahlen. Abgerundet werden soll das Paket durch die Evaluierung der während der Corona-Pandemie eingeführten Sonderregelungen zur telefonischen Krankschreibung, da die Bundesregierung hier offenbar eine Korrelation zu dem erhöhten Krankenstand sieht.
- Eine weitere Stellschraube ist die Weiterbeschäftigung von Arbeitnehmern über die Regelaltersgrenze hinaus. Dazu möchte die Bundesregierung einerseits Arbeitgebern die Weiterbeschäftigung von Rentnern erleichtern, indem für diese Gruppe das befristungsrechtliche „Vorbeschäftigungsverbot“ gemäß § 14 Abs. 2 S. 2 TzBfG stark eingeschränkt werden soll. Das Vorbeschäftigungsverbot soll zukünftig nicht mehr greifen, wenn der Arbeitnehmer einen Anspruch auf eine Altersrente hat und die sachgrundlose Befristung die Gesamtdauer von acht Jahren oder die Anzahl von zwölf Vertragsbefristungen nicht übersteigt.
Zudem will die Bundesregierung als Anreiz zum (Weiter-)Arbeiten nach Erreichen der Regelaltersgrenze die Arbeitgeberbeiträge zur Arbeitslosen- und Rentenversicherung streichen und an den Arbeitnehmer auszahlen; die Arbeitgeberbeiträge zur Rentenversicherung jedoch nur, wenn der Arbeitnehmer sich gegen freiwillige Beiträge in die Rentenversicherung entscheidet.
Schließlich soll die Beschäftigung für Altersrentner durch zusätzliche Vergütungsoptionen attraktiver gestaltet werden: Neben der Möglichkeit, für das Aufschieben des Renteneintritts monatliche Zuschläge auf die künftige Rente zu erhalten, sollen sich Arbeitnehmer zukünftig auch für eine abgabenfreie „Rentenaufschubprämie“ entscheiden können. Der Arbeitnehmer erhält danach eine Einmalzahlung in Höhe der entgangenen Rentenzahlung, die auch seitens der Rentenversicherung eingesparte Beiträge zur Krankenversicherung umfasst.
- Für Aufmerksamkeit sorgt auch eine Maßnahme zur Gewinnung internationaler Arbeitskräfte für den deutschen Arbeitsmarkt. Danach sollen u.a. neu zugewanderte Fachkräfte in den ersten drei Jahren gestaffelt 30, 20 und 10 Prozent vom Bruttolohn steuerfrei stellen können.
Das Maßnahmenpaket der Bundesregierung setzt grundsätzlich an der richtigen Stelle an. In ihrer Gesamtheit bleibt die Absichtserklärung der Bundesregierung – und nur um eine solche handelt es sich hier – zu vage, um ihre Auswirkungen auf den Arbeitsmarkt prognostizieren zu können.
Marko Vraetz
Arbeitsrechtstag bei Oppenhoff am 07.11.2024
Am 7.11.2024 findet von 10.00 Uhr bis 17.00 Uhr der diesjährige Arbeitsrechtstag in unserem Büro in Köln statt. Die Veranstaltung wird auch in diesem Jahr wieder hybrid durchgeführt, daher besteht auch die Möglichkeit einer Online-Teilnahme.
Wir werden das Thema Internal Investigations behandeln und dabei insbesondere die technischen Möglichkeiten und arbeitsrechtlichen Fallstricke bei der Aufklärung von unternehmensbezogenen Rechtsverstößen erläutern. Die Mitbestimmungsrechte des Betriebsrates bei der Einführung von KI- und Cybersecurity-Tools beleuchten wir anschließend anhand von konkreten Praxisbeispielen. Der Entgelttransparenz-Richtlinie der EU und dem daraus folgenden Handlungsbedarf für Arbeitgeber widmen wir einen weiteren Schwerpunkt. Der gewohnte Überblick über die aktuelle arbeitsgerichtliche Rechtsprechung und relevante Gesetzgebung rundet den Arbeitsrechtstag bei Oppenhoff ab.
Wir würden uns freuen, Sie an diesem Tag zu interessanten Vorträgen und lebhaften Diskussionen begrüßen zu dürfen.
Infos und Anmeldung finden Sie hier.
Anja Dombrowsky
PartnerinRechtsanwältin
OpernTurm
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