Arbeitsrecht24.04.2020Köln Newsletter
Corona-Pandemie: Befristete Änderungen der Arbeitszeitvorgaben für bestimmte Tätigkeiten
Der Gesetzgeber hatte mit dem Sozialschutzpaket eine Neuregelung in § 14 Abs. 4 Arbeitszeitgesetz (ArbZG) aufgenommen, die es ermöglicht in außergewöhnlichen Notfällen mit bundesweiten Auswirkungen, insbesondere in epidemischen Lagen von nationaler Tragweite, Änderungen für bestimmte Tätigkeiten der Arbeitnehmer für einen befristeten Zeitraum Ausnahmen von bestehenden arbeitszeitrechtlichen Vorgaben zuzulassen.
Das Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS) hat auf dieser Grundlage die Verordnung zu Abweichungen vom Arbeitszeitgesetz infolge der COVID-19-Epidemie (COVID-19-Arbeitszeitverordnung) vom 07.04.2020 erlassen (https://www.bmas.de/SharedDocs/Downloads/DE/PDF-Gesetze/arbeitszeitverordnung.pdf;jsessionid=4ADACBA4B0AD037285E3F5FB74786EBF?__blob=publicationFile&v=2). Die Verordnung wurde am 09.04.2020 im Bundesanzeiger verkündet und ist sodann am 10.04.2020 in Kraft getreten.
1. Geltungsbereich der Verordnung
In sachlicher Hinsicht gilt die Verordnung ausschließlich für bestimmte, in § 1 Abs. 2 der COVID-19-Arbeitszeitverordnung festgelegte Tätigkeiten. Diese umfassen unter anderem die Herstellung und den Transport von Waren des täglichen Bedarfs, Medizinprodukten und Arzneien, Tätigkeiten in Gesundheitsdiensten, der Feuerwehr und beim Zivilschutz, Tätigkeiten zur Aufrechterhaltung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung sowie Tätigkeiten bei Behörden und Energieversorgern.
Die aufgrund der Verordnung konkret zugelassenen Ausnahmen von den Bestimmungen des ArbZG gelten in zeitlicher Hinsicht zunächst befristet bis zum 30.06.2020. Die Verordnung tritt einen Monat später, am 31.07.2020 außer Kraft. Dadurch soll sichergestellt werden, dass beispielsweise im Falle der verkürzten Ruhezeit zu gewährende Ausgleich innerhalb der Laufzeit der Verordnung erfolgen kann.
2. Regelungsgegenstände der Verordnung und Änderungen der Rechtslage
Die Verordnung lässt für bestimmte Tätigkeiten Ausnahmen von den Regelungen des ArbZG in Bezug auf die Höchstarbeitszeiten, die Mindestruhezeiten sowie Tätigkeiten an Sonn- und Feiertagen zu.
2.1. Höchstarbeitszeiten (§ 1 Abs. 1, 3 COVID-19-Arbeitszeitverordnung)
In der Verordnung ist vorgesehen, dass die werktägliche Arbeitszeit in den entsprechenden Tätigkeitsfeldern auf bis zu 12 Stunden täglich ausgeweitet werden kann, soweit diese Verlängerung der werktäglichen Arbeitszeit nicht durch organisatorische Maßnahmen vermieden werden kann.
Der Arbeitgeber hat demnach zunächst zu prüfen, ob die Mehrarbeit nicht durch anderweitige Maßnahmen, wie z.B. die Umsetzung geeigneter Mitarbeiter, vermieden werden kann. Maßgeblich für die Ausweitung der individuellen Arbeitszeit ist explizit, dass es Tätigkeiten sind, die wegen der Corona-Pandemie erfolgen.
Sofern eine Verlängerung der werktäglichen Arbeitszeit erfolgt, ist zu beachten, dass die wöchentliche Arbeitszeit dabei 60 Stunden grundsätzlich nicht überschreiten darf. Etwas Anderes gilt nur in dringenden Ausnahmefällen, wenn sich die Verlängerung der wöchentlichen Arbeitszeit nicht durch organisatorische oder personalwirtschaftliche Maßnahmen vermeiden lässt. Die Anforderungen an die Überschreitung der wöchentlichen Arbeitszeit von 60 Stunden sind damit enger gefasst, als die Anforderungen an die Überschreitung der werktäglichen Arbeitszeit.
An die Verlängerung der werktäglichen Arbeitszeit unmittelbar genknüpft bleibt die Vorgabe des Ausgleichs nach § 3 Satz 2 ArbZG. D.h., dass eine Verlängerung nur erfolgen kann, wenn die werktägliche Arbeitszeit innerhalb von sechs Monaten im Durchschnitt acht Stunden (das bedeutet 48 Stunden wöchentlich) nicht überschreitet. Dementsprechend hat ein Ausgleich zu erfolgen.
2.2. Mindestruhezeiten (§ 2 COVID-19-Arbeitszeitverordnung)
In der Verordnung ist zudem vorgesehen, dass die einzuhaltenden Ruhezeiten von 11 Stunden um bis zu zwei Stunden auf 9 Stunden für die bestimmten Tätigkeiten verkürzt werden können. Die Verkürzung muss konkret notwendig sein, um die Verordnungsziele zu gewährleisten. Auch hier ist maßgeblich für die Verkürzung der Ruhezeit, dass es Tätigkeiten sind, die wegen der Corona-Pandemie erfolgen.
Um dem Gesundheitsschutz der Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen Genüge zu tun, hat innerhalb von vier Wochen ein Ausgleich der verkürzten Ruhezeit zu erfolgen, nach Möglichkeit durch die Gewährung freier Tage, ansonsten durch die Verlängerung anderer Ruhezeiten auf jeweils mindestens 13 Stunden.
2.3. Sonn- und Feiertagsbeschäftigung (§ 3 COVID-19-Arbeitszeitverordnung)
Um die Versorgung der Bevölkerung in allen existentiellen Bereichen zu gewährleisten, dürfen Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen mit den bestimmten Tätigkeiten nun grundsätzlich auch an Sonn- und Feiertagen beschäftigt werden. Dies gilt nur, soweit die Arbeiten nicht an Werktagen vorgenommen werden können.
Für Betriebe im Bereich des Verkaufs ist zu beachten, dass aufgrund dessen, dass Gesetze über den Ladenschluss von Bund und Ländern von den Regelungen der Verordnung unberührt bleiben, die Regelungen der Verordnung nur gelten, soweit diese Gesetze den Regelungen der Verordnung nicht entgegenstehen.
Ein entsprechender Ersatzruhetag für das Tätigwerden an einem Sonntag, muss innerhalb von acht Wochen gewährt werden, spätestens jedoch bis zum Außerkrafttreten der Verordnung am 31.07.2020.
Die Regelungen des ArbZG für Sonn- und Feiertagsarbeit sind im Übrigen unverändert anzuwenden, sodass auch weiterhin 15 Sonntage im Jahr beschäftigungsfrei bleiben müssen (§ 11 Abs. 1 ArbZG). Ferner besteht für die Arbeit an Feiertagen unverändert ein Ausgleichszeitraum von acht Wochen (§ 11 Abs. 3 ArbZG).