Handel und KonsumgüterCompliance & Internal Investigations / Öffentliches Wirtschaftsrecht29.11.2024 Newsletter
Die neue Ökodesign-Verordnung und delegierte Rechtsakte – Unternehmen können mitgestalten
Die Ökodesign-Verordnung für nachhaltige Produkte (EU) 2024/1781 (Ecodesign for Sustainable Products Regulation, „ESPR“) löste am 18. Juli 2024 die Ökodesign-Richtlinie (2009/125/EG) ab. Die ESPR verfolgt das Ziel, nachhaltige Produkte zur Norm auf dem EU-Binnenmarkt zu machen und ihre Umwelt- und Klimaauswirkungen insgesamt zu verringern. Unternehmen können sich noch bis zum 5. Dezember 2024 registrieren, um delegierte Verordnungen mitzugestalten.
Ökodesign-Anforderungen für nahezu alle Produkte
Der sachliche Anwendungsbereich der ESPR umfasst alle physischen Waren, die in Verkehr gebracht oder in Betrieb genommen werden, einschließlich Bauteile und Zwischenprodukte. Ausgenommen sind nur wenige Produktbereiche, wie bestimmte Lebensmittel, Arzneimittel, Tiere und besondere Fahrzeuge. Persönlich gilt die ESPR für alle Wirtschaftsteilnehmer, die entsprechende Produkte in Verkehr bringen oder in Betrieb nehmen (Hersteller, Bevollmächtigte, Importeure, Vertreiber, Händler und Fulfillment-Dienstleister).
Die ESPR gibt einen Rahmen von sog. „Produktaspekten“ vor, an denen die Nachhaltigkeit eines Produkts zu messen ist. Hierzu gehören Langlebigkeit, nachhaltiges Produktdesign, Recyclingfähigkeit, hoher Recyclinganteil, energiesparende Herstellung/Verwendung, Vermeidung von schädlichen Substanzen und geringer CO2-Ausstoß/Umweltbelastung währenddesgesamtem Lebenszyklus des Produkts.
Ökodesign-Anforderungen durch delegierte Verordnungen – Unternehmen können mitgestalten
Die EU-Kommission wird peu à peu in delegierten Verordnungen konkrete Mindestanforderungen für die einzelnen Produktaspekte einführen. Diese können produktspezifisch oder produktübergreifend sein. Der erste delegierte Rechtsakt wird frühestens am 19. Juli 2025 in Kraft treten. Die Besonderheit der delegierten Rechtsakte besteht darin, dass die EU-Kommission Sachverständige aus den EU-Mitgliedstaaten konsultiert bevor sie den Rechtsakt erlässt. Daher können sich noch bis zum 5. Dezember 2024 Vertreter aus der Industrie, der Zivilgesellschaft und der Wissenschaft für die Teilnahme am Ökodesign-Forum bewerben, um die jeweilige delegierten Verordnung als Interessengruppe mitzugestalten.
Nach Veröffentlichung im Amtsblatt haben die betroffenen Unternehmen 18 Monate Zeit, die Vorschriften der delegierten Verordnung umzusetzen. Für kleine und mittlere Unternehmen (KMU) werden voraussichtlich Ausnahmen gelten. Die Mitgliedsstaaten und die EU-Kommission sollen außerdem finanzielle, technische und organisatorische Maßnahmen (z. B. Erstellung von Leitlinien, digitale Instrumente, Fachschulungen) vorsehen, um KMU zu unterstützen. Die von der EU-Kommission aufgrund der ESPR erlassenen delegierten Rechtsakte sollen zugleich verbindliche Anforderungen für eine umweltorientierte Vergabe öffentlicher Aufträge darstellen.
Alle relevanten Informationen im digitalen Produktpass
Die Unternehmen treffen zudem weitreichende Informationspflichten u. a. bezüglich der Haltbarkeit, der Reparierbarkeit und dem CO2- und Umweltfußabdruck. Diese Informationen sind im Digitalen Produktpass („DPP“) zu speichern.
Auch hier ist es Aufgabe der EU-Kommission in Zusammenarbeit mit den Interessengruppen den Inhalt des DPP auf den jeweiligen Produkttyp zuzuschneiden (z. B. Material und Herkunft, Recyclingmerkmale, technische Leistung oder Reparaturinformationen). Sowohl Verbraucher als auch die Zollbehörden können durch die Informationen im DPP, die in ein öffentliches Webportal hochgeladen werden sollen, überprüfen, ob die Nachhaltigkeitsanforderungen vom Unternehmen eingehalten wurden.
Maßnahmen gegen Vernichtung unverkaufter Ware
Ab dem 19. Juli 2026 verbietet die ESPR Unternehmen zunächst nur, unverkaufte Textilerzeugnisse und Schuhe zu vernichten (Art. 25 ESPR). Dies umfasst auch als Retouren zurückgeschickte Neuwaren. Kleinst- und Kleinunternehmen sind von der Regelung ausgenommen; für mittlere Unternehmen gilt das Verbot erst ab dem 19. Juli 2030. Die EU-Kommission kann die Liste der Produkte durch delegierte Rechtsakte mit entsprechenden Umsetzungsfristen erweitern. Unternehmen in der Textilindustrie müssen sich daher in Zukunft mehr Gedanken beim Umgang mit Lagerware und zu alternativen Vertriebswegen machen.
Wirtschaftsteilnehmer müssen zudem die Vernichtung jeglicher unverkauften Verbraucherprodukte durch „erforderliche Maßnahmen“ verhindern und über erfolgte Vernichtungen mit entsprechender Begründung informieren. Mögliche Ausnahmen und Einzelheiten sind erst mit dem delegierten Rechtsakt der EU-Kommission zu erwarten.
Was bedeutet das für Unternehmen?
Die meisten Änderungen sind von noch zu erlassenen delegierten Rechtsakten der EU-Kommission abhängig. Diese werden die Ökodesign-Anforderungen für einzelne Produkte festlegen.
Welche Sanktionen bei Verstößen gegen die Regelungen drohen, hängt von der Umsetzung ins deutsche Recht ab. Die bisherige Rechtslage sah Bußgelder von bis zu 50.000 Euro vor, so etwa bei energieverbrauchsrelevanten Produkten. Bußgelder bei Verstößen gegen die ESPR dürften in Zukunft deutlich höher ausfallen.
Verbrauchern steht nach der ESPR zudem ein Schadensersatzanspruch zu, wenn die Produkte nicht den Ökodesign-Anforderungen aus den delegierten Rechtsakten entsprechen.
Unternehmen müssen frühzeitig sicherstellen, dass ihre Produkte den Vorgaben der ESPR entsprechen. Das gilt insbesondere, wenn sie an öffentlichen Ausschreibungen in der EU teilnehmen möchten.