Bundestag beschließt Neuregelung der Betriebsratsvergütung

Der Bundestag hat am 28. Juni 2024 einstimmig die Novellierung des Betriebsverfassungsgesetzes (BetrVG) beschlossen, um Rechtsunsicherheiten in der – seit jeher komplexen – Betriebsratsvergütung zu beseitigen. Wir erörtern die Gesetzesänderung und zeigen, warum der Ärger bleiben wird.

Hintergrund: Risiko der Untreue

Die Gesetzesinitiative ist durch das aufsehenerregende sogenannte „Volkswagen-Urteil“ des Bundesgerichtshofs vom 10. Januar 2023 ausgelöst worden (Az. StR 133/22).

Der BGH entschied, dass der Tatbestand der Untreue gemäß § 266 Abs. 1 StGB erfüllt sein kann, wenn Betriebsräten eine überhöhte Vergütung gezahlt und dadurch gegen das betriebsverfassungsrechtliche Begünstigungsverbot aus § 78 S. 2 BetrVG verstoßen wird. In der Folge entstanden verschiedene Rechtsunsicherheiten, wie Betriebsräte gesetzeskonform zu vergüten sind. Hintergrund ist, dass die Betriebsratstätigkeit ehrenamtlich ausgeübt wird (§ 37 Abs. 1 BetrVG) und das sogenannte Lohnausfallprinzip gilt. 

Viele Unternehmen sahen sich in der Folge gezwungen, vorsorglich die Gehälter ihrer Betriebsräte zu kürzen, um strafrechtliche Konsequenzen für Unternehmensleitungen zu vermeiden. Dies mündete in einer Klagewelle der betroffenen Betriebsräte, die ihre ursprüngliche Vergütung vor den originär zuständigen Arbeitsgerichten einklagten.

Der Gesetzgeber setzte daraufhin im Mai 2023 eine eigens gebildete Expertenkommission „Rechtssicherheit in der Betriebsratsvergütung“ ein, deren Novellierungsvorschlag er nun nahezu wörtlich folgte.

Was sich ab sofort ändert

In § 37 Abs. 4 BetrVG werden folgende Sätze 3 und 4 ergänzt:

"Zur Bestimmung der vergleichbaren Arbeitnehmer nach Satz 1 ist auf den Zeitpunkt der Übernahme des Betriebsratsamtes abzustellen, soweit nicht ein sachlicher Grund für eine spätere Neubestimmung vorliegt. Arbeitgeber und Betriebsrat können in einer Betriebsvereinbarung ein Verfahren zur Festlegung vergleichbarer Arbeitnehmer regeln. Die Konkretisierung der Vergleichbarkeit in einer solchen Betriebsvereinbarung kann nur auf grobe Fehlerhaftigkeit überprüft werden; Gleiches gilt für die Festlegung der Vergleichspersonen, soweit sie einvernehmlich zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat erfolgt und in Textform dokumentiert ist."

In § 78 BetrVG wird folgender Satz 3 ergänzt:

"Eine Begünstigung oder Benachteiligung liegt im Hinblick auf das gezahlte Arbeitsentgelt nicht vor, wenn das Mitglied einer in Satz 1 genannten Vertretung in seiner Person die für die Gewährung des Arbeitsentgelts erforderlichen betrieblichen Anforderungen und Kriterien erfüllt und die Festlegung nicht ermessensfehlerhaft erfolgt."

Bewertung der Neuregelung

Die Novelle ist grundsätzlich zu begrüßen. Sie soll es den Betriebsparteien – zusammen mit der ausführlichen Gesetzesbegründung – ermöglichen, die Betriebsratsvergütung rechtssicherer zu gestalten. Faktisch hat sich der Gesetzgeber jedoch im Wesentlichen darauf beschränkt, die bisherige Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts zu kodifizieren. So entschied das BAG bereits, dass die Betriebsparteien konkretisierende Vereinbarungen zu § 37 Abs. 4 BetrVG treffen dürfen.

Auch die erstmalige Regelung des maßgeblichen Zeitpunktes für die Bestimmung der Vergleichsgruppe entspricht der gegenwärtigen Rechtsprechung. Neu ist hingegen, dass die Konkretisierung der Vergleichbarkeit in einer Betriebsvereinbarung sowie die Festlegung der Vergleichspersonen nur auf grobe Fehlerhaftigkeit überprüft werden dürfen.

Wo Schwierigkeiten bleiben

Im Einzelnen dürfen die nur halbherzige Änderung und der Umstand, dass offene Fragen ungeklärt bleiben, kritisiert werden. So stellen sich in der Praxis Vergütungsfragen nicht nur bei voll freigestellten, sondern auch bei nicht freigestellten Betriebsräten – beispielsweise im Hinblick darauf, wie variable Vergütungsbestandteile zu bemessen sind. Weder der Gesetzgeber noch das BAG haben dies bisher zufriedenstellend geklärt (vgl. BAG, Urt. v. 29.04.2015 – 7 AZR 123/13). Augenscheinlich ist zudem die Vielzahl unbestimmter Rechtsbegriffe, die tendenziell zu weniger und nicht zu mehr Rechtssicherheit im Einzelfall führen.

Arbeitgeber sollten außerdem keine unzulässigen Kopplungsgeschäfte mit dem Betriebsrat eingehen. Unternehmen werden sich der vom Gesetzgeber geschaffenen Möglichkeit stellen müssen, Betriebsvereinbarungen abzuschließen, um das Verfahren für die Betriebsratsvergütung festzulegen.

Fazit

Rechtliche Unsicherheiten werden – jedenfalls in Einzelfällen – bleiben. Auf der anderen Seite sollte spätestens die Novellierung des BetrVG Unternehmen die Gefahr vor Augen führen, bei überhöhter Betriebsratsvergütung den Straftatbestand der Untreue nach § 266 StGB auszulösen. Die rechtmäßige Vergütung der Betriebsräte ist weiterhin unternehmensindividuell zu ermitteln. Unter Compliance-Gesichtspunkten sollten Unternehmen daher auf eine lückenlose Dokumentation setzen und die sich aus dem BetrVG und der Gesetzesbegründung ergebenden Anhaltspunkte berücksichtigen.

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Isabel Hexel

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