Arbeitsrecht18.01.2023 Newsletter
Chief Restructuring Officer – Krisenmeister und … abhängig Beschäftigter
Kostensteigerungen, Umsatzeinbrüche, fehlende Liquidität: Unternehmen stehen in diesen Tagen vor großen Herausforderungen. Ist das Unternehmen in der Krise angekommen, braucht es erfahrene Personen, die solche Situationen kennen und das Management unterstützen oder das Management sogar übernehmen. Dafür werden wieder vermehrt Chief Restructuring Officer (CRO) eingesetzt. Wir erklären, welche Aufgaben der CRO typischerweise übernimmt und was aus rechtlicher Sicht für diese Position zu beachten ist.
Ein CRO ist ein Krisenmanager, der befristet beim jeweiligen Unternehmen im Einsatz sein sollte. Unternehmen leben davon, dass ein CRO weitreichende Erfahrungen mit Krisensituationen hat, die er dann für das betroffene Unternehmen einsetzt. In der Praxis sind es häufig selbstständige Unternehmensberater oder Experten aus Sanierungsberatungen, die die Rolle des CRO als Interimsmanager übernehmen.
Der CRO setzt den Restrukturierungsplan um. Dazu ist er in der Regel eng in die Unternehmensorganisation eingebunden und nimmt im Einzelfall zusätzlich eine Organstellung in dem zu sanierenden Unternehmen ein. Damit stellt sich die Frage nach seiner Beauftragung und damit unmittelbar der Sozialversicherungspflicht. Dieser Beitrag beleuchtet vor allem die sozialversicherungsrechtliche Einordnung eines CRO.
Funktionen und Aufgaben eines CRO
Dem CRO kommen als Teil der Managementebene verschiedene Funktionen zu, abhängig von den Zielen des Restrukturierungskonzepts. Hierzu gehören:
- Veto-, Initiativ- und Informationsrechte für alle umzusetzenden Liquiditätsmaßnahmen,
- Verhandlung und Kommunikation mit Gläubigern, Anteilseignern des zu sanierenden Unternehmens und Kreditinstituten
- und im Falle einer Bestellung zum Geschäftsführer die Vertretung des Unternehmens im Außenverhältnis.
Um die für die Restrukturierung eines Unternehmens erforderlichen Maßnahmen umzusetzen, bindet der CRO im Innenverhältnis das Management ein. Er fungiert – aufgrund der typischerweise diametralen Interessen von Gläubigern, Kreditinstituten und Unternehmensmanagement – als Kommunikator und Vermittler während des gesamten Restrukturierungsprozesses.
Anders formuliert: Der CRO erfüllt in praktischer Hinsicht Aufgaben der Geschäftsführung und nimmt Funktionen wahr, die deutlich über die Konzeption eines Restrukturierungskonzepts hinausreichen. Bei komplexeren Restrukturierungen dauert die Umsetzung durch den CRO oft mehrere Jahre. Sie ist deshalb nicht im Voraus auf ein eng umgrenztes Restrukturierungsprojekt innerhalb einer einzelnen Maßnahme beschränkt.
Dienstvertraglicher Status eines CRO
Der CRO schließt mit dem Unternehmen regelmäßig einen Dienstvertrag und erbringt höchstpersönliche Dienste. Räumt das Unternehmen dem CRO durch eine Bestellung zum Geschäftsführer oder Vorstand darüber hinaus eine Organstellung ein, tritt diese neben den schuldrechtlichen Anstellungsvertrag und begründet für den CRO weitergehende gesellschaftsrechtliche Rechte und Pflichten.
Sozialversicherungsrechtlicher Status eines CRO
Wird ein CRO angestellt, stellt sich die Frage nach seinem sozialversicherungsrechtlichen Status, genauer nach einer sozialversicherungspflichtigen abhängigen Beschäftigung (vgl. § 7 Abs. 1 Satz 1 SGB IV). Hierbei handelt es sich um „eine Tätigkeit nach Weisungen und eine Eingliederung in die Arbeitsorganisation des Weisungsgebers“.
Höchstrichterlich ist der sozialversicherungsrechtliche Status des CRO noch ungeklärt. Die Instanzrechtsprechung ermittelt eine potenzielle Sozialversicherungspflicht – wenig überraschend – anhand der entwickelten Kriterien für eine abhängige Beschäftigung nach § 7 Abs. 1 Satz 2 SGB IV im Rahmen einer Gesamtwürdigung.
Entscheidend für die Bewertung des sozialversicherungsrechtlichen Status sind die tatsächlichen Verhältnisse der Tätigkeit, speziell im Hinblick auf die Merkmale der Weisungsgebundenheit und der Eingliederung in die Arbeitsorganisation des Unternehmens (vgl. § 7 Abs. 1 Satz 1 und 2 SGB IV). Der CRO erfüllt ein umfassendes Aufgabenspektrum als Teil des Managements und ist in die Arbeitsorganisation des Unternehmens eingebunden. Die im Einzelfall weitreichenden Entscheidungskompetenzen ähneln häufig den Befugnissen eines Fremdgeschäftsführers, so dass der CRO eine abhängige und der Sozialversicherungspflicht unterliegende Beschäftigung ausübt.
Eine Anwendung der für Gesellschafter-Geschäftsführer geltenden Maßstäbe liegt fern: Der CRO ist nämlich als Fremdgeschäftsführer oder ohne Organschaft lediglich auf dienstvertraglicher Grundlagetrotz weitreichender Befugnisse gegenüber dem Unternehmen weisungsgebunden. In der Regel hält er als Unternehmensfremder zudem keine Gesellschaftsanteile am Unternehmen. Der CRO ist typischerweise weder mit über 50 % an dem Gesellschaftskapital beteiligt noch räumt das Unternehmen ihm im Gesellschaftsvertrag die rechtliche Befugnis ein, Gesellschafterbeschlüsse nicht befolgen zu müssen.
Die vertragliche Grundlage bietet zwar rechtlichen Gestaltungsspielraum, allerdings ist dieser begrenzt, da der CRO über einen längeren Zeitraum verschiedene Tätigkeiten in seiner Funktion erfüllt. Damit kann kein die Sozialversicherungspflicht ausschließendes, zeitlich und inhaltlich eng umgrenztes Projekt vertraglich konzipiert werden. Schließlich ist der Markt an renommierten CRO überschaubar, was sich positiv auf die Vergütung auswirkt. Dies kann als sekundäres Indiz jedoch nicht entscheidend für eine Sozialversicherungsfreiheit nutzbar gemacht werden.
Der CRO als Teil des Managements ist somit i. d. R. ein abhängiger Beschäftigter nach § 7 Abs. 1 Satz 1 SGB IV und unterliegt der Sozialversicherungspflicht.
Sonderfall bei reiner Beratungsleistung
Dies führt in der Praxis dazu, dass andere Wege gesucht werden, um das Wissen und die Fähigkeiten dieses spezialisierten Restrukturierungsexperten zu nutzen.
Ungeachtet dessen, dass es Selbständigen häufig widerstrebt, eine abhängige Beschäftigung einzugehen, sehen auch Sanierungsberatungen, die einen CRO einsetzen, das Risiko, dass die Beurteilung eine abhängige Beschäftigung eine illegale Arbeitnehmerüberlassung darstellen könnte. Dies gilt dann, wenn eine festangestellte Person auf Grundlage eines Beratungsvertrages zwischen Unternehmen und Sanierungsberatung als CRO zum Einsatz kommt.
In der Praxis gibt es daher Chief Restructuring Officer, die abweichend vom Grundmodell weder Teil des Managements werden noch das Management übernehmen. Stattdessen übernehmen sie unter Beibehaltung des Titels als CRO eine reine Beraterrolle. Das heißt, sie sind nicht in die Betriebsorganisation eingegliedert und frei von Weisungen.
Ein solches Modell dient im Ergebnis häufig nur dazu, eine Funktion des CRO zu zeigen. Tatsächlich ist dies eine reine Beratungsleistung, die unproblematisch möglich ist, soweit allen Beteiligten das Rollenverständnis klar ist und sich dieses auch in der praktischen Durchführung der Beauftragung nicht verwischt. Im Besonderen ist der CRO in dieser Konstellation mit keiner Entscheidungsbefugnis ausgestattet. Für das Management bedeutet dies eine Mehrbelastung, da es neben dem operativen Tagesgeschäft auch die vom CRO vorbereiteten Maßnahmen vollziehen muss.