Kartellrecht und Fusionskontrolle10.12.2018 Newsletter

Die neue EU Geoblocking-Verordnung

Seit dem 3. Dezember 2018 findet die neue EU-Verordnung 2018/302 gegen ungerechtfertigtes Geoblocking unmittelbar in allen EU Mitgliedstaaten Anwendung (den Verordnungstext finden Sie HIER). Ab sofort gilt das Prinzip: „Shop like a local“: Kunden dürfen beim grenzüberschreitenden Einkauf von Waren und Dienstleistungen weder wegen ihrer Staatsangehörigkeit, ihres Wohnsitzes noch wegen des Ortes ihrer Niederlassung diskriminiert werden.

 

1.Was ist Geoblocking?

Geoblocking ist jede (technische) Maßnahme, die dazu führt, dass ein Internetnutzer auf-grund seines geographischen Standortes in einem Land (erkennbar durch die IP-Adresse) nicht oder nicht vollständig auf die Angebote einer Website in einem anderen Land zugreifen kann. Gängige Formen des Geoblockings sind z.B. die Umleitung auf eine Website, die dem Standort der IP-Adresse des Nutzers entspricht, oder die Verweigerung der Lieferung an oder Annahme von Zahlungen von Kunden in einem anderen Land. Auch das sog. Geofiltering ist eine Form des Geoblockings: Der Nutzer kann dabei zwar auf die Angebote einer ausländischen Internetseite zugreifen, dies aber – meist unbemerkt – zu anderen Bedingun-gen als die Internetnutzer eines anderen Landes.

 

2.Wer ist Adressat der Verordnung und wo findet sie Anwendung?

Die Verordnung gilt für alle Anbieter (natürliche oder juristische Personen), die ihre Waren oder Dienstleistungen in der EU grenzüberschreitend vertreiben. Unerheblich ist dabei, ob die Unternehmen ihren Sitz in einem Mitgliedstaat der EU oder in einem Drittstaat haben.

Sie betrifft sowohl Geschäfte mit Verbrauchern als auch mit Unternehmen. Bei Geschäften mit Unternehmen muss das abnehmende Unternehmen allerdings das Geschäft zum Zweck der Endnutzung abschließen, d.h. es darf die Ware oder Dienstleistung nicht weiterverkaufen oder weiterverarbeiten.

Die Verordnung gilt für alle Waren und Dienstleistungen, die nicht vom Anwendungsbereich ausgenommen sind. Ausgenommen vom Anwendungsbereich sind insbesondere Finanz-, Verkehrs- und Gesundheitsdienstleistungen, Streaming oder Downloadangebote für urheberrechtlich geschützte Werke wie Musik, Filme, E-Books, sowie soziale Dienste, Glückspiel, Leiharbeit, Telekommunikation und private Sicherheitsdienste. Ebenfalls unberührt von der Verordnung bleiben die für das Urheberrecht und die verwandten Schutzrechte geltenden Vorschriften einschließlich der Urheberrechtsrichtlinie. Damit bleibt das Geoblocking z.B. weiterhin dort zulässig, wo der Anbieter selbst nur über territorial beschränkte Lizenzen verfügt.

Der Anwendungsbereich der Verordnung ist nicht auf den reinen Online-Vertrieb von Waren und Dienstleistungen beschränkt. Auch Diskriminierungen im grenzüberschreitenden stationären bzw. physischen Vertrieb sind verboten (z.B. Fälle der Hotelunterbringung, Sportveranstaltungen, Autovermietung oder Eintrittskarten für Musikfestivals oder Freizeitparks).

 

3. Was ist verboten? Was ist erlaubt?
Ziel ist die Beseitigung von Ungleichbehandlungen aufgrund von Nationalität, Wohnsitz oder Niederlassung. Die Verordnung enthält dazu drei Diskriminierungsverbote, von denen nur abgewichen werden darf, wenn eine unionsrechtliche oder EU-konforme nationale gesetzliche Regelung eine Beschränkung gebietet (z.B. bei einem gesetzlichen Werbeverbot oder aufgrund Bestimmungen des Jugendschutzes):

 

  • Anbieter dürfen den Zugang zu Online-Benutzeroberflächen nicht sperren oder den Endkunden ohne seine Zustimmung auf eine andere Website umleiten. Der Endkunde muss die Möglichkeit haben, die unterschiedlichen Websites eines Anbieters zu besuchen, um Angebote in verschiedenen Ländern abzugleichen.
  • Das Anbieten von Waren oder Dienstleistungen zu diskriminierenden allgemeinen Geschäftsbedingungen ist verboten. Ein Verbraucher aus der EU muss ein Geschäft unter den gleichen Bedingungen abschließen können, wie derjenige, der in dem Land wohnt, auf den der Webshop abgestimmt ist. Allerdings bleiben unterschiedliche, länderspezifische Bedingungen weiterhin zulässig. Ein Händler darf also auch weiterhin länderspezifische Onlineshops mit unterschiedlichen Angeboten und Konditionen unterhalten und dabei AGB verwenden, die dem jeweiligen nationalen Recht entsprechen, solange er dies nicht in diskriminierender Art und Weise tut. Auch länderspezifische Preisunterschiede bleiben weiterhin möglich, wenn sie den Kunden innerhalb des jeweiligen Gebietes in nichtdiskriminierender Weise angeboten werden.
     
  • Die Verordnung zwingt einen Anbieter auch nicht dazu, in jedem EU-Mitgliedstaat seine Waren oder Dienstleistungen anzubieten oder dorthin zu liefern. Bestellt aber ein Kunde aus einem EU-Mitgliedstaat, in dem das Unternehmen keine Waren oder Dienstleistungen anbietet, muss der Kunde die Ware entweder bei dem Anbieter abholen können, oder der Anbieter muss sie in einen EU-Mitgliedstaat versenden, in den er liefert (auf Kosten des Kunden). Die Möglichkeit der Abholung oder des Versands der Ware muss also nur in den EU Mitgliedstaaten angeboten werden, in denen der Anbieter aktiv ist.
     
  • Unternehmen können weiterhin frei entscheiden, welche Zahlungsmethoden sie anbieten möchten. Hat ein Unternehmen aber bestimmte Zahlungsmethoden im Angebot (z.B. die Zahlung über eine bestimmte elektronische Transaktionsplattform oder mit einem bestimmten Kreditkartenunternehmen), müssen die Zahlungsbedingungen bei elektronischen Transaktionen für alle Endkunden in der EU einheitlich gelten. Demzufolge müssen z.B. einem Kunden aus Deutschland, der in einem französischen Webshop bestellt, die gleichen Zahlungsmethoden und -bedingungen zur Verfügung stehen wie einem Kunden aus Frankreich.

 

4. Welche Auswirkungen hat die Verordnung auf Vertriebsverträge?
Die Geoblocking-Verordnung hat auch Auswirkungen auf die Gestaltung von Vertriebsverträgen. Danach sind Bestimmungen eines Vertrages über den passiven Vertrieb, die gegen eines der drei Diskriminierungsverbote verstoßen, nichtig. Die Verordnung bewirkt auch eine Erweiterung des Verbots von Beschränkungen des passiven Vertriebes. Denn während das EU Kartellrecht Beschränkungen des passiven Vertriebs in Einzelfällen unter strengen Voraussetzungen gestattet, lässt die Geoblocking-Verordnung bei passiven Verkaufsbeschränkungen, die den Absatz zum Endkunden betreffen, keinen Spielraum mehr zu.

 

5. Was sind die Rechtsfolgen bei einem Verstoß?

Verstöße gegen Bestimmungen der Geoblocking-Verordnung, können sanktioniert werden. Die Sanktionen werden von den jeweiligen EU Mitgliedstaaten autonom festgelegt. Deutschland hat Verstöße gegen die Geoblocking-Verordnung bereits in den Ordnungswidrigkeitenkatalog des § 149 TKG aufgenommen. Danach können Verstöße mit einem Bußgeld von bis zu € 300.000 geahndet werden. Die Bundesnetzagentur dient als zuständige Stelle für die Durchsetzung der Verordnung. Zur Durchsetzung der Verordnung kann die Bundesnetzagentur außerdem ein Zwangsgeld von bis zu € 500.000 festsetzen. Verbraucherverbände werden zudem Unterlassungsklagen gegen Anbieter erheben können, die gegen die Geoblocking-Verordnung verstoßen.

 

6. Welche Auswirkungen hat der Brexit?

Die Auswirkungen des Brexits auf die Geoblocking-Verordnung hängen davon ab, ob zwischen der EU und dem UK eine Einigung über den Austritt erzielt wird oder nicht.

  • Im Falle eines „Deals“ auf Grundlage des Vertragsentwurfs vom 14. November 2018 wäre das UK bis zum Ablauf der dort vereinbarten Übergangsphase am 31. Dezember 2020 weiterhin an alle EU Regelungen, also auch an die Geoblocking-Verordnung gebunden. Dies gilt ggf. auch länger, sollten sich die EU und das UK auf eine Verlängerung der Übergangsphase einigen. Für den Zeitraum nach Ablauf der Übergangsphase hängt die Geltung der EU Gesetze im UK davon ab, ob und wie sich die EU und das UK in einem späteren Abkommen über diesen Aspekt einigen.
     
  • In einer „No-Deal“-Situation bliebe die Geoblocking-Verordnung nach der regulären Übergangsphase noch bis zum 30. März 2019 im UK in Kraft. Danach würden Kunden im UK nicht mehr von der Verordnung profitieren, d.h. Händler in der EU könnten Kunden im UK durch Geoblocking-Maßnahmen unterschiedlich behandeln, wenn sie Waren oder Dienstleistungen im UK verkaufen. Dementsprechend dürften auch Händler im UK Kunden aus der EU, die im UK Waren oder Dienstleistungen erwerben wollen, anders behandeln als Kunden aus dem UK.
     
  • Unabhängig von einem „Deal“ oder „No-Deal“ müssen Unternehmen mit Sitz im UK aber in jedem Fall die Geoblocking-Verordnung beachten, wenn sie Waren oder Dienstleistungen innerhalb der EU verkaufen. Denn die Verordnung gilt für alle Unternehmen, die Geschäfte innerhalb der EU tätigen, unabhängig davon, ob sie ihren Sitz in einem EU Mitgliedstaat haben oder in einem Drittland.

 

7. Was ist zu tun?

Die Verordnung hat Auswirkungen auf die Vertriebsorganisation von Unternehmen. Die eigenen AGB sollten überprüft und Bestell- und Kundenformulare angepasst werden. Unterschiedliche Verkaufs-, Zahlungs- und Lieferbedingungen bei Bestellungen aus verschiedenen EU-Mitgliedstaaten können nur noch in Ausnahmefällen aufrechterhalten werden, z.B. aufgrund gesetzlicher Vorgaben oder abweichender Portokosten. Hersteller und Händler sollten außerdem die Voraussetzungen dafür schaffen, dass Kunden aus anderen EU Mitgliedstaaten ihre Bestellungen erhalten – entweder indem die Kunden die Bestellung bei ihnen abholen können, oder indem die Anbieter die Bestellungen an eine Lieferadresse in einem von ihnen belieferten EU-Mitgliedstaat versenden.

Die wirtschaftlichen Auswirkungen der Geoblocking-Verordnung bleiben abzuwarten. Nicht selten dürften Kunden von grenzüberschreitende Bestellungen schon aufgrund von Sprachbarrieren abgehalten werden. Die Verordnung zwingt Unternehmen nämlich nicht dazu, ihren Online-Auftritt in einer bestimmten Sprache oder gar in allen EU-(Amts)Sprachen zu betreiben.

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Dr. Daniel Dohrn

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