Arbeitsrecht07.10.2022 Newsletter
Aktuelle Gesetzesvorhaben zur Bewältigung der Energiekrise
Sowohl am 14.09.2022 als auch am 29.09.2022 hat das Bundeskabinett eine Vielzahl an Gesetzentwürfen zur Bewältigung der Energiekrise beschlossen und damit parlamentarisch auf den Weg gebracht. Darüber hinaus sind unter dem 30.09.2022 die Verordnung zur Änderung der Kurzarbeitergeldzugangsverordnung (Kurzarbeitergeldzugangsverordnung - KugZuV) sowie die Verordnung über die Öffnung des Kurzarbeitergeldbezugs für Leiharbeitnehmerinnen und Leiharbeitnehmer (Kurzarbeitergeldöffnungsverordnung – KugÖV) in Kraft getreten. Der nachfolgende Beitrag von Jörn Kuhn und Annabelle Marceau gibt einen Überblick über aktuelle Gesetzesvorhaben.
1. Geplante Gesetze und Verordnungen
Das Bundeskabinett hat sowohl am 14.09.2022 als auch am 29.09.2022 eine Vielzahl an Gesetzesentwürfen sowie Formulierungshilfen für Gesetzesentwürfe beschlossen, welche u.a. im Rahmen des sog. Dritten Entlastungspakets der Bundesregierung zur Sicherung einer bezahlbaren Energieversorgung und zur Stärkung der Einkommen am 03.09.2022 angekündigt wurden. Die geplanten Gesetzesvorhaben sind damit parlamentarisch auf den Weg gebracht, sodass in den nächsten Wochen mit der Verabschiedung der nachfolgenden Gesetze zu rechnen ist:
Grundsätzlich wurde festgehalten, dass der Bund bereit ist, bei zusätzlichen Zahlungen der Unternehmen an ihre Beschäftigten einen Betrag von bis zu 3.000 Euro von der Steuer und den Sozialversicherungsabgaben zu befreien. Grundlage für die Inflationsausgleichsprämie soll das Gesetz zur temporären Senkung des Umsatzsteuersatzes auf Gaslieferungen über das Erdgasnetz sein.
Vor der finalen Umsetzung wurden allerdings bisher nur Eckpunkte durch das Kabinett vereinbart:
- Der Begünstigungszeitraum ist zeitlich befristet - vom Tag nach der Verkündung des Gesetzes bis zum 31.12.2024.
- In diesem Zeitraum sind die Zahlungen der Unternehmen bis zu einem Betrag von 3.000 Euro steuer- und sozialversicherungsfrei möglich.
- Gezahlt werden kann auch in mehreren Teilbeträgen.
- Die Inflationsausgleichsprämie muss zusätzlich zum ohnehin geschuldeten Arbeitslohn gewährt werden. Jeder Arbeitgeber kann die Steuer- und Abgabenfreiheit für solche zusätzlichen Zahlungen nutzen.
Nach der Formulierungshilfe für einen Gesetzesentwurf sollen Rentnerinnen und Rentner eine Energiepreispauschale als Einmalzahlung in Höhe von 300 Euro mit der Auszahlung ihrer Versorgungsbezüge im Dezember 2022 erhalten. Eine Formulierungshilfe für den entsprechenden Gesetzentwurf beschloss das Kabinett am 05.10.2022.
Darüber hinaus ist eine Erweiterung des Übergangsbereichs, der sogenannten Midijobs, vorgesehen. Die Obergrenze soll zum 01.01.2023 auf 2.000 Euro steigen. Derzeit liegt der Übergangsbereich zwischen 520,01 Euro und 1.600 Euro. Innerhalb dieses Bereiches steigen die Sozialbeiträge der Arbeitnehmer gleitend von null auf den vollen Beitrag. Die geringeren Beiträge vor allem im unteren Einkommensbereich erhöhen den Anreiz, über einen Minijob hinaus erwerbstätig zu sein.
Mit dem GKV-Finanzstabilisierungsgesetz stabilisiert die Bundesregierung die Finanzen der gesetzlichen Krankenkassen (GKV) im kommenden Jahr 2023. U.a. soll der Zusatzbeitrag für die Beitragszahlerinnen und Beitragszahler wird steigen. Auf Grundlage der Ergebnisse des GKV-Schätzerkreises im Herbst wird das Bundesministerium für Gesundheit den durchschnittlichen Zusatzbeitragssatz in der Gesetzlichen Krankenversicherung festlegen. Eine Anhebung des Zusatzbeitrags um 0,3 Prozentpunkte ist derzeit nicht unrealistisch.
Im Hinblick auf diese bestehenden Unsicherheiten auf den Energie- und Rohstoffmärkten will die Bundesregierung vermeiden, dass Unternehmen, die im Grunde gesund sind, in die Insolvenz gedrängt werden.
Eine Überschuldung kommt nach geltendem Recht dann in Betracht, wenn eine Unternehmensfortführung über einen Zeitraum von zwölf Monaten nicht hinreichend wahrscheinlich ist. Diese Zeitspanne soll nun vorübergehend auf vier Monate herabgesetzt werden. Zudem soll die Frist für die Insolvenzantragstellung vorübergehend von jetzt sechs auf acht Wochen hochgesetzt werden. Die Regelungen sollen schnellstmöglich in Kraft treten und bis zum 31. Dezember 2023 gelten.
Mit dem Inflationsausgleichsgesetz sollen die mit der kalten Progression verbundenen schleichenden Steuererhöhungen gedämpft werden. Zudem sollen Familien gezielt steuerlich unterstützt werden.
Zunächst ist die Aktualisierung des Einkommensteuertarifs für die Jahre 2023 und 2024 durch den Ausgleich der Effekte der kalten Progression im Verlauf des Einkommensteuertarifs und die Anhebung des Grundfreibetrags beabsichtigt. Gleichermaßen wird der Unterhaltshöchstbetrag angehoben, der an die Höhe des Grundfreibetrags angelehnt ist. Darüber hinaus soll der Kinderfreibetrag für die Jahre 2023 und 2024 sowie das Kindergeld für das erste, zweite und dritte Kind auf einheitlich 237 Euro pro Monat zum 01.01.2023 angehoben werden.
Änderung des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch und anderer Gesetze - Einführung eines Bürgergeldes
Der Gesetzesentwurf sieht vor, dass in den ersten zwei Jahre des Bürgergeldbezugs eine sogenannte Karenzzeit gilt: Die Kosten für Unterkunft und Heizung werden in tatsächlicher Höhe anerkannt und übernommen. Vermögen werde nicht berücksichtigt, „sofern es nicht erheblich ist“. Nach Ablauf der Karenzzeit soll eine entbürokratisierte Vermögensprüfung durchgeführt. Es sollen zudem höhere Freibeträge gelten. Vorgesehen ist auch, die bisherige Eingliederungsvereinbarung durch einen Kooperationsplan abzulösen, der von den Leistungsberechtigen und den Integrationsfachkräften gemeinsam erarbeitet wird.
Gesetzentwurf zur temporären Senkung des Umsatzsteuersatzes auf Gaslieferungen über das Erdgasnetz
Zur Abfederung der Belastung der Bürgerinnen und Bürger durch die gestiegenen Gaspreise sieht der Gesetzentwurf vor, den Umsatzsteuersatz auf die Lieferung von Gas über das Erdgasnetz vom 01.10.2022 bis 31.03. 2024 auf 7 Prozent zu senken.
Gesetzesentwurf eines Gesetzes zur Erhöhung des Wohngeldes (WohngeldPlus-Gesetz)
Aufgrund der steigenden Energiekosten soll mit dem "Wohngeld-Plus-Gesetz" eine historische Wohngeldreform umsetzt werden. Die "Wohngeld Plus"-Reform setzt sich aus drei Komponenten zusammen: Wohngeldkomponente, Heizkostenkomponente und Klimakomponente.
Der Gesetzesentwurf sieht einen weiteren Heizkostenzuschuss für Wohngeldbezieher und Auszubildende vor.
2. Verabschiedete Verordnungen zur Kurzarbeit
Wie bereits durch Bundesarbeitsminister Hubertus Heil angekündigt sind nunmehr am 30.09.2022 die Verordnung zur Änderung der Kurzarbeitergeldzugangsverordnung (Kurzarbeitergeldzugangsverordnung - KugZuV) sowie die Verordnung über die Öffnung des Kurzarbeitergeldbezugs für Leiharbeitnehmerinnen und Leiharbeitnehmer (Kurzarbeitergeldöffnungsverordnung – KugÖV) in Kraft getreten.
Die KugZuV wurde hinsichtlich der erleichterten Zugangsvoraussetzungen zum Kurzarbeitergeld bis zum 31.12.2022 verlängert. Mit dem erleichterten Zugang ist geregelt, dass Kurzarbeitergeld nach wie vor bereits gezahlt werden kann, wenn mindestens zehn Prozent statt regulär ein Drittel der Beschäftigten von einem Entgeltausfall betroffen sind und Beschäftigte keine Minusstunden vor dem Bezug von Kurzarbeitergeld aufbauen müssen.
Mit der KugÖV wird die Zahlung von Kurzarbeitergeld an Leiharbeitnehmerinnen und Leiharbeitnehmer befristet in der Zeit vom 01.10.2022 bis zum 31.12.2022 ermöglicht.