Nachhaltigkeit, Energie und InfrastrukturEnergiewirtschaftsrecht23.12.2022 Newsletter
Chile und die Europäische Union modernisieren ihr Assoziierungsabkommen und setzen starke Impulse für ihren Austausch in den für den Klimawandel strategischen Branchen Grüner Wasserstoff und Lithium
Deutsche und europäische Investoren im Energie- und Rohstoffsektor mit Blick auf den Austausch zwischen Chile und der EU - zwei gleichgesinnten Regionen mit gemeinsamen demokratischen Werten und ambitionierten Klimaschutzzielen - können sich Ende dieses Jahres über den Abschluss der Verhandlungen zur Modernisierung des Assoziierungsabkommens zwischen Chile und der EU aus dem Jahr 2002 freuen, das u.a. ausdrückliche Bestimmungen enthält, um europäischen Investoren, Abnehmern und Verbrauchern den Zugang zu grünem Wasserstoff, grünem Ammoniak, E-Fuels und Lithium auf nachhaltige Weise zu sichern. Darüber hinaus hat Chile Ende November ein wegweisendes Gesetz zur Speicherung von elektrischer Energie und zur Elektromobilität erlassen, das wesentlich dazu beiträgt, die aktuellen Herausforderungen bei der Konsolidierung des Sektors der erneuerbaren Energien in dem Andenstaat zu überwinden.
Bereits 2002 schlossen die EU und Chile ein Assoziierungsabkommen, das aus einem umfassenden Freihandelsabkommen besteht. Seit seinem Inkrafttreten wurden die Handels- und Investitionsbeziehungen zwischen den beiden Regionen erfolgreich angekurbelt, was zu einem Anstieg des bilateralen Handels um 142 Prozent zwischen 2002 und 2021 führte. Im Jahr 2017 wurden weitere Verhandlungen zur Modernisierung des Assoziierungsabkommens aufgenommen, um alle relevanten Bereiche der Beziehungen zwischen der EU und Chile besser widerzuspiegeln und den politischen, wirtschaftlichen und technologischen Veränderungen der letzten 20 Jahre Rechnung zu tragen. Am 9. Dezember 2022 schlossen die Europäische Union und Chile die Verhandlungen über das Assoziierungsabkommen endgültig ab, das nun als fortgeschrittenes Rahmenabkommen bezeichnet wird.
Die Bestimmungen über den nachhaltigen Zugang zum grünen Wasserstoff und zu Rohstoffen wie Lithium bieten interessante Möglichkeiten: Chile kann kostengünstig in Strom aus Wind- und Sonnenenergie erzeugen und damit auch grünen Wasserstoff, grünes Ammoniak und E-Fuels ressourcenschonend herstellen. Chile hat sich zum Ziel gesetzt, bis 2030 der weltweit kostengünstigste Produzent von grünem Wasserstoff zu werden und bis 2040 zu den drei größten Wasserstoffexporteuren der Welt zu gehören. EU-Mitgliedstaaten wie Deutschland, die Niederlande und Belgien haben bereits Absichtserklärungen für den Handel mit Chile um Wasserstoff zu ermöglichen.
Chile plant, bis 2040 mehr als 200 GW an erneuerbaren Energiekapazitäten allein für die Wasserstoffproduktion zu installieren – das Zehnfache dessen, was das Land für den Inlandsverbrauch benötigt. Dies entspricht einem Wert von rund 220 Milliarden US-Dollar. Das Abkommen zwischen der EU und Chile bietet einen attraktiven und sicheren Rahmen für Handel und Investitionen im Bereich Wasserstoff und erneuerbare Stromerzeugung. Weiterhin wird eine nachhaltige Produktion und Verarbeitung sowie ein diskriminierungsfreier Zugang zum chilenischen Wasserstoffmarkt gewährleistet, z. B. durch das Verbot von Ausfuhrmonopolen, Ausfuhrlizenzen, Ausfuhrsteuern und eine disziplinierende Preisregulierung. Dies soll auch für Stromnetze gelten. Dies wird von einer unabhängigen Stelle überwacht. Deutsche und europäische Unternehmen können gleichberechtigt mit einheimischen Unternehmen in Kapazitäten zur Erzeugung von Strom aus erneuerbaren Energien oder Wasserstoff investieren. Das Abkommen sieht eine Zusammenarbeit für erleichterten Wasserstoffhandel vor, beispielsweise durch die Harmonisierung von Zertifizierungssystemen für erneuerbare Kraftstoffe, die Beseitigung von Handelshemmnissen für Wasserstoff und die Förderung der Wasserstoffproduktion.
Auch Lithium ist von entscheidender Bedeutung für den EU Green Deal. Es gilt als unverzichtbar für die Herstellung von Batterien für Elektrofahrzeuge und andere Energiespeicher. Die Nachfrage und der Wettbewerb um Lithium nehmen rasant zu Chile ist derzeit einer der größten Lithiumlieferanten der Welt: von hier stammten 2020 40 Prozent des weltweiten Lithiumangebots und rund 80 Prozent aller EU-Einfuhren. Das Rahmenabkommen zwischen der EU und Chile soll den Zugang zum benötigten Lithium sichern und höchsten Nachhaltigkeitsstandards gerecht werden. Das Modernisierungsabkommen gewährleistet außerdem einen diskriminierungsfreien Zugang durch verbotene Ausfuhr- und Einfuhrmonopolen für Rohstoffe und garantiert, dass keinem bestimmten Unternehmen exklusive Handelsrechte eingeräumt werden. Mit dem Abkommen verpflichtet sich Chile außerdem, keine Preisziele einzuführen, die unter dem Marktpreis des Vorjahres liegen, und keine Ausfuhrbeschränkungen in die EU anzuwenden.
Auf dem Energiemarkt verabschiedete der chilenische Gesetzgeber Ende November 2022 das lang erwartete Gesetz für Entwickler und Investoren im Bereich der erneuerbaren Energien in Chile: Das neue chilenische Gesetz zur Förderung der Speicherung elektrischer Energie und der Elektromobilität (Gesetz Nr. 21.505/2022) trat in Kraft.
Aufgrund der geografischen Lage Chiles und weil sich einige Teile des Stromnetzes noch im Ausbau befinden, besteht das Problem des Curtailment weiterhin: Die Produktion von erneuerbaren Energien, insbesondere im sonnenreichen Norden des Landes, kann wegen eingeschränkter Übertragung von Energie in dichter besiedelte Regionen mit hoher Nachfrage begrenzt sein. Vor diesem Hintergrund ist die Installation von Speicheranlagen, insbesondere von Batterie-Energiespeichersystemen (BESS), eine vielversprechende Lösung.
Das neue Gesetz über elektrische Speicher ist deshalb ein Schritt nach vorne. Es besorgt für ein hohes Investitionspotenzial, da es darauf abzielt, Projekte im Bereich der erneuerbaren Energien für die Entwicklung und den Bau sowohl von eigenständigen Batteriespeichern als auch für die Kombination mit Kraftwerken zu erleichtern und zu sichern. Das neue Gesetz definiert eine neue Kategorie von Erzeugungs- und Verbrauchssystemen (sistema generación-consumo) innerhalb des allgemeinen Gesetzes über elektrische Dienstleistungen in Chile. Projekte dieser neuen Kategorie können einerseits Energie aus dem Stromnetz entnehmen und speichern, andererseits aber auch Überschüsse in das Netz einspeisen. Die Speichersysteme unterliegen ebenfalls der Koordinierung durch die nationale Stromkoordinierungsstelle (Coordinador Eléctrico Nacional). Sie können auch an Energie- und Stromübertragungen teilnehmen und werden nach den aktuellen Grenzkosten des Stromsystems bzw. den so genannten „Knotenpreisen“ (Preise auf der Erzeugungs- und Transportebene, bestehend aus Energiepreis und Spitzenstrompreis) vergütet.
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