Öffentliches Wirtschafts­recht25.03.2020 Newsletter

Bundestag beschließt Änderungen des Infektionsschutzgesetzes

(Stand: 25. März 2020)

Der Bundestag hat heute, am 25. März 2020, die vom Bundesgesundheitsministerium (nachfolgend „BMG“) vorgeschlagenen Änderungen des Infektionsschutzgesetzes beschlossen. Im Fall einer Epidemie wie der aktuellen Corona-Pandemie sollen dem Bund vorübergehend zusätzliche Kompetenzen verliehen werden. Das Gesetz zum Schutz der Bevölkerung bei einer epidemischen Lage von nationaler Tragweite, als Gesetzesvorlage der Koalitionsfraktionen auf Grundlage einer Formulierungshilfe der Bundesregierung eingebracht, muss noch den Bundesrat passieren. Im Folgenden verschaffen wir Ihnen einen Überblick über die we-sentlichen Änderungen des Infektionsschutzgesetzes (nachfolgend IfSG-E).

1. Der Gesetzesentwurf im Überblick

Das Infektionsschutzgesetz wird geändert, um den erheblichen Herausforderungen der Corona-Krise gerecht zu werden. Neben einer klarstellenden Regelung zur Zuständigkeit des Robert-Koch-Instituts (RKI) enthält der Gesetzesentwurf hauptsächlich neue Befugnisse zur Grundversorgung mit Arznei-, Heil- und Hilfsmitteln sowie Maßnahmen zur Stärkung der personellen Ressourcen im Gesundheitswesen. Um die Wirksamkeit der Maßnahmen zu gewährleisten, sind die Anordnungen und Rechtsverordnungen teilweise bußgeldbewehrt. Der Bußgeldkatalog des § 73 IfSG wird entsprechend angepasst und der Rechtsschutz dahingehend eingeschränkt, dass eine Anfechtungsklage nach § 5 Abs. 4 S. 4 IfSG-E keine aufschiebende Wirkung hat.

Zudem erhalten Eltern, die infolge der Schließung von Schulen und Kitas Verdienstausfälle erleiden, unter bestimmten Voraussetzungen eine Entschädigung. Außerdem wird das BMG einmalig dazu verpflichtet, den Bundestag bis zum 31. März 2021 über die Erkenntnisse zum Corona-Virus zu informieren, um das RKI für künftige Krisen zu wappnen. Zu den Änderungen des IfSG kommen datenschutzrechtliche Anpassungen im IGV-Durchführungsgesetz und in Sozialgesetzbuch V sowie vorübergehender Bürokratieabbau im Baugesetzbuch hinzu. Ferner sieht der Gesetzesentwurf Ausnahmen vom Baurecht vor, um etwa kurzfristig medizinische Einrichtungen errichten zu können.

2. Ausgewählte Regelungen des IfSG-E im Einzelnen

Feststellung einer epidemischen Lage von nationaler Tragweite

Sowohl die in § 5 IfSG-E neu geregelten Befugnisse als auch die Ausnahmeregelung des § 5a IfSG-E setzen die Feststellung einer epidemischen Lage von nationaler Tragweite voraus. Eine solche Feststellung hat der Bundestag heute getroffen. Sobald die Voraussetzungen nicht mehr vorliegen, soll der Bundestag unverzüglich die Feststellung aufheben mit der Folge, dass die damit begründeten Maßnahmen ihre Gültigkeit verlieren. Für ausreichende Publizität sorgt die Pflicht, die anfängliche Feststellung und ihre spätere Beendigung im Bundesgesetzblatt bekanntzumachen. 

Zusammenarbeit von Bund und Ländern

Der Gesetzesentwurf enthält klarstellende Regelungen zur Zuständigkeit und Zusammenarbeit der verschiedenen Behörden bei der Bekämpfung von Infektionen. Zunächst wird der allgemeine Aufgabenbereich des RKI gesetzlich festgelegt. Zusätzlich obliegt dem RKI nach § 5 Abs. 8 IfSG-E die Koordinierung der Zusammenarbeit von Bund, Ländern und den weiteren Beteiligten sowie der Informationsaustausch, sobald eine epidemische Lage von nationaler Tragweite festgestellt wird. Zudem kann in einer solchen Ausnahmesituation das BMG, beraten durch das RKI, Empfehlungen abgegeben, um ein bundesweit koordiniertes Vorgehen zu vereinfachen (§ 5 Abs. 7 IfSG-E).

Feststellung und Eindämmung der Epidemie

Im Fall einer epidemischen Lage von nationaler Tragweite erhält das BMG zusätzliche Befugnisse, um die Einschleppung der übertragbaren Krankheit festzustellen und bestenfalls zu verhindern. So müssen Personen mit erhöhtem Infektionsrisiko, die beispielsweise aus Risikogebieten kommen, auf Anordnung unter anderem verschiedene persönliche Informationen mitteilen und sich ärztlich untersuchen lassen (§ 5 Abs. 2 Nr. 1 IfSG-E). Daneben ist das BMG ermächtigt, Personenbeförderungsunternehmen und anderen ähnlichen Unternehmen nach § 5 Abs. 2 Nr. 2 IfSG-E eine Reihe von Pflichten aufzuerlegen. Zum Beispiel kann den Unternehmen einerseits die Beförderung von Personen aus bestimmten Ländern nach Deutschland untersagt werden, andererseits kann ihnen der Transport von kranken Personen aufgetragen werden. Daneben können die Unternehmen zur Sammlung bestimmter Daten (Angaben zur Identifikation von Personen sowie Passagierlisten und Sitzpläne) und ihrer Weitergabe verpflichtet werden.

Sicherstellung der Versorgung mit Arzneimitteln

Weitere Befugnisse des BMG betreffen die Sicherstellung der Versorgung mit Arzneimitteln, Medizinprodukten, Labordiagnostik, Hilfsmitteln sowie persönlicher Schutzausrüstung und Desinfektionsmitteln (§ 5 Abs. 2 Nr. 4 IfSG-E). Durch Rechtsverordnung kann das BMG insbesondere Ausnahmen von gesetzlichen Vorschriften wie unter anderem dem Arzneimittel-, dem Betäubungsmittel- sowie dem Apothekengesetz und anderen medizinproduktrechtlichen Regelungen zulassen oder die Länder dazu ermächtigen, solche Ausnahmen zuzulassen. Weitere nennenswerte Instrumente sind das Verbot des Verkaufs von Arzneimitteln und Vorgaben hinsichtlich der Preisbildung. Außerdem können Produktionsstätten umgestellt oder gar geschlossen werden und im Zusammenhang mit diesen Maßnahmen weitergehende Entschädigungsregelungen erlassen werden. Als weiteres Maßnahme kann gemäß § 5 Abs. 2 Nr. 5 IfSG-E die Wirkung von Patenten nach § 13 Abs. 1 Patentgesetz eingeschränkt werden.

Aufrechterhaltung der gesundheitlichen und pflegerischen Versorgung

Eine Reihe möglicher Maßnahmen soll sowohl die Gesundheitsversorgung als auch die pflegerische Versorgung sicherstellen. Das BMG kann zu diesem Zweck eine Rechtsverordnung erlassen, die es Gesundheitseinrichtungen erlaubt von bestehenden gesetzlichen Vorgaben abzuweichen (§ 5 Abs. 2 Nr. 7 IfSG-E). Ebenso können Ausnahmen von Vorschriften für Pflegeeinrichtungen per Rechtsverordnung zugelassen und deren Aufgaben teilweise eingeschränkt werden (§ 5 Abs. 2 Nr. 8 IfSG-E). In dieselbe Richtung zielt auch die Möglichkeit, aufgrund von § 5 Abs. 2 Nr. 3 IfSG-E eine Rechtsverordnung zu erlassen, die Ausnahmen von infektionsschutzrechtlichen Vorschriften für zulässig erklärt. Deutlich weiter geht die Ausnahmeregelung des § 5a IfSG-E. Mit der Feststellung der epidemischen Lage von nationaler Tragweise geht qua Gesetz die Erlaubnis für bestimmte Berufsgruppen (Alten-, Gesundheits- und Krankenpfleger(innen) etc.), heilkundliche Tätigkeiten auszuüben, einher. Das BMG kann per Rechtsverordnung noch weitere Personen die heilkundliche Tätigkeit erlauben.

Neuer Entschädigungsanspruch für Eltern

Der Gesetzesentwurf reagiert auf die Probleme von Eltern bei der Kinderbetreuung nach der Schließung von Schulen und anderen Betreuungseinrichtungen, indem er einen neuen Entschädigungsanspruch in § 56 Abs. 1a S. 1 IfSG-E einführt. Sorgeberechtigte haben danach einen Anspruch auf Entschädigung, wenn sie aufgrund der Schließung zur selbstständigen Kinderbetreuung keine zumutbare alternative Betreuungsmöglichkeit haben und in der Folge einen Verdienstausfall erleiden. Es ist vorgesehen, dass der Arbeitgeber die Auszahlung übernimmt und anschließend eine Erstattung bei der zuständigen Behörde beantragt. Je nach Zuständigkeitsregelung der Länder können das die Gesundheitsämter oder, wie in Nordrhein-Westfalen, die Landschaftsverbände sein.
Ein Verdienstausfall besteht nicht, wenn es andere Möglichkeiten gibt, der Tätigkeit vorübergehend bezahlt fernzubleiben, z.B. durch Abbau von Zeitguthaben. Auch gehen Ansprüche auf Kurzarbeitergeld dem Entschädigungsanspruch vor.

Die Entschädigung ist zeitlich auf sechs Wochen und der Höhe nach auf 67 % des Verdienstausfalles des erwerbstätigen Sorgeberechtigten bzw. auf einen Höchstbetrag von 2.016 Euro pro Monat beschränkt. Der Entschädigungsanspruch ist nur von vorübergehender Dauer, da er mit Ablauf des Jahres wieder aufgehoben wird. 

 

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Holger Hofmann

Holger Hofmann

PartnerRechtsanwalt

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