Der Energie-Impuls: Zunächst mit heißer Nadel gestrickt und nun nachgebessert? – Österlicher Änderungsentwurf der Bundesregierung für die Energiepreisbremsen

Bereits die ersten beiden Sätze des am 5. April 2023 veröffentlichten Entwurfs eines Änderungsgesetzes für die Energiepreisbremsen lassen vermuten, dass es wohl nicht die letzte Novellierung des Erdgas-Wärme-Preisbremsengesetzes (EWPBG) und des Strompreisbremsegesetzes (StromPBG) gewesen sein wird. Die Preisbremsen seien „im letzten Quartal des Jahres 2022 innerhalb kürzester Zeit erarbeitet und in Kraft gesetzt“ worden. Im Lichte der ersten Erfahrungen mit der Umsetzung der Gesetze seien „verschiedene Anpassungsbedarfe, überwiegend technischer und redaktioneller Natur, identifiziert worden“.

Ob sich dahinter bereits die Rechtfertigung für künftige Anpassungen verbirgt, bleibt abzuwarten. Bereits zuvor wurde ein Änderungsgesetz verabschiedet, das u. a. die Möglichkeit der Beleihung eines privatrechtlichen Unternehmens mit den der Prüfbehörde in den Preisbremsen zugewiesenen Aufgaben eröffnete und einzelne Fristen verlängerte. Letzteres war u. a. auch deswegen notwendig geworden, da Mitteilungen gegenüber der Prüfbehörde abzugeben waren und diese bis Anfang April 2023 immer noch nicht bestimmt war. Für die Wahrnehmung der Aufgaben der Prüfbehörde läuft eine Ausschreibung des BMWK mit Frist zur Angebotsabgabe bis zum 10. April 2023.

In der Tat gestaltet sich der Umgang mit den Gesetzen auch im Übrigen als sperrig und häufig wenig zufriedenstellend. Das sieht man auch an den vom BMWK zur Hand gegebenen „Umsetzungshilfen“: Neben zwei Telefonhotlines und einer E-Mail-Adresse sind vier FAQ-Dokumente veröffentlicht, die laufend aktualisiert werden und zu Ende März 2023 den nicht kleinen Umfang von summiert 65 Seiten aufweisen. Höchste Zeit also für ein harmonisierendes Änderungsgesetz. Der jetzt veröffentlichte „Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Erdgas-Wärme-Preisbremsengesetzes, zur Änderung des Strompreisbremsegesetzes sowie zur Änderung weiterer energiewirtschaftlicher und sozialrechtlicher Gesetze“ soll dann auch vor der Sommerpause Bundestag und Bundesrat passieren (letzte Sitzungswoche 3. Juli 2023 – 7. Juli 2023), da Inkrafttreten des Gesetzes andernfalls erst im Oktober 2023 zu erwarten wäre. Das erscheint angesichts der bisherigen Befristung der Preisbremsen auf den 31. Dezember 2023 als reichlich spät.

Müssen Unternehmen sich auf neue Pflichten oder geänderte Fristen einstellen?

An dem Grundmechanismus der Preisbremsen hat der Entwurf nichts geändert. Insbesondere die dem europäischen befristeten Krisenrahmen (TCF) geschuldete komplexe Ausgestaltung der Höchstgrenzen für Entlastungen sowie Mitteilungs- und Nachweispflichten werden grundsätzlich nicht verändert. Bereits mit dem vorigen Anpassungsgesetz sind hingegen Fristen verlängert worden:

  • Hinsichtlich der Arbeitsplatzerhaltungspflicht (§ 37 Abs. 2 S. 1 u. 2 StromPBG/ § 29 Abs. 2 S. 1 u. 2 EWPBG) wurden die Fristen zur Nachweiserbringung der Betriebsvereinbarung bzw. deren Nichtzustandekommen vom 15. Juli 2023 auf den 31. Juli 2023 verlängert.
  • Beim Boni- und Dividendenverbot wurden die Fristen zur formlosen Erklärung über Nichtbeanspruchung einer Entlastungssumme über EUR 25 Mio. vom 31. März 2023 auf 31. Juli 2023 verlängert, § 37a Abs. 6 StromPBG/§ 29a Abs. 6 EWPBG.

Der Änderungsentwurf vom 5. April 2023 verlängert darüber hinaus die Mitteilungsfrist für Unternehmen, die KWK-Anlagen nach § 2 Nr. 13, 14 des Kraft-Wärme-Kopplungsgesetzes betreiben. Solche Unternehmen müssen ihren Energielieferanten jetzt erst zum 31. Mai 2023 über die Mengen leitungsgebundenen Erdgases informieren, die die KWK-Anlage zur Stromerzeugung verbraucht (§ 10 Abs. 4 EWPBG).

Welche wesentlichen Änderungen beinhaltet der Entwurf?

Prüfbehörde

Nachdem privatrechtliche Unternehmen qua Beleihung die Aufgaben der Prüfbehörde wahrnehmen können, darf diese nun auch Vorgaben hinsichtlich der Form machen, in der Mitteilungen ihr gegenüber abzugeben sind. Zudem wird die Möglichkeit zum Erlass einer Rechtsverordnung durch das BMWK im Einvernehmen mit dem BMF geschaffen, mit der eine Behörde bestimmt wird, die einzelne oder alle Aufgaben der Prüfbehörde wahrnimmt. Inwiefern ein damit mögliches „Nebeneinander“ von privatrechtlicher Prüfbehörde und wahrhaftiger Behörde ablaufen soll, wird wohl ebenfalls dieser Rechtsverordnung vorbehalten bleiben.

Zusätzlich wird eine gleichartige Ermächtigung zum Erlass einer Rechtsverordnung zur Bestimmung einer Bundesbehörde geschaffen, die die Ordnungswidrigkeiten verfolgt, die eigentlich von der Prüfbehörde verfolgt werden sollen. Das betrifft die bußgeldbewehrte Mitteilungspflicht der Selbsterklärungen, die ab nächstem Jahr 2024 abzugeben sind (§ 43 Abs. 4 Nr. 3 StromPBG/§ 38 Abs. 4 EWPBG). Von der Möglichkeit der Beleihung eines privatrechtlichen Unternehmens mit den Aufgaben der Prüfbehörde war diese Befugnis nämlich ausgenommen worden. Schließlich wird auch die Möglichkeit zum Erlass einer Rechtsverordnung installiert, die das Procedere möglicher Rückforderungen von Entlastungen durch die Prüfbehörde konkretisiert (sog. Claw-Back-Mechanismus, dazu unten).

Boni- und Dividendenverbot

Das bestehende Boni- und Dividendenverbot (§ 37a StromPBG/§ 29a EWPBG) ab einer Entlastungssumme von EUR 25 Mio. wurde dahingehend konkretisiert, dass diese Grenze für Entlastungssummen (Preisbremsen und weitere staatliche Beihilfen in der Energiekrise) für den gesamten Unternehmensverbund einschließlich der Muttergesellschaft gelten. Vom Wortlaut der bisher geltenden Regelung her bezog sich diese Grenze nämlich nur auf das einzelne Unternehmen. Entsprechend dürften bald deutlich mehr Unternehmen kraft Zugehörigkeit zu einem Unternehmensverbund die Entscheidung zu treffen haben, ob sie auf Boni und Dividenden oder Entlastungen nach den Preisbremsengesetzen verzichten.

Daneben wurde klargestellt, dass nur solche Boni und andere erfasste Bezüge umfasst werden, die tatsächlich für das Kalenderjahr 2023 begründet werden. Die Ausschüttung von Boni für das Jahr 2022 kann daher dieses Jahr erfolgen, was nach der bisherigen Regelung zweifelhaft war. Zudem wird jetzt zwischen einer Entlastungssumme von EUR 25 Mio. und EUR 50 Mio. differenziert: Während bei einer Entlastungssumme zwischen diesen Schwellen Boni und Dividenden für das Jahr 2023 trotzdem ausgezahlt werden können, wenn sie vor dem 1. Dezember 2022 vereinbart wurden, greift diese Privilegierung ab einer Entlastungssumme von EUR 50 Mio. nicht mehr.

Aufgrund dieser Differenzierung wird auch eine zusätzliche Opt-Out-Möglichkeit für Unternehmen geschaffen, vermöge dessen Unternehmen zwar über EUR 25 Mio. Entlastungen nach den Preisbremsen und sonstigen staatlichen Beihilfen in der Energiekrise beziehen können, jedoch nicht über EUR 50 Mio. und in der Folge dann auch nur die Vorgaben für die geringere Schwelle zum Tragen kommen. Die Opt-Out-Möglichkeit war vorher nur insgesamt für eine Deckelung der Entlastungssumme ab EUR 25 Mio. vorgesehen, um dem Boni- und Dividendenverbot gänzlich zu entgehen.

Sog. Claw-Back-Mechanismus

Das StromPBG und das EWPBG haben bisher keine detaillierte Regelung für den Fall vorgesehen, dass Unternehmen (ob gewollt oder nicht) Entlastungen beziehen, die über ihre Höchstgrenzen hinausgehen. Der Änderungsentwurf vom 5. April 2023 sieht hier nun konkrete Vorgaben vor, die durch die (bereits oben angesprochene) Möglichkeit einer diesbezüglichen Rechtsverordnung weiter konkretisiert werden können.

Zunächst werden Energieversorger bzw. Lieferanten bei Vorliegen konkreter Anhaltspunkte für ein Überschreiten von Höchstgrenzen verpflichtet, der Prüfbehörde dies unverzüglich mitzuteilen. Die Prüfbehörde wiederum „soll“ bei Vorliegen konkreter Anhaltspunkte das Verfahren zur Feststellung der Höchstgrenzen einleiten, das bisher nur auf Antrag eines Unternehmens eingeleitet wird. Dieses Verfahren nach § 11 StromPBG/§ 19 EWPBG ist für Unternehmen bzw. Unternehmensverbünde notwendig, die Entlastungen von über EUR 4 Mio. beziehen möchten. Durch die komplizierte Ausgestaltung der Preisbremsen – insbesondere der Höchstgrenzen – und der zunächst eigenverantwortlichen Erstellung der Selbsterklärungen durch die Unternehmen kann es aber dazu kommen, dass zu hohe Entlastungen bezogen werden. Für diesen Fall „kann“ die Prüfbehörde – auch wenn sie in Gestalt eines privatrechtlichen Unternehmens daherkommt – das jeweilige Unternehmen und die mit ihm verbundenen Unternehmen mit Verwaltungsakt verpflichten, die übersteigende Entlastungssumme an die Prüfbehörde auszukehren.

Weicht die Höchstgrenze in der abgegebenen Selbsterklärung von der mit Verfahren gem. § 11 StromPBG/§ 19 EWPBG festgestellten Höchstgrenze ab, muss die Selbsterklärung nach Erlass eines darauf lautenden Verwaltungsakts binnen eines Monats korrigiert werden. Geschieht das nicht, werden keine weiteren Entlastungen gezahlt. Auch der Energieversorger bzw. Lieferant erhält das Recht und die Pflicht zur Rückforderung zu hoher Entlastungen, soweit der Rückforderungsanspruch noch nicht auf die Prüfbehörde übergangen ist. Wann das geschieht bleibt einer weiteren Rechtsverordnung vorbehalten. Widerspruch und Anfechtungsklage gegen Verwaltungsakte durch den Claw-Back-Mechanismus haben keine aufschiebende Wirkung und können daher sofort durch die Prüfbehörde vollzogen werden.

Entlastung für atypische Minderverbräuche

Es wird eine gänzlich neue Entlastungsregelung für Unternehmen geschaffen, die 2021 von staatlichen Corona-Maßnahmen oder von der Flutkatastrophe betroffen waren. Da 2021 das Referenzjahr für die Berechnung des Entlastungskontingents darstellt, kann es hier zu starken Verzerrungen und zu existenzbedrohenden Härtefällen kommen. Der zusätzliche Betrag setzt sich zusammen aus der originären Entlastungssumme, einem Ausgleichsfaktor und einem Anpassungsfaktor. Notwendig ist ein Antrag bei der Prüfbehörde. Das Unternehmen muss mindestens 50 Prozent weniger Energie im Vergleich von 2021 zu 2019 verbraucht haben; es muss Corona-Überbrückungshilfen oder Mittel aus dem Fonds „Aufbauhilfe 2021“ erhalten haben und es muss durch die neue Entlastungsregelung zusätzlich über EUR 10.000 (im Falle von Gas oder Wärme) bzw. EUR 1.000 enthalten (Bagatellgrenze).

In den Genuss dieser Privilegierung kommen jedoch nur Unternehmen, deren Entlastungssumme (bezogen auch auf den Unternehmensverbund, falls vorhanden) EUR 2 Mio. nicht überschreitet. Der Antrag auf Erstattung eines zusätzlichen Entlastungsbetrags kann ab dem 1. September 2023 bis zum Ablauf des 30. September 2023 bei der Prüfbehörde gestellt werden, die auch Berechtigung und Höhe ermittelt sowie die Auszahlung durch die Bundeskasse veranlasst.

Vorläufige Ermittlung von Überschusserlösen

Neu eingefügt wird ferner eine Regelung, mittels der die Mitteilung der Werte für die Ermittlung des Überschusserlöses und Abschöpfungsbetrags nach § 29 Abs. 1 StromPBG durch den Betreiber der Stromerzeugungsanlage an den Übertragungsnetzbetreiber zunächst vorläufig erfolgen kann, wenn diese bei Ablauf der jeweiligen Frist für die Meldung noch nicht oder nicht final feststehen (erste Frist läuft bis zum 31. Juli 2023).

Die vorläufige Mitteilung hat sich soweit möglich an den vorhandenen Daten zu orientieren. Sind keine näheren Anhaltspunkte vorhanden, so sind die Werte zu schätzen. Insofern nur einzelne Angaben vorläufig vorgenommen werden, ist dem Übertragungsnetzbetreiber mitzuteilen, welche der Angaben vorläufig sind. Bei finalem Feststehen der Werte sind diese ihm ebenfalls unverzüglich mitteilen. Insofern sich nach Feststehen der Werte eine Differenz des Überschusserlöses ergibt, ist dies dem Anschlussnetzbetreiber unverzüglich mitzuteilen. Zwischen Betreiber der Stromerzeugungsanlage und dem Anschlussnetzbetreiber erfolgt dann auch ein etwaiger Ausgleich.

Beispiele weiterer Änderungen

Der Entwurf enthält verschiedene weitere Regelungen, bspw.

  • die Entlastungsberechtigung auch bei Gasentnahmestellen mit einem Jahresverbrauch von über 1,5 Mio. kWh, die über Standardlastprofil bilanziert werden (§ 6 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 EWPBG-E),
  • eine Anpassung des Referenzpreises für Heizstrom und den Betrieb von Wärmepumpen (28 ct statt 40 ct je kWh, § 5 Abs. 3 StromPBG-E),
  • eine klarstellende Regelung zur Jahresverbrauchsprognose im Falle des Einbaus einer Wärmepumpe oder einer Ladeeinrichtung für Elektrofahrzeuge (§ 6 S. 3 StromPBG-E),
  • eine klarstellende Regelung für die Höchstgrenzen bei Schienenbahnen (§ 10 StromPBG-E),
  • preisbremsenbedingte Änderungen des Krankenhausfinanzierungsgesetzes sowie des elften Sozialgesetzbuches.

 

Viele Fragen sind noch offen

Auch zukünftig wird man wohl auf die eingangs beschriebenen Umsetzungshilfen des BMWK bauen müssen. Viele Fragen der praktischen Umsetzung der Energiepreisbremsen lässt der Änderungsentwurf vom 5. April 2023 unbeantwortet. Dies gilt insbesondere hinsichtlich der Selbsterklärungen, der korrekten Ermittlung der Höchstgrenzen, der Weitergabe von durchgereichten Entlastungen bei Miete und Pacht sowie der Ermittlung der Überschusserlöse und Reichweite von anrechnungsfähigen Absicherungsgeschäften. Unbefriedigend ist zudem, dass viele zu klärende Punkte in noch zu erlassende Rechtsverordnungen ausgelagert werden.

Auch wenn das BMWK in seinen FAQ in einigen Punkten einen – von den gesetzlichen Vorgaben abweichenden – Standpunkt vertritt, wie die Energiepreisbremsen umzusetzen sind, ändert dies nichts daran, dass die Sicht der Behörde keine rechtsverbindliche Wirkung hat und ein mit der Sache befasstes Gericht zu einem anderen Ergebnis gelangen kann. Mit dieser Unsicherheit der Rechtslage müssen Unternehmen auch weiterhin umgehen und vertretbare und praktisch sinnvolle Lösungen finden.

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Dr. Carmen Schneider

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