Nachfolge, Vermögen, Stiftungen01.10.2020 Newsletter
Die Stiftungsrechtsreform kommt
Referentenentwurf des Justizministeriums vom 28.09.2020 zur Vereinheitlichung des Stiftungsrechts
Mit Datum vom 28. September 2020 hat das Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz einen ersten Referentenentwurf zur Reform und Vereinheitlichung des Stiftungsrechts veröffentlicht. Sinn und Zweck der Reform soll vor allem die Stärkung der Rechtssicherheit sein. Durch den derzeit bestehenden Flickenteppich aus bundes- und landesgesetzlichen Regelungen (sowie gewohnheitsrechtlich anerkannten Grundsätzen) wird eine solche leider nur unzureichend gewährleistet. Daneben soll ein öffentliches Stiftungsregister geschaffen werden, welches zu mehr Transparenz in der Stiftungslandschaft führen dürfte. Ein unbedingter Handlungsbedarf besteht für alle Stiftungen, die ihre Verwaltung aus dem Ausland führen.
I. Überblick
Ein einheitliches deutsches Stiftungsrecht existiert derzeit nicht. Das Stiftungsrecht ist auf einige bundeseinheitliche Regeln des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) und 16 Landesgesetze aufgespalten. Allen diesen Gesetzen ist gemein, dass sie viele in der Praxis relevante Sachverhalte, wie etwa die Zulegung oder Zusammenlegung bei Stiftungen, nicht oder nur unzureichend erfassen. Das bisherige Stiftungsrecht des BGB enthält nur sehr wenige grundlegende Vorschriften. Inwieweit diese durch Landesgesetze ergänzt werden, ist von Bundesland zu Bundesland verschieden. Da das Bundesrecht hierarchisch dem Landesrecht vorgeht, stellt sich derzeit zudem die Frage, ob einzelne landesrechtliche Regelungen nicht gegen Bundesrecht verstoßen. Diese Tatsachen sowie das Fehlen einer umfassenden und einheitlichen Judikatur führen in der Praxis immer wieder zu Unsicherheiten. Die Durchführung von Stiftungsvorhaben ist immer auch von Rechtsauffassung und Wohlwollen der jeweils zuständigen Stiftungsbehörde vor Ort abhängig.
II. Der Referentenentwurf im Einzelnen
Der nun vorliegende Referentenentwurf entspricht beinahe 1:1 dem Diskussionsentwurf der bereits im Jahr 2014 ins Leben gerufenen Bund-Länder-Arbeitsgruppe „Stiftungsrecht“ für ein Gesetz zur Vereinheitlichung des Stiftungsrechts vom 27. Februar 2018. Ein Überblick über die vorgeschlagenen Änderungen des Stiftungsrechts wie auch der Referentenentwurf selbst findet sich hier.
Mit dem Entwurf soll der Versuch unternommen werden, Missstände durch zahlreiche Ergänzungen und Änderungen des Bundesrechts zu beseitigen. Nachfolgend werden die wesentlichen Änderungen des Referentenentwurfs (nachfolgend „BGB-RefE“) beschrieben.
1. Definition und Wesen der Stiftung
In § 80 Abs. 1 S. 1 BGB-RefE findet sich erstmals eine gesetzliche Definition der Stiftung als eine mit einem Vermögen zur dauernden und nachhaltigen Erfüllung eines vorgegebenen Zwecks ausgestattete mitgliederlose juristische Person. § 80 Abs. 1 S. 2 BGB-RefE stellt ausdrücklich klar, dass die Stiftung auf einen bestimmten Zeitraum befristet werden kann. Die schon in geltendem Recht vorgesehene Verbrauchsstiftung, die ihr Vermögen zur Zweckverwirklichung aufzehrt, bleibt nach wie vor möglich (§ 80 Abs. 1 S. 2 BGB-RefE).
2. Namenszusätze „e. S.“ und „e. VS.“
Eine weitere Neuerung stellt der in § 82c BGB-RefE vorgesehene Namenszusatz dar. Danach muss die Stiftung ab ihrer Eintragung in das Stiftungsregister den Namenszusatz „eingetragene Stiftung“ („e. S.“) tragen. Für Verbrauchsstiftungen ist entsprechend der Namenszusatz „eingetragene Verbrauchsstiftung“ („e. VS.“) vorgesehen. Hiermit wird die „echte“ Stiftung durch ihren Namenszusatz nun eindeutig von anderen Rechtsgestaltungen abgegrenzt, die bislang ebenfalls „Stiftung“ im Namen tragen, etwa die auf einem Treuhandverhältnis fußenden „unselbstständigen Stiftungen“ oder Kapitalgesellschaften, die als „Stiftung-GmbH“ firmieren.
3. Zwingender Verwaltungssitz im Inland
Nach § 83a BGB-RefE soll die Verwaltung der Stiftung zwingend im Inland zu führen sein, da nur so die wirksame Aufsicht gewährleistet ist. Wird ein Auslandsverwaltungssitz entgegen entsprechender Aufforderung durch die Aufsicht nicht ins Inland verlegt, soll diese zur Aufhebung der Stiftung verpflichtet sein (§ 87a Nr. 3 BGB-RefE).
4. Zusammensetzung und Erhalt des Stiftungsvermögens
Sieht man von der schon vom geltendem Recht vorgesehenen Verbrauchsstiftung ab, enthält das BGB derzeit keinerlei Regeln zur Zusammensetzung und zum Erhalt des Stiftungsvermögens. Die teilweise landesrechtlich normierten und bisher schon in der Praxis gelebten Grundsätze hierzu werden nun ausdrücklich festgeschrieben.
Nach § 83b Abs. 2 BGB-RefE ist das sog. „Grundstockvermögen“ – das der Stiftung gewidmete Ausgangsvermögen, Zustiftungen und Vermögen, das ausdrücklich hierzu bestimmt wird – im Ausgangspunkt ungeschmälert zu erhalten. Der Stiftungszweck ist aus den Nutzungen des Grundstockvermögens zu erfüllen. Daneben steht das „sonstige Vermögen“, das im Ausgangspunkt frei verbraucht werden kann. Die Verbrauchsstiftung, die ihr gesamtes Vermögen innerhalb eines bestimmten Zeitraumes zur Erfüllung des Stiftungszwecks verbraucht, bleibt nach wie vor möglich – hier ist das gesamte Vermögen „sonstiges Vermögen“ (§ 83b Abs. 1 S. 2 BGB-RefE).
Erstmals spricht der Referentenentwurf ausdrücklich zwei Satzungsgestaltungen an, die sich zwischen Ewigkeits- und Verbrauchsstiftung bewegen und schon in der bisherigen Praxis, aufgrund der durch sie gewährten Flexibilität, oft gewünscht und umgesetzt werden. Zum einen ist es nach § 83c Abs. 2 S. 1 BGB-RefE ausdrücklich einer auf Dauer angelegten Stiftung erlaubt, einen im Stiftungsgeschäft bestimmten Teil ihres Vermögens zu verbrauchen (Teilverbrauchsstiftung). Zweitens erkennt § 83c Abs. 2 S. 2 BGB-RefE die Möglichkeit an, in der Stiftungsatzung den nur vorrübergehenden Zugriff auf das Grundstockvermögen zu gestatten, sofern dieses in absehbarer Zeit auf seinen Ursprungswert zurückgeführt wird.
5. Business Judgement Rule
In § 84a Abs. 3 BGB-RefE ist nun die sog. Business Judgement Rule verankert. Organmitgliedern einer Stiftung kann hiernach ein Fehlverhalten nicht vorgeworfen werden, wenn sie bei der Geschäftsführung unter Beachtung der gesetzlichen und satzungsmäßigen Vorgaben vernünftigerweise annehmen durften, auf Grundlage angemessener Information zum Wohle der Stiftung zu handeln. Die Übernahme der schon aus dem Gesellschaftsrecht bekannten Business Judgement Rule wird zu mehr Rechtssicherheit führen.
6. Satzungsänderungen
Die Voraussetzungen für Satzungsänderungen werden erstmals bundeseinheitlich geregelt. Bislang regelt das BGB nur die Satzungsänderung von außen durch die Stiftungsaufsicht, nicht durch die Stiftung selbst. Daneben existieren weitere Regeln auf Landesebene, deren Vereinbarkeit mit dem Bundesrecht teilweise umstritten ist. Teilweise unklar ist, inwieweit die Stiftungssatzung von der geltenden Gesetzeslage abweichen darf.
Nach der vorgeschlagenen Neuregelung in § 85 Abs. 1 bis 3 BGB-RefE hängen die Anforderungen an die zulässige Satzungsänderung davon ab, wie schwerwiegend die Satzung verändert wird:
- „Einfache“ Satzungsänderungen setzen voraus, dass diese die Erfüllung des Stiftungszwecks erleichtern.
- Zweckänderungen der Stiftung sowie die Änderung von Satzungsbestimmungen, die prägend für die Stiftung sind (Name, Sitz, Art und Weise der Zweckerfüllung, Erhalt des Grundstockvermögens und die Aufgaben der Organe) erfordern, dass die Verhältnisse nach Errichtung der Stiftung sich so wesentlich verändert haben, dass eine Anpassung notwendig ist.
- Der Austausch sowie die erhebliche Einschränkung eines Zwecks erfordern als schwerwiegendste Form der Satzungsänderung, dass die dauernde und nachhaltige Erfüllung des Zwecks unmöglich ist oder der Zweck das Allgemeinwohl gefährdet.
Diese Anforderungen gelten sowohl für die autonome Satzungsänderung durch die Stiftung selbst wie auch für Satzungsänderungen, die von der Stiftungsaufsicht angestoßen werden, § 85a Abs. 1, 2 BGB-RefE. Im ersteren Fall wird, wie schon nach den meisten der derzeitigen Landesstiftungsgesetze, die Genehmigung der Stiftungsaufsicht benötigt. Die Stiftungssatzung darf abweichende (höhere oder niedrigere) Hürden für eine Satzungsänderung vorsehen, § 85 Abs. 4 BGB-RefE, wodurch ein weiter Gestaltungsspielraum ausdrücklich festgeschrieben wird.
7. Zulegung und Zusammenlegung
Bislang bedarf es zur Zulegung (Übertragung des Stiftungsvermögens als Ganzes auf eine übernehmende Stiftung) und Zusammenlegung (Übertragung des Stiftungsvermögens mehreren Stiftungen als Ganzes auf eine neue, gemeinsame Stiftung) von Stiftungen einer Kombination von Einzelmaßnahmen (Liquidation und Übertragung der Einzelwerte auf die Empfängerstiftung), die mit einer großen Rechtsunsicherheit verbunden sind und deren Erfolg letztlich vom Good Will der Stiftungsbehörde abhängt.
Die Verfahren und Voraussetzungen für Zulegung und Zusammenlegung sind nun in §§ 86 ff. BGB-RefE ausdrücklich niedergelegt, was Flexibilität gerade für die vielen, im derzeitigen Niedrigzinsumfeld notleidende Stiftungen schafft, deren Landesstiftungsgesetz bzw. Stiftungssatzung bislang keine oder unklare Regelungen vorsahen. Hier werden Möglichkeiten geschaffen, die sonst das Umwandlungsgesetz nur Gesellschaften eröffnet.
Hierüber werden wir in einem separaten Newsletter näher berichten.
8. Auflösung und Aufhebung von Stiftungen
Die Beendigung von Stiftungen war im BGB bislang nur unzureichend, nämlich nur für die Stiftungsaufsicht geregelt. Streitig war, wie sich die vielen ergänzenden landesrechtlichen Regelungen hierzu verhielten. Nach §§ 87 f. BGB-RefE soll nun einheitlich die Beendigung durch die Stiftung selbst oder die zuständige Stiftungsaufsicht möglich sein, wenn die dauernde und nachhaltige Zweckerfüllung unmöglich geworden ist und dies durch Satzungsänderung nicht beseitigt werden kann. Der Auflösungsbeschluss der Stiftung bedarf der Genehmigung der Stiftungsaufsicht.
9. Stiftungsregister
Ein bundesweit einheitliches Stiftungsregister fehlt bislang. Teilweise wurden auf Landesebene Register eingeführt, die bestimmte Informationen preisgeben. Bisher hat dies zu Problemen geführt, wenn der Nachweis der Vertretungsberechtigung durch den Vorstand im Rechtsverkehr nachgewiesen werden musste. Hier müssen bislang aktuelle Vertretungsnachweise von der Stiftungsaufsicht angefordert werden.
Der darauf zielenden Kritik wurde nun entsprochen. Mit dem Referentenentwurf wird erstmalig ein mit dem Handelsregister vergleichbares, zentrales Stiftungsregister eingeführt (§ 82b Abs. 1 BGB-RefE) das insbesondere auch die Vertreter der Stiftung erkennen lässt (§ 82b Abs. 2 BGB-RefE). Sonstige eintragungspflichtige Tatsachen sind Satzungsänderungen, Zulegung und Zusammenlegung sowie Auflösung, Aufhebung und Liquidation. Wie auch bei Eintragungen zum Handelsregister sind Eintragungen unter Einschaltung eines Notars öffentlich zu beglaubigen.
Das Stiftungsregister soll beim Bundesamt für Justiz geführt werden und jedermann zur Einsicht offenstehen. Ähnlich wie das Handelsregister sollen die Eintragungen in das Stiftungsregisters Vertrauensschutz genießen (§ 82d BGB-RefE). Außenstehende dürfen sich gegenüber der Stiftung auf die Richtigkeit der Eintragungen berufen, auch wenn diese tatsächlich falsch sind. Umgekehrt darf sich die Stiftung auf eintragungspflichtige Tatsachen nur berufen, wenn diese tatsächlich im Stiftungsregister eingetragen wurden. Dies wird für viele Stiftungen auch Erleichterungen im Hinblick auf Eintragungen im Transparenzregister bringen.
10. Lebzeitige Stifterrechte
Von der Aufnahme besonderer gesetzlicher Stifterrechte, wie lebzeitig die Stiftungssatzung und den Zweck verändern zu können, wurde bereits im Entwurf der Bund-Länder-Arbeitsgruppe abgesehen. Es bleibt dabei, dass entsprechende Vorgaben ausdrücklich in die Stiftungssatzung aufgenommen werden müssen.
III. Bewertung
Die Reform des Stiftungsrechts ist lange überfällig und zu begrüßen. Viele der Neuregelungen wurden bereits auf Grundlage einer Mischung aus BGB, Landesrecht und Gewohnheit faktisch so wie nun vorgeschlagen gelebt. Eine große Errungenschaft des Reformvorhabens besteht darin, bereits Vorhandenes zu ordnen und zu vereinheitlichen. Die Umsetzung der Stiftungsreform wird ein hohes Maß an Rechtssicherheit für die Stiftungspraxis schaffen. Durch die erweiterten und kodifizierten Möglichkeiten der Zulegung und Zusammenlegung wird der Stiftungslandschaft die Möglichkeit der Neuordnung gegeben, die in Teilbereichen nötig erscheint.
Für bestehende Stiftungen wird vor allem die Schaffung eines öffentlichen Stiftungsregisters zu
einer Umstellung führen. Das Gesetzesvorhaben schlägt derzeit eine Frist von einem Jahr ab Inkrafttreten vor, innerhalb derer bestehende Stiftungen sich zum Register anzumelden haben. Laufende und künftige Vorhaben, auf die das Gesetzesvorhaben Einfluss haben könnte, wie bspw. Satzungs- und Zweckänderungen; Zu- oder Zusammenlegungen etc., sollten sich bereits jetzt an der voraussichtlichen Gesetzeslage orientieren.
Dringender Handlungsbedarf besteht für alle Stiftungen, die ihre Verwaltung aus dem Ausland führen. Hier drohen aufsichtsrechtliche Maßnahmen, die nur durch Rückkehr des Verwaltungssitzes ins Inland abgewehrt werden können.
Abschließend bleibt zu hoffen, dass der Referentenentwurf zügig von der Bundesregierung aufgegriffen und als Gesetzentwurf, durch Zuleitung an den Bundesrat, in das parlamentarische Gesetzgebungsverfahren überführt wird. Anderenfalls droht sich die dringend gebotene Reform des Stiftungsrechts abermals auf unbestimmte Zeit zu verschieben.