Arbeitsrecht19.02.2021Köln Newsletter

Erst Kurzarbeit, jetzt Prüfungsangst?

Der Vorstandsvorsitzender der Bundesagentur für Arbeit der Bundesagentur für Arbeit, Detlef Scheele, hatte jüngst in einem Zeitungsinterview noch einmal bestätigt, dass die Agentur für Arbeit jedes Unternehmen, das Kurzarbeitergeld bezogen hat, prüfen wird. Die Abschlussprüfungen sollen ab April 2021 starten. Wer Zweifel hat, ob er alles richtiggemacht hat oder bereits jetzt weiß, dass es zu Fehlern gekommen ist, sollte handeln. Unser Partner Jörn Kuhn fasst die wesentlichen Punkte zusammen.

Die Abschlussprüfung

Die Agentur für Arbeit ist verpflichtet, den Bezug von Kurzarbeitergeld in einer Abschlussprüfung zu prüfen. Die eigentlich dafür vorgesehene Frist von sieben Monaten nach Ende der Bezugsdauer wurde aufgrund der hohen Anzahl von Kurzarbeitsanträgen ausgesetzt.

Gegenstand der Abschlussprüfung ist die Prüfung der Rechtmäßigkeit des Bezugs des Kurzarbeitergelds. Im Besonderen prüft die Agentur die gesetzlichen Voraussetzungen wie zum Beispiel der unvermeidbare, vorübergehende Arbeitsausfall. Bei Zweifeln am Bezug von Kurzarbeitergeld können auch vor der Abschlussprüfung schon Prüfungen erfolgen.

Aufgrund des von den Strafverfolgungsbehörden bereits festgestellten Missbrauchs bei der Beantragung von Corona-Fördergeldern wird derzeit gemutmaßt, dass auch beim Bezug von Kurzarbeitergeld eine hohe Missbrauchsquote vorhanden ist.

Bedenkt man jedoch, dass die Kurzarbeit für viele Unternehmen absolutes Neuland war und – dieses muss man wohl auch zugestehen – die von der Agentur für Arbeit zur Verfügung gestellte Dokumentation zur Kurzarbeit eher auf klassische Produktionsunternehmen zugeschnitten war, ist die pauschale Behauptung des Missbrauchs zu drastisch. Umsetzungsfehler sind sicherlich nicht in jedem Fall auszuschließen.

Vorbereitung

Die Vorbereitung auf die Prüfung sollte idealerweise nicht erst dann beginnen, wenn diese angekündigt ist. Das Unternehmen sollte die Unterlagen frühzeitig – soweit es geht – zusammenstellen, um auch noch einmal für sich selbst eine Prüfung durchzuführen. Nur so können noch Korrekturanträge gestellt und Sanktionen vermieden werden (siehe dazu unten).

Bei der Prüfung werden vor allem folgende Unterlagen relevant: Lohnunterlagen, Arbeitszeitnachweise, Nachweise zum betrieblichen Engpass sowie zum Arbeitsausfall durch die Auswirkungen von Corona, Belege zum Abbau des Resturlaubs aus dem Vorjahr und der eventuell vorher angehäuften Überstunden der Mitarbeiter vor der Kurzarbeit sowie Betriebsvereinbarungen und vertragliche Grundlagen zur Einführung der Kurzarbeit.

Besonders dann, wenn es in der Kurzarbeit zu plötzlich mehr auftretendem Arbeitsvolumen gekommen ist oder bspw. im Ausnahmefall Neueinstellungen vorgenommen wurden, wird auch dieses im Detail geprüft.

Unternehmen sollten die relevante Dokumentation zusammenstellen und auch bei den Abrechnungen selber nochmals stichprobenartige Prüfungen in Bezug auf die Abrechnung einzelner Arbeitnehmer vornehmen.

Sanktionen

Der vor der Prüfung zu betreibende teils hohe Aufwand sollte vor dem Hintergrund vielfältiger Risiken akzeptiert werden.

Die Staatsanwaltschaften sehen bei der missbräuchlichen Beantragung von Kurzarbeit zunächst einen Fall des Subventionsbetrugs, der schon bei leichtfertigem, also grob fahrlässigem Handeln ohne Vorsatz, verwirklicht werden kann. Zudem stehen gewerberechtliche Sanktionen im Raum, die zur Untersagung des Geschäftsbetriebs führen können (vgl. zu den drohenden Sanktionen das Interview: Abschlussprüfung bei Kurzarbeit: Diese Strafen drohen Firmen, die zu Unrecht Kurzarbeit angemeldet haben, impulse).

Zur Klarstellung ist hier ergänzend festzuhalten, dass bei der ungerechtfertigten Einführung von Kurzarbeit die Beschäftigten ihren vollen Lohnanspruch behalten und damit nicht nur die Rückzahlung des Kurzarbeitergelds an die Agentur für Arbeit erfolgen muss, sondern auch der Lohn an die Beschäftigten auszuzahlen ist. Die hier beschriebene Problematik beinhaltet für die Prüfungspraxis, dass in manchen Fällen auch die Finanzkontrolle Schwarzarbeit bei Prüfungen involviert ist. Stehen auf einmal bewaffnete Zöllner auf dem Betriebsgelände, ist dieses in der Auswirkung für viele Unternehmen doch häufig ein schwerwiegender Reputationsschaden.

Fehler identifiziert – was ist noch möglich?

Hat das Unternehmen Fehler identifiziert, gibt es verschiedene Herangehensweisen. Aus unseren Erfahrungen – in den letzten Wochen wie auch aus der Krise 2009/2010 – hat sich gezeigt, dass die unmittelbare Kontaktaufnahme mit dem zuständigen Sachbearbeiter bei der Agentur für Arbeit und die gleichzeitige Korrektur mittels des Korrekturformulars der Agentur für Arbeit am sinnvollsten ist (Kurzantrag KUG-107, arbeitsagentur.de). Darüber hinaus werden – je nach Umstand des Einzelfalls – auch Informationen an die zuständige Einzugsstelle oder das Finanzamt erforderlich.

Sind die Fehler bei der Kurzarbeit auf Missstände in der Organisation zurückzuführen, so müssen gleichzeitig auch innerbetriebliche Maßnahmen ergriffen werden, um deutlich zu machen, dass es sich hier nicht um ein Organisationsverschulden handelt. Dieses kann weitere Sanktionen unter dem Aspekt der Compliance-Verantwortung nach sich ziehen.

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Jörn Kuhn

Jörn Kuhn

PartnerRechtsanwaltFachanwalt für Arbeitsrecht

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