Private ClientsNachfolge, Vermögen, Stiftungen29.07.2022 Newsletter
BGH: Nichtigkeit einer Schenkung bei einem Zustand von leichter Beeinflussbarkeit oder Willensschwäche
Jedenfalls dann, wenn der Kläger konkrete Anhaltspunkte dafür benennt, dass er bei einer Schenkung geschäftsunfähig gewesen sein könnte, ist von dem zu entscheidenden Gericht ein Sachverständigengutachten einzuholen. Das hat der BGH mit Urteil vom 26. April 2022 – X ZR 3/20 – entschieden und hob damit die vorangegangene Entscheidung des OLG Köln vom 18. Dezember 2019 – I-25 U 14/19 – auf und verwies die Sache zurück. Der BGH stellte heraus, dass selbst wenn keine Geschäftsunfähigkeit vorliege, der Zustand von Willensschwäche oder leichter Beeinflussbarkeit auch eine Nichtigkeit aufgrund von Sittenwidrigkeit begründen könne, wenn dieser Zustand vom Beschenkten bewusst und gezielt ausgenutzt wurde. Die Sittenwidrigkeit könne sich nämlich auch aus dem Verhalten und den Motiven des Leistungsempfängers ergeben.
In dem der Entscheidung zugrundeliegenden Sachverhalt hatte ein 90-jähriger Mann zwei seiner Immobilien auf die rund 53 Jahre jüngere Lebensgefährtin übertragen und ihr umfassende Vollmachten erteilt, während er im Krankenhaus lag. Später widerrief er alle der zugunsten der Beklagten abgegebenen Willenserklärungen unter Hinweis auf seinen Gesundheitszustand. Außerdem habe seine Partnerin ihm gedroht, ihn zu verlassen, wenn er seine Unterschriften nicht leiste.
Schon in einem Fall aus 2017 (Beschluss vom 14. 3. 2017 – VI ZR 225/16) hatte der BGH in einem ähnlichen Fall entschieden, dass die Nichteinholung eines angebotenen Sachverständigengutachtens über eine schwerwiegende seelische Erkrankung eine Verletzung rechtlichen Gehörs des Klägers bedeuten könne. Im damaligen Fall waren vom Konto des Klägers insgesamt EUR 159.000 an den Beklagten überwiesen worden, was Ersterer durch Fälschungen des Beklagten unter Ausnutzung seiner Erkrankung erklärte.
Leider gibt es immer wieder Fälle, in denen alters- oder gesundheitsbedingte Notsituationen bewusst ausgenutzt werden. Der BGH weist in seiner Entscheidung einen Weg, um die hierdurch entstandenen Vermögensschäden wieder rückabzuwickeln. Besser steht sich allerdings, wer sich frühzeitig über seine Nachfolge, den Kreis seiner Vertrauenspersonen und diejenigen davon, die sich bei Geschäftsunfähigkeit um ihn kümmern sollen, gründlich Gedanken macht und die notwendigen Entscheidungen ohne Beeinträchtigung durch Krankheit oder Alter trifft. Zu dieser Vorsorge gehört in jedem Fall auch immer eine Vorsorgevollmacht mit Patientenverfügung. Überrumpelungssituationen können so verhindert werden und Gefahrenlagen durch die Vorsorgebevollmächtigten notfalls abgewandt werden.