Kartellrecht und Fusionskontrolle22.07.2019Köln Newsletter
Bundeskartellamt bewegt Amazon zur Änderung seiner Geschäftsbedingungen
Amazon hat angekündigt, seine Geschäftsbedingungen für die auf dem Online-Marktplatz tätigen Händler weltweit zu ändern. Im Gegenzug stellt das Bundeskartellamt ein Verfahren wegen des Missbrauchs einer marktbeherrschenden Stellung ein.
Vorwürfe gegen den „Gatekeeper“ Amazon
Hintergrund des Verfahrens war die Sorge des Bundeskartellamts, Amazon könnte seine Doppelstellung als größter Online-Händler in Deutschland und Marktplatzbetreiber mittels missbräuchlicher Geschäftsbedingungen und Verhaltensweisen dazu ausnutzen, andere Händler auf Amazon-Marktplace zu behindern. Die Händler, die Amazon-Marketplace nutzen, sind regelmäßig auf die hohe Reichweite von Amazon-Marketplace angewiesen, da aktuell nach Schätzungen bereits deutlich mehr als 40 Prozent des deutschen Onlinehandels über Amazon-Marketplace abgewickelt werden. Amazon kontrolliert den Zugang zu diesem Marktplatz und fungiert somit als eine Art „Gatekeeper“. In der Kritik standen vor allem die Regelungen zu Lasten der Händler zu Haftung, Bewertungen, Kündigungen und Sperrungen von Händlerkonten, Retouren und Erstattungen, Gerichtsstand- und Rechtswahlklauseln.
Verbesserungen für die Händler zugesagt
Amazon wird seine Geschäftsbedingungen nunmehr zugunsten der Händler und Einzelheiten des Marktplatzbetriebs ändern.
- Haftungsregeln: Bislang ließ sich Amazon einen sehr weitgehenden Haftungsausschluss einräumen. In Zukunft haftet Amazon gleichfalls für Vorsatz und grobe Fahrlässigkeit sowie für typische Schäden bei Verletzungen wesentlicher Vertragspflichten. Auch die Verpflichtung der Händler, Amazon gegenüber eventuellen Ansprüchen Dritter freizustellen, soll enger gefasst werden. Hierbei unterliegt Amazon in Zukunft höheren Nachweispflichten für einen Freistellungsanspruch. Zudem werden Freistellungsansprüche auch zugunsten der Händler eingeführt.
- Kündigung und Sperrung: Das bisher bestehende unbegrenzte Kündigungs- und Sperrrecht von Händlern sowie die Möglichkeit der sofortigen Sperrung von Konten durch Amazon ohne Angabe von Gründen werden begrenzt. Bei einer ordentlichen Kündigung gilt künftig eine Kündigungsfrist von 30 Tagen. Bei Gefährdungen und Rechtsverletzungen bleiben außerordentliche Kündigungen und Sperrung möglich, sind jedoch fortan mit einer Informations- und Begründungspflicht verbunden. Durch die kommenden Regelungen der europäischen Verordnung zur Förderung von Fairness und Transparenz für gewerbliche Nutzer von Online-Vermittlungsdiensten („Platform-to-Business-Verordnung“) gilt dies künftig (voraussichtlich Frühjahr 2020) in den Mietgliedstaaten der EU für alle Plattformen.
- Retoure und Erstattung: Bei von Amazon getroffenen Retoure- und Erstattungsentscheidungen gegenüber Kunden können Händler zukünftig Widerspruch einlegen und ggf. einen Ausgleichsanspruch gegenüber Amazon geltend machen. Damit soll verhindert werden, dass die außerordentlich kundenfreundliche Retourenpolitik von Amazon ausschließlich zu Lasten der Händler geht. Bisher hatte Amazon die alleinige Entscheidungskompetenz über Retouren bei Versand durch Amazon. Selbst bei erkennbar unberechtigten oder sogar missbräuchlichen Retouren hatten die Händler dabei alle Konsequenzen zu tragen.
- Gerichtsstandregelung: Bislang war es Händlern nur möglich, Klagen gegen Amazon in Luxemburg zu erheben. Dadurch sah das Bundeskartellamt die Händler daran gehindert, ihre Rechte gegen Amazon ohne Nachteile gerichtlich geltend zu machen. Der ausschließliche Gerichtsstand in Luxemburg wird deshalb für alle europäischen Amazon-Marktplätze aufgehoben. Eine Zuständigkeit inländischer Gerichte kann nun nach allgemeinen Regeln begründet werden. Unverändert bleibt hingegen die verbindliche Anwendung luxemburgischen Rechts. Eine einheitliche Rechtswahl für alle Händler auf dem europäischen Markt ist nach Ansicht des Bundeskartellamtes sachlich gerechtfertigt. Zudem sei eine nachträgliche Änderung des anwendbaren Rechts bei fortlaufenden Vertragsverhältnissen problematisch und der Rechtssicherheit nicht dienlich.
- Öffentliche Äußerungen/Transparenz: Änderungen bei Geheimhaltungsverpflichtungen und bei der Transparenz soll die Stellung der Händler verbessern. Zukünftig soll an der Verpflichtung, vor öffentlichen Äußerungen der Händler zu der Geschäftsbeziehung mit Amazon, dessen vorherige schriftliche Zustimmung einzuholen, nicht weiter festgehalten werden. Um eine höhere Transparenz zu gewährleisten, sollen die Geschäftsbedingungen künftig besser auffindbar sein und Änderungen sollen 15 Tage vorher angekündigt werden. Des Weiteren sollen die Kommunikationsmöglichkeiten der Händler mit Amazon verbessert werden.
- Verkäuferbewertungen und Produktrezensionen: Von einer Änderung der Regeln zu Verkäuferbewertungen und Produktrezensionen hat das Bundeskartellamt dagegen zunächst abgesehen. Das Bundeskartellamt begründete diesen Schritt mit Verweis auf die laufende Sektoruntersuchung „Nutzerbewertungen“ (siehe entspr. Pressemitteilung) und die laufende Untersuchungen der EU Kommission zu Amazon. Dem Unternehmen wird von vielen Händlern vorgeworfen, sein Direktgeschäft gegenüber anderen Händlern durch den Umgang mit Verkäuferbewertungen zu bevorzugen. Der Vorwurf gründet auf der Tatsache, dass für Amazon Retail, anders als für unabhängige Händler, keine Verkäuferbewertung eingeholt wird.
EU Kommission eröffnet zeitgleich Verfahren gegen Amazon
Aufatmen kann Amazon trotz der Verfahrenseinstellung aber nur bedingt. Zeitgleich mit der Verfahrenseinstellung durch das Bundeskartellamt hat die EU Kommission ein förmliches Verfahren gegen Amazon eröffnet. Diese Untersuchung betrifft die Erhebung und die Nutzung von Transaktionsdaten der Händler durch Amazon. Die Kommission will prüfen, inwiefern Amazon über den Marktplatz gesammelte wettbewerblich sensible Daten seiner Händler und deren Produkte verwendet und dadurch gegen die EU-Wettbewerbsregeln verstößt.