05.04.2022 Newsletter

Elektronische Signaturen: Rechtslage in Frankreich und in Deutschland

Aus Nachhaltigkeitsgründen wird immer mehr auf Papier verzichtet. Home-Office-Pflicht und Reiseverbote im Zusammenhang mit der Corona-Pandemie lassen handschriftliche Unterschriften impraktikabel werden. Elektronische Signaturen sind eine einfache Alternative zur klassischen Unterschrift und sind im Geschäfts- und Rechtsverkehr immer wichtiger.

Elektronische Signaturen können Korrespondenzen und damit auch vertragliche Transkationen erleichtern – sei es, um den Absender einer Email kenntlich zu machen oder einen Vertragsabschluss herbeizuführen. Trotz bestimmter Vorbehalte bietet die qualifizierte elektronische Signatur eine geeignete Alternative, um dem gesetzlichen Schriftformerfordernis zu entsprechen. Auch vor Gericht entfalten elektronische Signaturen teilweise besondere Beweiskraft.

Aber welche Arten von Signaturen gibt es und was sind ihre rechtlichen und prozessualen Wirkungen in Deutschland und Frankreich?

Europäische Verordnung zu Signaturarten

Mit der eIDAS-Verordnung über elektronische Identifizierung und Vertrauensdienste hat der europäische Gesetzgeber eine einheitliche Rechtsgrundlage für elektronische Signaturen eingeführt (Verordnung (EU) Nr. 910/2014 vom 23. Juli 2014). Die Verordnung regelt unterschiedliche Arten von Signaturen und deren technische Anforderungen. Sie gilt in allen EU-Mitgliedstaaten und dem EU-Wirtschaftsraum, wodurch das Vertrauen in elektronische Transaktionen im Binnenmarkt gestärkt und die digitale Wirtschaft gefördert werden soll.

Drei Signaturarten werden unterschieden: Die einfache elektronische Signatur, die fortgeschrittene elektronische Signatur und die qualifizierte elektronische Signatur. Die Signaturarten unterscheiden in ihren Anforderungen und ihrem Sicherheitsniveau.

Verschiedene Anforderungen an Signaturen

Eine einfache elektronische Signatur, die sogenannte signature électronique simple, SES, kann ohne großen Aufwand erstellt werden. Dementsprechend ist der Signaturprozess nicht besonders geschützt und das Sicherheitsniveau gering. Beispiele für SES sind eingescannte Unterschriften, die in ein PDF eingefügt werden, oder die Unterschrift, die mit einem elektronischen Stift auf einem Tablet getätigt wird.

Eine fortgeschrittene elektronische Signatur, die sogenannte signature électronique avancée, AES, bietet ein erhöhtes Sicherheitsniveau. Für ihre Erstellung werden elektronische Signaturerstellungsdaten verwendet, über die der Unterzeichner die alleinige Kontrolle hat. Die AES zeichnet sich dadurch aus, dass der Empfänger den Unterzeichner identifizieren und die Signatur dem Unterzeichner eindeutig zuordnen kann. Außerdem ist sie vor nachträglichen Veränderungen geschützt.

Das höchste Sicherheitsniveau hat eine qualifizierte elektronische Signatur, die sogenannte signature électronique qualifiée, QES. Aus diesem Grund ist allein die QES der handschriftlichen Unterschrift gänzlich gleichgestellt. Neben den Anforderungen, die auch an eine AES gestellt werden, ist zusätzlich ein qualifiziertes Zertifikat erforderlich, durch das der Unterzeichner seine Identität bestätigen muss. Das individuelle Zertifikat wird dann mit den Signaturerstellungsdaten verknüpft. Sowohl das Zertifikat als auch die Signaturerstellungseinheit dürfen nur von vertrauenswürdigen, zertifizierten Diensten angeboten werden. Die einzelnen EU-Mitgliedsstaaten stellen entsprechende Listen über die von Ihnen anerkannten Vertrauensdienstanbieter zur Verfügung. Die einzelnen Listen sowie hilfreiche Suchmaschinen der EU können hier abgerufen werden.

QES werden beispielsweise im Rahmen des besonderen elektronischen Anwaltspostfaches für die Einreichung von Schriftsätzen bei Gericht verlangt. QES können auch vollständig cloudbasiert erzeugt werden. In diesem Fall ist keine zusätzliche Hardware neben einem Computer, Tablet oder Handy erforderlich. Die entsprechende Dienstleistung wird von zertifizierten cloudbasierten Anbietern zur Verfügung gestellt, beispielsweise von DocuSign.

Rechtswirkung elektronischer Signaturen

SES und AES darf nach der eIDAS-Verordnung die Rechtswirkung und Zulässigkeit als Beweismittel in Gerichtsverfahren nicht allein deshalb aberkannt werden, weil sie in elektronischer Form vorliegen. QES haben ohnehin die gleiche Rechtswirkung wie handschriftliche Unterschriften. Außerdem müssen QES, die auf einem in einem Mitgliedstaat ausgestellten qualifizierten Zertifikat beruhen, in allen anderen Mitgliedstaaten als QES anerkannt werden.

Abgesehen von diesen Grundsätzen bestimmt sich die rechtliche Handhabe von elektronischen Signaturen nach nationalem Recht.

Status quo in Frankreich: materielles Recht

Nach französischem Recht können die Parteien die Form ihres Vertrages, d. h. die Art und Weise der Unterzeichnung, frei innerhalb der gesetzlichen Grenzen bestimmen (Art. 1102 Code civil, kurz „Cciv“). Erlaubt ist damit auch ein Vertragsabschluss durch elektronische Signatur (Art. 1174 Cciv). Die elektronische Signatur erfüllt nach Art. 1174 Cciv sogar das gesetzliche Schriftformerfordernis. Voraussetzung ist, dass ein zulässiges Identifikationsverfahren verwendet wurde, der Unterzeichner ordnungsgemäß identifiziert werden kann und die Integrität des Schriftstückes gewährleistet ist (Art. 1174 i. V. m. 1366, 1367 Cciv).

Besonderheiten gelten bei zwei Kategorien von Schriftstücken: Nach Art. 1175 Cciv können Schriftstücke im Bereich des Familien- und Erbrechts, für die es eine sogenannte „signature privée“ braucht (zu dt. „eigenhändige Unterschrift“), nicht unter Verwendung einer elektronischen Signatur unterzeichnet werden. Etwas anderes gilt, wenn das zuvor elektronisch signierte Schriftstück von den Anwälten der Parteien in deren Anwesenheit gegengezeichnet und eine Niederschrift bei einem Notar hinterlegt wird. Schriftstücke im Bereich persönlicher und dinglicher Sicherheiten aus dem Zivil- und Handelsrecht können erst seit dem 01. Januar 2022 mit einer elektronischen Signatur formwirksam abgegeben werden.

Elektronische Unterschriften im französischen Prozessrecht

Im Rahmen von Rechtsstreitigkeiten vor französischen Gerichten können Dokumente mit SES theoretisch als Beweis herangezogen werden. Die Rechtsprechung ist derzeit noch zurückhaltend. Dagegen werden AES in der Regel vor Gericht zumindest im Hinblick auf gewöhnliche Verträge zugelassen, um Beweis zu erbringen. Der Beweiswert einer SEQ entspricht dem einer handschriftlichen Unterschrift (Art. 1366, 1367 Cciv). Die Authentizität einer SEQ wird vermutet, sofern der Bestreitende nicht den Gegenbeweis erbringt.

Status quo nach deutschem Recht

Ähnlich dem französischen Recht steht es den Vertragsparteien auch nach deutschem Recht in den meisten Fällen frei, die Form des Vertrages und Art der Unterzeichnung zu bestimmen. Grundsätzlich kann jede Form der elektronischen Signatur als Unterschrift verwendet werden. Die Parteien können auch die Benutzung einer bestimmten Art der elektronischen Signatur vereinbaren.

Für Rechtsgeschäfte, die von Gesetzes wegen der notariellen Beurkundung bedürfen, ist allerdings keine Art elektronischer Signatur ausreichend (§ 128 BGB Bürgerliches Gesetzbuch, kurz: BGB). Das gilt zum Beispiel für Grundstückskaufverträge (§ 311b BGB).

Wenn das Gesetz die Schriftform vorschreibt, ist eine eigenhändige Unterschrift erforderlich (§ 126 BGB). Diese kann von den Parteien durch eine QES ersetzt werden (§ 126a BGB). Dabei muss jede Vertragspartei jeweils ein gleichlautendes Dokument mit seiner QES versehen. Eine SES oder AES genügen dem Schriftformerfordernis hingegen nicht.

Das BGB verbietet außerdem die Verwendung elektronischer Signaturen z. B. bei der Kündigung eines Arbeitsverhältnisses oder eines Auflösungsvertrages (§ 623 BGB), einer Bürgschaftserklärung (§ 766 BGB), einem Schuldversprechen (§ 780 BGB) oder einem Schuldanerkenntnis (§ 781 BGB). In diesen Fällen ist die Schriftform auf die eigenhändige Unterschrift nach § 126 BGB beschränkt. Diese kann auch nicht durch eine QES ersetzt werden.

Elektronische Unterschriften im Verfahrensrecht

Der Beweiswert der unterschiedlichen Arten elektronischer Signaturen hängt von ihrem jeweiligen Sicherheits- und Zuverlässigkeitsgrad ab.

Anlässlich der eIDAS-Verordnung hat der deutsche Gesetzgeber die Beweiskraft von elektronischen Dokumenten mit QES eigens in § 371a Abs. 1 ZPO geregelt. Danach kann der Anschein für die Echtheit einer elektronisch abgegebenen Erklärung nur durch Tatsachen erschüttert werden, die ernstliche Zweifel daran begründen, dass die Erklärung von der verantwortenden Person abgegeben worden ist. Außerdem finden § 416 ZPO (Beweiskraft von Privaturkunden) nach § 371a Abs. 1 ZPO entsprechend auf elektronische Dokumente mit QES Anwendung. Es wird daher vermutet, dass das Dokument von demjenigen stammt, der es signiert hat. Möchte der vermutete Unterzeichner diesen Anschein erschüttern, muss er darlegen und beweisen, dass seine QES kompromittiert wurde.

Elektronische Dokumente, die nur mit einer SES und einer AES versehen wurden, gelten als Gegenstände des Augenscheins (§ 371 ZPO). Der Beweis wird dadurch angetreten, dass die Datei dem Gericht vorgelegt oder übermittelt wird. Elektronische Dokumente mit SES oder AES unterliegen anschließend der freien Beweiswürdigung durch das Gericht (§ 286 ZPO).

Ausblick

Es bleibt abzuwarten, ob die Toleranz und Verbreitung von elektronischen Signaturen im Rechtsverkehr letztlich auch breite Verbraucherkreise erreicht. Zumindest in der modernen Geschäftswelt ist die qualifizierte elektronische Signatur bereits ein solider und weitestgehend gleichwertiger Ersatz zur handschriftlichen Unterschrift.

Die Gleichstellung zwischen QES und der Schriftform eröffnet außerdem ein weites Anwendungsfeld für Smart Contracts und den Einsatz von Blockchain-Technologie für Vertragsschlüsse: So sind auf der Blockchain basierende Smart Contracts möglich, die mittels einer Schnittstelle zu einem Vertrauensdienstanbieter eine QES von der Vertragspartei einholen. Smart Contracts gewinnen auf diese Art an Rechtssicherheit und können auch bei Verträgen mit gesetzlichem Schriftformerfordernis angewandt werden. Selbiges Vorgehen lässt sich auf Transaktionen über non-fungible tokens übertragen (NFTs; zu Dt. etwa §nicht austauschbares digitales Objekt§).

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Mareike Heesing<br/>LL.M. (Köln/Paris I)

Mareike Heesing
LL.M. (Köln/Paris I)

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