Energie und Infrastruktur22.06.2023 Newsletter
Der Energie-Impuls: Unter Strom – EU-Regelungen zu Grünem Wasserstoff und anderen strombasierten Kraftstoffen kurz vor Umsetzung in nationales Recht
Das große Spektakel ist ausgeblieben: Dass das EU-Parlament und der EU-Rat sich nicht gegen den von der EU-Kommission am 10. Februar 2023 veröffentlichten Delegated Act zu den Anforderungen an Grünen Wasserstoff und andere strombasierte Kraftstoffe stellen, war streckenweise ungewiss (wir berichteten). Insbesondere aus dem EU-Parlament wurde Kritik an den Sonderregelungen für Länder mit einem hohen Anteil an Atomkraft laut. Dann jedoch verkündete die EU-Kommissarin für Energie am Abend des 14. Juni 2023 über Twitter die Verabschiedung des Delegated Acts der EU-Kommission. Weder EU-Parlament noch EU-Rat haben binnen der viermonatigen Frist formell Einwendungen geltend gemacht.
Nachdem dann am 20. Juni 2023 der Rechtsakt im Amtsblatt der EU veröffentlicht wurde (EU ABl. L 157 vom 20. Juni 2023, S. 11 ff., 20 ff.), wird er nun am 10. Juli 2023 unter dem Namen "Delegierte Verordnung (EU) 2023/1184 der Kommission vom 10. Februar 2023 zur Ergänzung der Richtlinie (EU) 2018/2001 des Europäischen Parlaments und des Rates durch die Festlegung einer Unionsmethode mit detaillierten Vorschriften für die Erzeugung flüssiger oder gasförmiger erneuerbarer Kraftstoffe nicht biogenen Ursprungs für den Verkehr" (VO (EU) 2023/1184) in Kraft treten.
Deutschland nicht unvorbereitet
Ab dem 10. Juli 2023 gilt die VO (EU) 2023/1184 in allen Mitgliedsstaaten unmittelbar. Den deutschen Gesetzgeber trifft die Verordnung nicht unvorbereitet. Das Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz, nukleare Sicherheit und Verbraucherschutz (BMUV) hat scheinbar schon die nationale Umsetzung der Verordnung in der Hinterhand. Dafür spricht jedenfalls ein bisher unveröffentlichter Referentenentwurf vom 26. April 2023 des BMUV mit dem unspektakulären Namen "Verordnung zur Neufassung der siebenunddreißigsten Verordnung zur Durchführung des Bundes-Immissionsschutzgesetzes" (Referentenentwurf).
Der Inhalt hat es jedoch in sich: Neben der VO (EU) 2023/1184 wird in dem Referentenentwurf gleich der zweite Delegated Act der EU-Kommission mit umgesetzt (zu Mindestschwellenwerten und der Berechnung für die Treibhausgaseinsparungen). Damit nicht genug, enthält der Referentenentwurf zudem ein System zur Nachweisführung über die strombasierten, grünen Kraftstoffe. Dieses ist dem bestehenden System nach der Biokraftstoff-Nachhaltigkeitsverordnung nachempfunden. Zuständige Behörde für die Gesamtverordnung im Referentenentwurf ist – insofern auch wenig überraschend – das Umweltbundesamt.
Da die VO (EU) 2023/1184 und die Umsetzung des zweiten Delegated Act zu Treibhausgaseinsparungen nach Inkrafttreten unmittelbar und insgesamt gelten, bleibt dem deutschen Gesetzgeber für Abweichungen wenig Raum. Die Begründung des Referentenentwurfs spricht verständlicherweise an mehreren Stellen davon, dass die europäischen Vorgaben "1:1" umgesetzt werden. Darum bleibt der Fokus des Referentenentwurfs auf den Verkehrssektor erhalten.
Was noch kommt
Die Planungssicherheit hat sich jetzt vor allem für die Akteure der Wasserstoffwirtschaft erhöht. Das Ende der Fahnenstange dürfte indes noch lange nicht erreicht sein. Beispielsweise fallen nach § 25 des Energiefinanzierungsgesetzes (EnFG) keine Umlagen (Offshore-Netzumlage und KWKG-Umlage) für den Strom an, der zur Herstellung von Grünem Wasserstoff verwendet wird.
Die Anforderungen an Grünen Wasserstoff werden gem. § 26 EnFG, § 93 EEG 2023 in einer Verordnung festgelegt. Der Referentenentwurf ist jedoch nicht so konzipiert, diese Verordnung zu sein. Vielmehr war eine derartige Verordnung schon einmal in Kraft (BGBl. I 2021, S. 2860 ff.), wurde jedoch in Erwartung der europäischen Vorgaben wieder aufgehoben (BGBl. I 2022, S. 1237 ff.).
Natürlich liegt es nahe, sich im Wesentlichen an den Vorgaben der VO (EU) 2023/1184 zu orientieren, die wohl bald basierend auf dem Referentenentwurf in nationales Recht umgesetzt werden. Ob §§ 25, 26 EnFG, § 93 EEG 2023 dann weiterhin lediglich Grünen Wasserstoff betreffen oder auch andere strombasierte Kraftstoffe, bleibt abzuwarten. Jedenfalls gibt es in diesem Zuge keine durchgreifenden Zweifel daran, dass die Vorgaben für strombasierte, grüne Kraftstoffe wie Grüner Wasserstoff über den Verkehrssektor hinaus auf andere Sektoren ausgedehnt werden.
Daneben arbeitet die Bundesregierung aktuell an der Überarbeitung der im Juni 2020 verabschiedeten Nationalen Wasserstoffstrategie. Auch hier kursierten zuletzt Entwürfe. Zeitungsberichten zufolge können Interessierte die Verabschiedung der überarbeiteten Nationalen Wasserstoffstrategie durch das Bundeskabinett ab Juli 2023 erwarten.
Auf europäischer Ebene steht die Novellierung der Erneuerbaren-Energien-Richtlinie aus (RED II wird zu RED III). Auch hier erwarten Akteure der Branche eine Ausdehnung der Vorgaben für Grünen Wasserstoff und andere strombasierte Kraftstoffe auf weitere Sektoren neben dem Verkehrssektor.