16.04.2020 Pressemitteilungen

Fachmessen, Kongresse und berufliche Veranstaltungen – worauf müssen Veranstalter in der Corona-Krise achten?

(Stand: 16. April)

Der Veranstaltungsbereich ist durch das Coronavirus und die behördlichen Veranstaltungsverbote hart getroffen. Ab wann und in welchem Umfang der Betrieb wiederaufgenommen werden kann, lässt sich kaum prognostizieren. Veranstalter müssen auf unsicherer Faktenbasis Entscheidungen über das Schicksal geplanter Veranstaltungen treffen, oft mit weitreichenden wirtschaftlichen Konsequenzen. Die von der Bundesregierung angedachte „Gutscheinlösung“ wird nur eingeschränkt Erleichterung bringen. Für Veranstaltungen im beruflichen Kontext und mit einem Fachpublikum gelten sie nicht. Hier sind folgende rechtliche Grundlagen entscheidend. 

 

1. Weichenstellung: absolutes oder relatives Fixgeschäft?

Ausgangspunkt ist die Einordnung des Veranstaltungsvertrags als absolutes oder relatives Fixgeschäft. Ist der Termin so wesentlich, dass die Leistung zu einem späteren Zeitpunkt nicht mehr erbracht werden kann, handelt es sich um ein absolutes Fixgeschäft. Bei einem relativen Fixgeschäft kann der Vertragszweck auch bei verspäteter Leistungserbringung noch erfüllt werden.

Der Stellenwert des Veranstaltungstermins ist einzelfallbezogen zu beurteilen. Ein hoher Investitionsaufwand kann ebenso für ein absolutes Fixgeschäft sprechen, wie eine langfristige Planung, eine intensive Koordination zwischen Veranstalter und (einer Vielzahl von) Mitwirkenden oder ein saisonaler Anlass. Weitere Kriterien können die Internationalität der Veranstaltung, ihrer Mitwirkenden und Besucher sein. Internationale Fachmessen werden deshalb eher absolute Fixgeschäfte sein als etwa regionale Seminare.

2. Behördliche Veranstaltungsverbote

Mindestens bis zum 3. Mai 2020 bleiben Veranstaltungen aufgrund des bundesweiten Kontaktverbotes behördlich untersagt, von den Ländern noch zu definierende Großveranstaltungen sogar zunächst bis zum 31. August 2020. Da Veranstaltungen bei Einordnung als absolutes Fixgeschäft nicht nachgeholt werden können, tritt rechtliche Unmöglichkeit ein (§ 275 Abs. 1 BGB). Der Veranstalter muss seine Leistung nicht erbringen, aber bereits gezahlte Ticketpreise zurückerstatten (vgl. § 326 Abs. 1 BGB). Da er die Absage nicht zu vertreten hat, trifft ihn jedoch keine Schadensersatzpflicht. Etwaige Aufwendungen im Zusammenhang mit der Veranstaltung müssen beispielsweise Messebesucher oder Seminarteilnehmer deshalb selbst tragen, wenn sie diese nicht als Teil eines Pakets beim Veranstalter miterworben haben.

Ist die Veranstaltung ein relatives Fixgeschäft, bleibt die Leistung auch dann möglich, wenn sie nicht an dem geplanten Termin stattfinden kann. Ein behördliches Verbot wird allerdings regelmäßig eine schwerwiegende Veränderung der Umstände nach Vertragsschluss sein, und damit eine Störung der Geschäftsgrundlage (§ 313 BGB). Sie berechtigt den Veranstalter in erster Linie zur Anpassung des Vertrages, also idR zur Verschiebung des Veranstaltungstermins. Zurücktreten darf der Veranstalter nur, wenn seine AGB dies vorsehen oder wenn ihm die Verschiebung der Veranstaltung unmöglich oder unzumutbar ist. Tritt der Veranstalter zurück, obwohl diese Voraussetzungen nicht vorliegen, macht er sich schadensersatzpflichtig. Oft kommen auch Vertragsstrafen auf ihn zu.

3. Verschiebungen und Absagen von Veranstaltungen ohne behördliches Verbot

Veranstaltungen, die (derzeit) nach dem 3. Mai 2020 stattfinden sollen und keine Großveranstaltungen sind, dürfen grundsätzlich durchgeführt werden. Auf (rechtliche) Unmöglichkeit können sich Veranstalter insofern nicht berufen. Sieht der Veranstaltungsvertrag keine Sonderregelungen vor, stehen dem Veranstalter unabhängig von der Art des Fixgeschäfts Rechte zur Anpassung oder Absage der Veranstaltung lediglich nach den Grundsätzen über die Störung der Geschäftsgrundlage zu.

Ob auch ohne behördliches Verbot die Geschäftsgrundlage gestört ist, lässt sich schwer beurteilen. Die Abwägungs- und Entscheidungsgrundlage ist unklar, weil noch nicht bekannt ist, wie die Lockerungen der Kontaktverbote im Veranstaltungsbereich konkret aussehen werden und wann sie dort „ankommen“. Die Interessenabwägung wird umso unsicherer, je weiter der Termin in der Zukunft liegt. Veranstalter stecken in einem Dilemma: sollen sie die zur planmäßigen Durchführung notwendigen Investitionen noch tätigen und damit ihr wirtschaftliches Risiko vergrößern? Oder sollen sie die Veranstaltung verschieben oder gar absagen, damit sich ihr Schaden „wenigstens“ auf anfallende Stornogebühren beschränkt?

Pauschale Antworten kann es auf diese Fragen nicht geben. Das Ansteckungsrisiko ist weiterhin hoch und Kontaktbeschränkungen werden bestehen bleiben. Veranstaltungen werden auch ohne flächendeckende Verbote nur mit erheblichen Einschränkungen und Auflagen möglich sein. Hier liegt eine Störung der Geschäftsgrundlage nahe, die eine Vertragsanpassung, etwa eine Reduzierung der Teilnehmerzahl bei Einhaltung von Hygienemaßnahmen, ermöglicht. Kommt das nicht in Betracht, kann eine Absage gerechtfertigt sein. Entscheidungshilfe können für den gleichen Zeitraum geplante Veranstaltungen insbesondere desselben Typs sein.

4. Fazit und Handlungsempfehlungen

Das behördliche Verbot schafft klare Fakten. Eine Absage der Veranstaltung ist aber nur bei absoluten Fixgeschäften gerechtfertigt. Sie sollte angesichts der oft unsicheren Einordnung des Veranstaltungsvertrages wohl überlegt sein, zumal beim relativen Fixgeschäft der Veranstalter die Unmöglichkeit bzw. Unzumutbarkeit der Verschiebung darzulegen hat. Um Auseinandersetzungen zu vermeiden, empfiehlt sich eine Abstimmung des Vorgehens zwischen Fachveranstalter und Vertragspartnern, z.B. Messebauern und Caterern. Sie sollten insbesondere bei kurz- bis mittelfristigen Veranstaltungen frühzeitig in Kontakt treten und Lösungen suchen. Das gilt vor allem mit Blick auf die schwierige Frage, (ab) wann eine Störung der Geschäftsgrundlage vorliegt.

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Dr. Anna-Gesine Köpp

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