05.11.2019Köln Newsletter
Einstieg in den Ausstieg aus der Kohleverstromung – erste Schritte zu einem Kohleausstiegsgesetz
(Köln, 05. November 2019)
Im Januar 2019 hat die von der Bundesregierung eingesetzte Kohlekommission ihre Vorschläge für die Gestaltung des energie- und klimapolitisch begründeten Strukturwandels in Deutschland vorgelegt. Als wesentliche Maßnahme empfiehlt sie, die Kohleverstromung bis spätestens zum Jahr 2038 zu beenden. Diesen Vorschlag greift ein erster – bislang nicht offiziell veröffentlichter – Arbeitsentwurf des Bundeswirtschaftsministeriums für ein Steinkohleausstiegsgesetz auf. Es ist eine stufenweise Reduktion der Kohleverstromung bis 2038 vorgesehen, die sich insbesondere in Form von Ausschreibungen und Stilllegungsprämien vollziehen soll. Mit einem offiziellen Gesetzesentwurf ist noch in diesem Herbst zu rechnen.
Zentraler Gegenstand des Arbeitsentwurfes ist der schrittweise Steinkohleausstieg. Dagegen ist der Braunkohleausstieg nicht im Entwurf zum Steinkohleausstiegsgesetz geregelt, da dieser einem gesonderten, kooperativen Verfahren vorbehalten bleiben soll. Im Einzelnen soll der Steinkohleausstieg primär auf freiwilliger Basis durch Ausschreibungen und nachrangig durch eine gesetzliche Reduktion erreicht werden. Verbote für die Kohleverstromung freigewordener Erzeugungskapazitäten sowie den Neubau von Steinkohlekraftwerken sichern darüber hinaus den Steinkohleausstieg ab. Nach dem Entwurf soll sich der Ausstieg in drei Phasen vollziehen, wonach sich die Marktleistung der Steinkohlekraftwerke
- bis Ende 2022 auf 15 Gigawatt,
- bis Ende 2029 auf 8 Gigawatt und
- spätestens bis 2038 auf null Gigawatt reduzieren soll.
Es sammeln sich erste kritische Stimmen, dass das Gesetzgebungsverfahren zu lange dauere und der von der Kohlekommission empfohlene Zeitplan gefährdet sei.
Das Ausschreibungsverfahren
Durch das im Arbeitsentwurf vorgesehene jährlich stattfindende Ausschreibungsverfahren sollen Steinkohle-Kraftwerksbetreiber dazu angehalten werden, freiwillig Erzeugungskapazitäten abzugeben, indem ihnen im Gegenzug eine Steinkohlekompensation gewährt wird. Dazu bieten die Betreiber einen Gebotswert – zusammengesetzt aus abzugebender Erzeugungskapazität (Gebotsmenge) sowie gewähltem Preis –, den sie grundsätzlich bei Zuschlag erhalten, sofern er die preisliche Höchstgrenze nicht überschreitet. Der Höchstpreis nimmt im Zeitverlauf kontinuierlich ab, was für Betreiber einen finanziellen Anreiz setzen soll, möglichst früh Erzeugungskapazitäten abzugeben.
Die Ausschreibung beginnt zunächst damit, dass die hierfür zuständige Bundesnetzagentur („BNetzA“) für jeden Ausschreibungstermin das Ausschreibungsvolumen ermittelt. Das ist – ausgehend von der Gesamtleistung der Steinkohleanlagen – die im betreffenden Jahr aufgrund des Steinkohleausstiegsgesetzes zu reduzierende Leistungsmenge. Es ist möglich, dass das Ausschreibungsvolumen Null oder negativ ausfällt, sofern die erstrebte Leistungsreduktion bereits ohne Ausschreibung erreicht wurde. Dann findet im betreffenden Jahr kein Ausschreibungsverfahren statt. Ca. drei Monate vor dem jeweiligen Gebotstermin informiert die BNetzA auf ihrer Internetseite über die Ausschreibung und gibt insbesondere den Gebotstermin, das Ausschreibungsvolumen und den Höchstpreis bekannt. Den Zuschlag erteilt sie bis zur ersten Anlage, die das Ausschreibungsvolumen überschreitet. Ist das Volumen tatsächlich überschritten, erhalten die Kraftwerke mit dem geringsten Preis pro eingesparte Emission den Zuschlag. Bei einer Unterschreitung erhalten alle Betreiber den Zuschlag. Nach Zuschlag ist es den Betreibern verboten, die abgegebene Erzeugungskapazität zu nutzen.
Der zur Gebotsabgabe berechtigte Teilnehmerkreis bildet sich grundsätzlich aus jedem Betreiber einer Steinkohleanlage. Dies setzt grundsätzlich voraus, dass die jeweiligen Eigentümer der Anlagen mit der Gebotsabgabe nachweislich einverstanden sind und dass für die Betreiberunternehmen ein Tarifvertrag oder eine ähnliche Bestimmung nachgewiesen werden kann. Außerdem muss der Betreiber dem Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle verbindlich erklären, dass er im Falle eines Gebotszuschlags für die betreffende Anlage auf den Kohleersatzbonus des Kraft-Wärme-Kopplungsgesetzes verzichtet (bedingte Verzichtserklärung). Darüber hinaus sieht der Arbeitsentwurf ausdrücklich vor, dass folgende Anlagen nicht teilnahmeberechtigt sind:
- Anlagen, für die entsprechend des § 9 Abs. 1 Steinkohleausstiegsgesetzes eine verbindliche Stilllegungsanzeige bzw. Kohleverstromungsverbotsanzeige abgegeben wurde,
- Anlagen, die nach § 18 der Kapazitätsreserveverordnung einen Zuschlag erhalten haben,
- Anlagen, für die eine endgültige Stilllegung nach § 13b Abs. 1 Satz 1 EnWG angezeigt wurde oder denen eine endgültige Stilllegung nach § 13d oder § 13e EnWG untersagt wurde, und
- Anlagen, denen bereits im Rahmen einer Ausschreibung ein Zuschlag erteilt wurde oder die gesetzliche Reduktion angeordnet wurde.
Anlagenbetreiber müssen sich bereits jetzt Gedanken machen, wann der richtige Zeitpunkt für eine Stilllegungsanzeige ist. In der Phase nach Abgabe eines Gebotes drohen Verfahrensausschlüsse durch die BNetzA, wenn ein Bieter vorsätzlich oder grob fahrlässig die Gebotsabgabe unter falschen Angaben oder unter Vorlage falscher Nachweise vorgenommen hat. Darüber hinaus schließt sie Gebote aus, wenn diese nicht den Anforderungen und Formatvorgaben des Ausschreibungsverfahrens sowie den Festlegungen der BNetzA entsprechen oder Bedingungen bzw. Befristungen enthalten. Des Weiteren ist es nicht zulässig, dass sich ein Gebot auf mehrere Steinkohleanlagen oder nur auf einen Teil der Nettonennleistung einer Anlage bezieht.
Die gesetzliche Reduktion
Der Gesetzesentwurf sieht vor, dass zu einem zeitlich noch nicht konkret feststehenden Zeitpunkt neben die freiwillige Ausschreibung das weitere Verfahren der gesetzlichen Reduktion tritt. Danach ist die BNetzA ermächtigt, für Steinkohleanlagen selbst eine jährliche Reduktion der Erzeugungskapazität anzuordnen, was in entsprechender Höhe ein Kohleverstromungsverbot zur Folge hat. Ausgangspunkt für die Anordnung sind eine zuvor ermittelte Reduktionsmenge sowie eine Liste mit nach Alter sortierten Steinkohleanlagen. Ausgehend von dieser Liste ordnet sie gegenüber den Betreibern – beginnend mit der ältesten Anlage – eine Reduktion an, bis insgesamt die angestrebte Reduktionsmenge erreicht ist. In zeitlicher Hinsicht soll die gesetzliche Reduktion zunächst nur für den Fall der Unterschreitung des Volumens im Rahmen der Ausschreibung gelten. Ab einem späteren Zeitpunkt soll dagegen die gesetzliche Reduktion die Ausschreibung gänzlich verdrängen, bis der Steinkohleausstieg erreicht ist. Betroffene Betreiber können sich im Wege eines Verwaltungsverfahrens sowie eines gerichtlichen Verfahrens gegen die Anordnungen wehren. Dabei sollen die Vorschriften des EnWG betreffend Verfahren und Rechtsschutz entsprechend anwendbar sein. Rechtsbehelfe sollen keine aufschiebende Wirkung entfalten, so dass ggfs. gerichtlicher Eilrechtsschutz geboten sein könnte.
Die weiteren Schritte des Gesetzgebers und ein offizieller Gesetzesentwurf zum Steinkohleausstieg bleibt abzuwarten.