Private ClientsNachfolge, Vermögen, Stiftungen28.02.2025 Newsletter
Datenschutz vs. Transparenz: BGH setzt neue Grenzen für öffentliche Register
Im Juni 2024 entschied der Bundesgerichtshof, dass ein früherer Vorstandsvorsitzender eines Vereins 20 Jahre nach seinem Ausscheiden verlangen kann, dass seine persönlichen Daten – wie Name, Geburtsdatum und Wohnort – im Vereinsregister nur noch eingeschränkt zugänglich sind (BGH, Beschluss vom 4. Juni 2024 – II ZB 10/23). Diese Entscheidung stärkt in der Theorie die Rechte der Vorstandsmitglieder von Vereinen.
Der Fall betraf einen ehemaligen Vorstandsvorsitzenden eines Datenschutzvereins, der sich gegen die dauerhafte Verfügbarkeit seiner persönlichen Daten im Registerportal des Vereinsregisters wandte, nachdem er bereits zwei Jahrzehnte nicht mehr im Amt war.
Das Vereinsregister dient, ähnlich wie das Handelsregister für Personen- und Kapitalgesellschaften, der Information der Öffentlichkeit über eingetragene Vereine, die keinen wirtschaftlichen Zweck verfolgen. Darin eingetragen sind neben allgemeinen Informationen zum Verein und den Vertretungsverhältnissen auch persönliche Informationen wie Name, Geburtsdatum und Wohnort der Vorstandsmitglieder.
Über das elektronische Registerportal kann das Vereinsregister grundsätzlich von jedem uneingeschränkt eingesehen werden. Auch wenn die Informationen nicht mehr aktuell sind, also beispielsweise ein Vorstandsmitglied ausgeschieden ist, werden diese Daten nicht gelöscht oder unkenntlich gemacht. Veraltete Informationen werden lediglich farblich unterlegt und bleiben damit für die Öffentlichkeit weiterhin zugänglich.
Der BGH entschied, dass Betroffene im Einzelfall aus Art. 17 Abs. 1 lit. d DSGVO eine Beschränkung des Zugangs zu ihren Daten verlangen können. Der BGH betont zwar die Bedeutung der Informations- und Publizitätsfunktion des Registers, verlangt aber, dass die Verarbeitung der Daten im Register mit Hinblick auf diese schützenswerten Interessen angemessen sein muss (Art. 6 Abs. 3 S. 4 DSGVO).
Zwar seien die im Register zur Verfügung gestellten Daten nicht als besonders sensibel einzustufen, wegen der unbeschränkten Abrufbarkeit stelle sich jedoch ein schwerwiegender Kontrollverlust ein. Im Laufe der Zeit nehme nach dem Ausscheiden des Betroffenen das öffentliche Interesse an den Informationen ab, sodass die unbeschränkte Bereitstellung im Einzelfall unangemessen sein könne. Wann dies der Fall ist, sei einzelfallabhängig.
Der BGH stellt in der Entscheidungsbegründung auf Aufbewahrungs- und Verjährungsfristen ab und legt nahe, dass innerhalb der ersten zehn Jahre nach dem Ausscheiden eine Beschränkung in der Regel nicht gerechtfertigt sei. Der BGH nahm auch Bezug auf den Vereinszweck, der vorliegend keine Anhaltspunkte für ein weitergehendes öffentliches Interesse biete. Dass der Antragssteller die Verfügbarkeit der Daten im Internet selbst veranlasst hatte, konnte ihm in diesem Fall nicht zur Last gelegt werden, denn zum Zeitpunkt seiner Anmeldung war eine Bereitstellung im elektronisch zugänglichen Registerprotal noch nicht vorgesehen. Ein Anspruch auf vollständige Löschung der Daten folge hieraus jedoch nicht. Das verbleibende Interesse im Einzelfall rechtfertige die anhaltende Speicherung der Daten.
In der Konsequenz wird das grundsätzlich unbeschränkte Einsichtsrecht in das Vereinsregister eingeschränkt. In Fällen wie dem obigen kann der Zugang zu den Daten nur verlangt werden, wenn ein berechtigtes Interesse dargelegt wird.
Es wird sich zeigen, wie die Rechtsprechung die Einzelfallabwägung in Zukunft konkretisieren wird. Keinen Eingang in die Entscheidung fand zum Beispiel die Frage, inwieweit neben dem Zweck des Vereins auch die Größe, die Wirkweite und die daraus resultierende tatsächliche Teilnahme am Rechtsverkehr das öffentliche Interesse beeinflusst. Hier dürfte zu erwarten sein, dass eine größere Beteiligung am Rechts- und Wirtschaftsverkehr für ein längerfristiges öffentliches Interesse spricht.
Unklar bleibt weiterhin, wie genau die Beschränkung des Zugangs zu den Daten im Vereinsregister in der Praxis vollzogen wird. Auch Monate nach der Entscheidung sind die Daten weiterhin unbeschränkt abrufbar – es fehlt an der praktischen Umsetzung des Urteils. Der Deutsche Vereinigung für Datenschutz e.V. (DVD) teilte in seiner Pressemitteilung vom 17. Februar 2025 mit, dass nach Rückmeldung des Registergerichts diesem schlicht die technischen Möglichkeiten und Voraussetzungen fehlen würden, um den Beschluss des BGH (im Registerportal der Länder) umzusetzen. Hier dürfte auch zu berücksichtigen sein, dass historische Daten aus der Zeit vor der Umstellung auf die elektronische Registerführung in der Regel als Scans der alten Papier-Register hinterlegt sind, was eine Schwärzung natürlich erschwert.
Ob und inwieweit diese Entscheidung auf andere Register übertragen werden kann, bleibt abzuwarten. Die datenschutzrechtlichen Grundlagen der Entscheidung gelten allgemein und daher auch für andere Register. Auch für diese ist also das berechtigte Interesse der Betroffenen am Schutz ihrer Daten mit dem Informationsinteresse der Öffentlichkeit in Einklang zu bringen.
Der BGH hat jedoch deutlich gemacht, dass es sich um eine Einzelfallabwägung handelt. In seiner Abwägung bezog der BGH daher auch den Vereinszweck mit ein. Aufgrund der grundsätzlich stärkeren wirtschaftlichen Ausrichtung der im Handelsregister und Gesellschaftsregister geführten Gesellschaften könnte das öffentliche Interesse an der Einsichtnahme in die persönlichen Daten höher zu bewerten sein und eine andere Entscheidung rechtfertigen. Außerdem bleibt abzuwarten, welchen Einfluss es hat, wenn die betreffende Person erst zu einem Organ bestellt wurde, nachdem das elektronisch einsehbare Registerportal eingeführt wurde.
Oppenhoff steht Ihnen bei allen Fragen rund um den Schutz der eigenen Privatsphäre und der Privatheit Ihrer Familie beratend zur Seite und unterstützt Sie gerne im Rahmen des Family Risk und Privacy Managements bei der Auswertung, Überwachung und Vermeidung öffentlich einsehbarer Daten. Zu den allgemeinen Risiken im Zusammenhang mit den Transparenzpflichten, die für vermögende Privatpersonen und Unternehmer relevant sind, haben wir kürzlich im Beitrag „Transparenzpflichten und öffentliche Register: Wenn die Gläsernheit von Unternehmen und vermögenden Privatpersonen zur Gefahr wird“umfangreich aufgeklärt.
Dr. Jennifer Zimmermann
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