Digital BusinessArbeitsrecht21.06.2023 Newsletter
Direktionsrecht im Metaverse: Dürfen Arbeitgeber Tätigkeiten im Metaverse anordnen?
Das Metaverse ist auch im Arbeitsleben angekommen – eine neue Dimension in der Digitalisierung der Arbeitswelt. Dadurch könnten zukünftig auch Arbeitsplätze teilweise oder vollständig in die digitale Parallelwelt ausgegliedert werden. Wir werfen einen Blick auf das Direktionsrecht des Arbeitgebers im Metaverse, also sein Recht, dem Arbeitnehmer Weisungen zu erteilen, etwa zu Ort, Zeit oder Inhalt seiner Tätigkeit.
Zunächst stellt sich grundsätzlich die Frage, ob ein Arbeitgeber seinen Mitarbeitenden durch sein Direktionsrecht vorgeben kann, dass deren Tätigkeit ganz oder teilweise ins Metaverse ausgegliedert wird. Explizite Regelungen in Arbeitsverträgen oder kollektivrechtlichen Vereinbarungen dürften bisher kaum existieren. Nach § 106 GewO kann der Arbeitgeber Inhalt, Ort und Zeit der Arbeitsleistung näher bestimmen. Die einzelne Weisung muss aber dem billigem Ermessen nach § 315 BGB entsprechen.
Zeitweise Tätigkeit im Metaverse durch Direktionsrecht gedeckt
Soll der Mitarbeitende nur gelegentlich bzw. anlassbezogen im Metaverse tätig sein, ist dies regelmäßig vom Direktionsrecht gedeckt, soweit eine arbeitsvertragliche oder kollektivrechtliche Regelung nicht entgegensteht. Das umfasst beispielsweise Tätigkeiten wie die Teilnahme an einem Meeting oder die Repräsentanz des Unternehmens auf einer virtuellen Messe. Bedingung dürfte hierbei sein, dass der Arbeitgeber die notwendige IT-Ausstattung bereithält.
Direktionsrecht nicht ausreichend bei längerer Tätigkeit im Metaverse
Soll der Mitarbeitende schwerpunktmäßig oder gar ausschließlich im Metaverse tätig sein, dürfte dies nicht ohne Weiteres vom einseitigen Direktionsrecht des Arbeitgebers gedeckt sein. Hintergrund sind die gesteigerten Risiken, denen sich Mitarbeitende ausgesetzt sehen können.
So kann der dauerhaften Tätigkeit im Metaverse eine soziale Entgrenzung immanent sein, die physisch und psychisch belastet. Zwar besteht die Möglichkeit, in Echtzeit mit Arbeitskollegen zu interagieren. Allerdings ist die Tätigkeit durch eine deutlich geringere Bewegung und einen – insbesondere aufgrund der beschränkten Möglichkeiten von Mimik und Gestik – eingeschränkten zwischenmenschlichen Kontakt geprägt. Zudem besteht im Metaverse aufgrund der geringeren Hemmschwelle die erhöhte Gefahr, dass Mitarbeitende Opfer von Belästigung oder Diskriminierung werden können.
Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats beachten
Stellt die Verlegung der Tätigkeit in das Metaverse eine Versetzung i. S. d. § 95 Abs. 3 S. 1 BetrVG dar, löst dies Mitbestimmungsrechte eines etwaig bestehenden Betriebsrats aus (vgl. § 99 BetrVG). Eine mitbestimmungspflichtige Versetzung ist anzunehmen, wenn diese über einen Monat andauert oder sich die Umstände erheblich ändern, unter denen die Arbeit zu leisten ist. Die Bewertung hat im Einzelfall zu erfolgen.
Reichweite des Direktionsrechts
Setzt der Arbeitgeber Mitarbeitende (dauerhaft) im Metaverse ein, tritt die Frage nach der Reichweite des Direktionsrechts in den Vordergrund. Er könnte z. B. ein besonderes Interesse daran haben, dass der Avatar des Mitarbeitenden dessen tatsächlichen Erscheinungsbild ähnelt. Als Leitlinie gilt, dass der Arbeitgeber weitgehend die gleichen Vorgaben machen darf, die auch im echten Betrieb zulässig sind. Maßgeblich ist dabei jeweils eine Abwägung der widerstreitenden Interessen, insbesondere der Berufsfreiheit des Arbeitgebers aus Art. 12 Abs. 1 GG und dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht des Mitarbeitenden aus Art. 2 Abs. 1 GG i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG.
Im Falle des Kundenkontakts wird der Arbeitgeber regelmäßig Vorschriften über das Erscheinungsbild des Mitarbeitenden, insbesondere über dessen „Dresscode“ machen dürfen. Ähnlich verhält es sich mit Vorgaben zu politischen oder anderweitig anstößigen Äußerungen. Eine Äußerung wird erst zu unterbinden sein, wenn diese eine provozierende Wirkung hat, andere Mitarbeitende belästigt oder den Betriebsfrieden bzw. den Arbeitsablauf erheblich stört und damit die Erfüllung der Arbeitspflicht beeinträchtigt wird.
Das Direktionsrecht kann an Grenzen stoßen, wenn Mitarbeitende bereits im Metaverse tätig sind, jedoch aus gesundheitlichen Gründen außerstande sind, der dortigen Tätigkeit weiter nachzugehen. So könnte eine längere Tätigkeit im Metaverse z. B. zu Migräne oder Angstzuständen sowie zu einer gesteigerten Arbeitsbelastung führen. Die Rücksichtnahmepflicht aus § 241 Abs. 2 BGB kann den Arbeitgeber in einem solchen Fall gebieten, dem Mitarbeitenden einen leidensgerechteren Arbeitsplatz – außerhalb des Metaverse – zuzuweisen.
Fazit
Es bleibt mit Spannung abzuwarten, ob, wann und wie Gerichte oder sogar der Gesetzgeber die ersten arbeitsrechtlichen Fragen zum Arbeiten im Metaverse aufgreifen und bewerten (müssen). Für Anweisungen über das Verhalten des Arbeitnehmers im Metaverse dürfte auf die bestehenden Rechtsgrundsätze zum Verhalten im Betrieb i. S. d. § 106 S. 2 GewO zurückzugreifen sein.
Für Arbeitgeber empfiehlt sich im Bedarfsfall schon heute, (Muster-)Arbeitsverträge rechtssicher zu gestalten, indem Modalitäten der Arbeit im Metaverse dezidiert geregelt werden. Dies gilt insbesondere für einschlägige Versetzungsklauseln „ins Metaverse“.
Übrigens: Daneben ergeben sich aus arbeitsrechtlicher Sicht noch weitere Themen, insbesondere „Diversity im Metaverse“ sowie „Metaverse und Gesundheitsschutz“. Diese Themen behandeln wir in zwei Folgebeiträgen, die in Kürze erscheinen.