Energie und Infrastruktur, NachhaltigkeitBank- und Kapitalmarktrecht, Finanzierungen / Energiewirtschaftsrecht / Compliance & Internal Investigations / Öffentliches Wirtschaftsrecht / Mergers & Acquisitions06.03.2025 Newsletter
EU-Kommission veröffentlicht Clean Industrial Deal
Die EU-Kommission hat am 26. Februar 2025 ihre Strategie zur Dekarbonisierung der europäischen Wirtschaft vorgestellt. Anlass hierfür ist die Bewältigung der drei aus EU-Sicht größten Herausforderungen der kommenden Dekaden: die Konsequenzen der Klimakrise, Erhalt und Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit der europäischen Wirtschaft sowie die wirtschaftliche Widerstandsfähigkeit der EU. Im Folgenden stellen wir Ihnen die wichtigsten Aspekte des neuen Strategiepapiers vor.
Ziele des Clean Industrial Deal
Ziel des Clean Industrial Deal sind zum einen bezahlbare Energiepreise (Action Plan Affordable Energy), zum anderen die Wirtschaft der EU-Mitgliedsstaaten bis 2050 vollständig CO2 neutral auszugestalten. Eckpfeiler der Strategie sind innovative, wettbewerbsfähige Hersteller zu fördern, hochwertige Arbeitsplätze zu schaffen und energieintensive Industrien zu unterstützen.
Niedrigere Energiekosten
Ziel der EU-Kommission ist, die Energiekosten für Industrie, Unternehmen und Haushalte zu senken, um die Wettbewerbsfähigkeit zu stärken. Dazu hat sie einen Aktionsplan für erschwingliche Energie vorgelegt. Ein Eckpfeiler dabei ist, die Abhängigkeit der EU von fossilen Energien und von strukturellen Ineffizienzen im Stromsystem zu reduzieren. Der Aktionsplan beinhaltet vor allem, dass es zukünftig deutlich mehr Stromlieferverträge mit Strom aus erneuerbaren Energien, sog. Power Purchase Agreements (PPAs), gibt, sowie von Differenzverträgen, sog. Contracts for Difference (CfDs), also von Finanzprodukten, mittels derer sich Projektentwickler und Anlagenbetreiber einen stabilen Cashflow sichern.
Finanzierung der Energiewende
Für die Realisierung des Deals werden kurzfristig über 100 Milliarden Euro zur Förderung einer umweltfreundlichen Fertigung in der EU mobilisiert. Dazu soll u. a. eine Dekarbonisierungsbank geschaffen werden, mit der technologieneutral und über alle Industriesektoren Projekte zur Verringerung von Kohlenstoffemissionen unterstützt werden. Zunächst sollen 100 Milliarden Euro an Finanzmitteln zur Verfügung gestellt werden. Doch auch langfristig möchte die EU-Kommission weiter Dekarbonisierungsprojekte fördern. So hält sie in ihrem Maßnahmenpapier fest, dass die EU ihre jährlichen Investitionen in den Bereichen Energie, deren industriellen Ausbau und Innovation sowie Verkehrssysteme um rund 480 Milliarden Euro im Vergleich zum vorangegangenen Jahrzehnt erhöhen müssen.
Die Europäische Investitionsbank (EIB) wird den Deal für eine saubere Industrie mit neuen Finanzierungsinstrumente unterstützen. Es ist u. a. ein Paket für den Netzausbau geplant, um den Herstellern von Netzkomponenten Rückbürgschaften in Höhe von mindestens 1,5 Milliarden Euro zu gewähren.
Nachfrage nach sauberen Produkten steigern, Genehmigungen beschleunigen
Auf regulatorischer Ebene plant die EU-Kommission eine breit angelegte Anpassung der bestehenden Vorgaben. So sollen Nachhaltigkeitskriterien bei der Vergabe öffentlicher und privater Aufträge noch stärker in den Vordergrund rücken. Erreicht werden soll dies durch die Einführung von Kriterien wie Nachhaltigkeit, Resilienz und "made in Europe", um die Nachfrage nach in der EU hergestellten sauberen Produkten zu stärken. Für 2026 ist eine umfassende Überarbeitung des regulatorischen Rahmens für das öffentliche Auftragswesen geplant.
Die EU-Kommission strebt ferner eine Verkürzung von Genehmigungszeiten für Vorhaben in den Bereichen Netz, Energiespeicher und erneuerbare Energien an: Das Papier zielt auf konkrete Maßnahmen ab, um Genehmigungen im Zusammenhang mit dem Zugang der Industrie zu Energie und der industriellen Dekarbonisierung zu beschleunigen wie z. B. stillschweigende Genehmigungen oder in Fällen von übergeordnetem öffentlichem Interesse.
Fokusthema grüner Wasserstoff
Ebenso fördert die EU-Kommission den Einsatz von erneuerbarem und kohlenstoffarmem Wasserstoff. Dafür hat die EU-Kommission noch für das erste Quartal 2025 einen delegierten Rechtsakt über kohlenstoffarmen Wasserstoff angekündigt. Ebenso soll eine dritte Aufforderung für Vorschläge im Rahmen der bereits existierenden Wasserstoffbank mit einem Budget von bis zu einer Milliarde Euro veröffentlicht werden, um die EU-Mitgliedstaaten zu ermutigen, die von der Kommission bereitgestellte Plattform für Versteigerungen als Dienstleistung zu nutzen.
Geplante Regelungen zur Kreislaufwirtschaft
Schließlich hat sich die EU-Kommission als Ziel gesetzt, die europäische Kreislaufwirtschaft weiter voranzutreiben. Der für 2026 geplante Rechtsakt soll den freien Verkehr von Kreislaufprodukten, Sekundärrohstoffen und Abfällen fördern, hochwertige Rezyklaten marktgängiger machen und die Nachfrage nach Sekundärrohstoffen und Kreislaufprodukten anregen, während gleichzeitig die Kosten für Ausgangsstoffe gesenkt werden. Eine der Maßnahmen ist eine Überarbeitung der bestehenden Vorschriften für Elektroschrott, um die Rückgewinnung der in ihm enthaltenen wichtigen Rohstoffe zu vereinfachen.
Ausblick
Neben diesen Punkten sieht der Deal noch vieles mehr vor, z. B. den Ausbau verlässlicher globaler Partner für sauberen Handel und Investitionen, die Vereinfachung des CO2-Grenzausgleichssystems (CBAM) oder die Sicherung von qualifizierten Arbeitskräften.
Mit dem Clean Industrial Deal setzt die EU-Kommission ihre Klimapolitik beim Thema CO2-Neutralität der Wirtschaft fort und baut auf einen breit gefächerten Maßnahmenkatalog. Dabei wird die bisherige Strategie stärker mit dem Ziel einer wettbewerbsfähigen europäischen Wirtschaft verzahnt. Während China im Dezember 2024 mit seinem neuen Energiegesetz Kurs Richtung Emissionsfreiheit 2060 gesetzt hat, ist das von der EU formulierte Ziel, bis 2050 die Wirtschaft der EU-Mitgliedsstaaten vollständig CO2 neutral auszugestalten – ein mit Blick auf den European Green Deal aus dem Jahr 2019 konsequenter Schritt.Zugleich schafft der Clean Industrial Deal zahlreiche Anreize für europäische Marktakteure, in emissionsfreie Energieträger und deren Infrastruktur zu investieren. Ob das Maßnahmenpaket die erhofften Effekte erzielen wird, kann nur die Reaktion des Marktes beantworten.