Arbeitsrecht / Gesellschaftsrecht / Steuerrecht29.04.2020 Newsletter

Mitarbeiterbeteiligung - Finanzierungsmöglichkeiten des Unternehmens in der Krise

(Stand: 29. April)

Der Mitarbeiterbeteiligung wird bislang im Rahmen der Corona-Pandemie und der einhergehenden Wirtschaftskrise wenig Aufmerksamkeit geschenkt. Dabei bietet die Mitarbeiterbeteiligung diverse Möglichkeiten, dem Unternehmen Liquidität zuzuführen oder Lohnausgaben zu senken und gleichzeitig einen, über den reinen Erhalt des Arbeitsplatzes hinausgehenden, Anreiz zu schaffen, den Erfolg des Unternehmens zu steigern.

Um der Corona-Krise und ihren wirtschaftlichen Auswirkungen zu begegnen, sollten Unternehmen nicht vor kreativen Lösungen Halt machen. Mitarbeiterkapitalbeteiligungsprogramme bieten Unternehmen gerade in Krisenzeiten die Chance, neben bzw. statt dem Eigenkapital die Liquidität zu stärken sowie Fremdfinanzierungen und die damit verbundene Gestellung von Sicherheiten zu vermeiden. Die Beteiligung der Mitarbeiter am Unternehmen kann damit zur Bewältigung finanzieller Engpässe und zum Bestand des Unternehmens beitragen sowie Mitarbeiter an das Unternehmen binden und Anreize setzen, den Unternehmenserfolg zu steigern.

Im Gegensatz zu anderen Ländern wie beispielsweise Frankreich – wo entsprechend Mitarbeiterkapitalbeteiligungsprogramme jedoch auch mit weitreichenderen steuerlichen und sozialversicherungsrechtlichen Anreizen ausgestaltet sind – wird diese Möglichkeit in Deutschland vor allem wegen der nur beschränkten Förderung nach wie vor stark verkannt und vernachlässigt. Dabei bedeutet Mitarbeiterbeteiligungen nicht automatisch eine Einschränkung der Unternehmerrechte. Die Beteiligung der Mitarbeiter am Unternehmen kann nicht nur in Form einer Beteiligung am Eigenkapital erfolgen, sondern auch über eine Beteiligung am Fremdkapital oder in einer Mischform zwischen beiden.

Die richtige Wahl der Mitarbeiterbeteiligung hängt von vielen Faktoren ab. In der aktuellen Situation, in der schnelles Handeln erforderlich ist, spricht vieles für Mitarbeiterbeteiligungsmodelle auf vertraglicher Basis. Die wichtigsten Formen der Mitarbeiterkapitalbeteiligung sind: 

 

1. Gewährung von Fremdkapital

Insbesondere als „Einstiegsmodell“ in Mitarbeiterbeteiligungsprogramme im Unternehmen kann sich das Arbeitnehmerdarlehen empfehlen. Bei einem Arbeitnehmerdarlehen tritt der Arbeitnehmer dem Arbeitgeber als Kreditgeber gegenüber. Durch die Gewährung von Fremdkapital erlangt der Arbeitnehmer im Vergleich zu einer Beteiligung am Eigenkapital eine weniger weitgehende Bindung an das Unternehmen, da keine gesellschaftsrechtlichen Mitspracherechte gewährt werden. Das Kapital steht dem Unternehmen nur befristet zur Verfügung und nimmt in der Regel nicht an etwaigen Verlusten des Unternehmens teil, wird jedoch unter Umständen ergebnisabhängig verzinst. Um besondere Anreize zu setzen kann eine gewinn- oder umsatzabhängige Verzinsung vereinbart werden (sog. partiarische Darlehen).

Zu beachten ist jedoch, dass die Rückzahlung des Arbeitnehmerdarlehens in der Regel zu besichern ist; sei es um eine Förderung nach dem Vermögensbildungsgesetz zu ermöglichen oder aus bankrechtlichen Gründen. Für Arbeitnehmer kann insoweit das Risiko der Insolvenz des Arbeitgebers ausgeschlossen werden; für den Arbeitgeber sinkt jedoch die Attraktivität der Mitarbeiterbeteiligung vs. Fremdfinanzierung am freien Markt.

Die Zinseinnahmen aus dem Mitarbeiterdarlehen sind für die Arbeitnehmer grundsätzlich Einkünfte aus Kapitalvermögen, die der Abgeltungsteuer zzgl. Annexsteuern unterliegen.

Achtung: Wird keine Verzinsung vereinbart, handelt es sich nicht um ein Arbeitnehmerdarlehen, sondern um eine schlichte Gehaltsstundung.

 

2. Hybride Instrumente

Denkbar sind auch Mischformen zwischen Eigen- und Fremdkapital, die vertraglich ausgestaltet werden. Je nach Laufzeit und Konditionen, etwa Nachrangigkeit, handelt es sich bei diesen Programmen um Eigenkapital, anderenfalls um Fremdkapital.

Genussrechte sind reine Vermögensrechte, die unabhängig von der Rechtsform des Unternehmens ausgegeben werden können. Sie bieten große Flexibilität, was die nähere Ausgestaltung der Rückzahlung und laufender Verzinsung angeht. Mit Abschluss des Genussrechtsvertrages verpflichtet sich der Genussrechtsinhaber (der Arbeitnehmer), dem Genussrechtsemittenten (dem Unternehmen) das Genussrechtskapital zur Verfügung zu stellen. Im Gegenzug werden dem Genussrechtsinhaber Gesellschaftergleiche Vermögensrechte gewährt, etwa Gewinnrechte und Beteiligung am Liquidationserlös. Über eine Verlustbeteiligung wird hier die Einstufung als Einlagengeschäft vermieden. Je nach Ausgestaltung kann das Genussrecht zudem Eigenkapitalcharakter haben.

Mit der stillen Beteiligung beteiligt sich der Mitarbeiter am Handelsgeschäft des Unternehmens und nimmt an Gewinnen wie Verlusten teil (insofern kein Einlagengeschäft), ohne nach außen als Gesellschafter aufzutreten. Der stille Gesellschafter hat typischerweise gewisse Einsichtsrechte; Mitspracherechte werden daher jedoch regelmäßig nicht gewährt.

Zufließende Gewinnanteile unterliegen grundsätzlich auch als begünstige Einkünfte aus Kapitalvermögen der Abgeltungsteuer zzgl. Annexsteuern. Im Rahmen einer Gesamtwürdigung ergibt sich jedoch auch das Risiko, dass (nicht begünstigt besteuerter) Arbeitslohn angenommen wird.

 

3. Beteiligung am Eigenkapital

Die Beteiligung der Mitarbeiter am Eigenkapital des Unternehmens durch die Gewährung von Unternehmensanteilen ist die weitreichendste Form der Mitarbeiterbeteiligung, bei der der Arbeitnehmer voll am Gewinn und Verlust des Unternehmens beteiligt und mit allen gesellschaftsrechtlichen Mitgliedschaftsrechten ausgestattet wird. Gerade in der Krise ist die Umsetzung für breite Mitarbeiterkreise schwierig, da Anteile über eine Kapitalerhöhung erst geschaffen werden müssen. Gleichzeitig stellen sich Bewertungsfragen, die vor allem bei nicht-börsennotierten Unternehmen zu steuerlichen Risiken führen. Vorteil ist, dass Liquidität aufgenommen wird, ohne dass die Gesellschaft hierfür etwas als Gegenleistung hergibt. Einzig die derzeitigen Gesellschafter „verwässern“ ihre Anteilsquote an dem Unternehmen durch die neu ausgegebenen Anteile.

Denkbar ist, anstelle der sofortigen Ausgabe von Anteilen lediglich Optionen auszugeben. Marktbekannt ist dies bei Vorstandsmitgliedern, die regelmäßig über Aktienoptionsprogramme vergütet werden. Die Programme berechtigten unter bestimmten, durch das Unternehmen festgelegten Voraussetzungen, am Ende der Laufzeit zum Bezug von Unternehmensanteilen. In der Krise ist dies allenfalls dann sinnvoll, wenn die Einführung des Programms mit einer Gehaltsreduktion einhergeht, um Liquiditätseffekte zu erzielen. Ein Verzicht von bereits verdienten Gehaltsbestandteile zugunsten von Unternehmensanteilen führt jedoch zu einer Lohnversteuerung. Die Teilnahme am späteren Erfolg des Unternehmens durch die im Wert gestiegenen Unternehmensanteile ist jedoch steuerlich vorteilhafter, da der Verkauf der Abgeltungsteuer zzgl. Annexsteuern unterliegt.

 

4. Virtuelle Nachbildung

Denkbar ist schließlich, die Beteiligung am Eigenkapital mit rein virtuellen Gesellschaftsanteilen nachzubilden. Der Arbeitnehmer erwirbt durch einen virtuellen Gesellschaftsanteil keine Mitgliedschaftsrechte (Stimm- oder Teilnahmerechte an Gesellschafterversammlungen), sondern lediglich Vermögensrechte. Je nach Ausgestaltung partizipiert er an Ausschüttungen, Liquidationserlösen und auch Unternehmens- bzw. Anteilsverkäufen (letzteres vor allem im Start-Up Bereich) gleich einem Gesellschafter. Das Programm kann zudem vorsehen, dass am Ende der Laufzeit eine dem Börsenkurs oder anteiligen Unternehmenswert entsprechende Zahlung geleistet wird. Über den Ankauf der virtuellen Optionen wird der Gesellschaft sofort Liquidität zugeführt, die erst bei zukünftigen Ausschüttungen und ggfs. nach Programmlaufzeit angelehnt an den gesteigerten oder gesunkenen Aktienkurs bzw. Unternehmenswert an den Arbeitnehmer zurückfließt.

Problematisch ist hier bei nicht-börsennotierten Gesellschaften vor allem die Unternehmensbewertung bei Erwerb der virtuellen Anteile sowie, je nach Ausgestaltung, nach Ende der Laufzeit. Gegenüber den anderen Beteiligungsprogrammen hat die virtuelle Ausgestaltung jedoch den Vorteil, dass Liquidität sofort zugeführt wird, ohne das Fremdkapital zu erhöhen und Gesellschaftsanteile schaffen zu müssen.

Zuflüsse beim Arbeitnehmer werden steuerlich nicht begünstigt, sondern wie regulärer Arbeitslohn behandelt.

 

5. Rechtliches

5.1 Gesellschaftsrecht

Mitarbeiterbeteiligungsprogramme greifen je nach deren Ausgestaltung substantiell in die Struktur eines Unternehmens ein. Es ist daher – auch bei vertraglichen Ausgestaltungen - sicherzustellen, dass die Programme in Einklang mit den Vorschriften der Satzung eingeführt und etwaigen Zustimmungsrechten der Gesellschafterversammlung Rechnung getragen wird.

 

5.2 Arbeitsrecht

In erster Linie können Mitarbeiterbeteiligungsprogramme durch individualvertragliche Vereinbarung mit dem Arbeitnehmer geschlossen werden. 

Bei Einräumung derartiger Beteiligungsmöglichkeiten ist der Arbeitgeber jedoch an den Gleichbehandlungsgrundsatz gebunden, denn die Möglichkeit sich am Unternehmen zu beteiligen ist, wenn sie nicht auch betriebsfremden Dritten zu gleichen Konditionen offensteht, eine Vergünstigung aufgrund des Arbeitsverhältnisses. D.h., der Arbeitgeber muss ein solches Programm allen Arbeitnehmern anbieten.

Auch können bei entsprechenden Mitarbeiterbeteiligungsprogrammen durch das Unternehmen Mitbestimmungsrechte des Betriebsrates tangiert sein. Insbesondere kommt hier ein Mitbestimmungsrecht des Betriebsrates nach § 87 Abs. 1 Nr. 10 Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG) in Betracht. Die grundsätzliche Entscheidung darüber, ob und mit welchem Volumen eine Beteiligung gewährt wird unterliegt jedoch nicht der Mitbestimmung und ist eine freiwillige Entscheidung des Arbeitgebers.

Üblicherweise werden solche Programme auch als freiwillige Betriebsvereinbarungen im Rahmen von § 88 Nr. 3 BetrVG mit dem Betriebsrat geschlossen.  

 

6. Akzeptanz bei Arbeitnehmern

Bei Arbeitnehmern stoßen derartige Mitarbeiterbeteiligungsprogramme jedenfalls regelmäßig auf große Akzeptanz insbesondere, weil hierdurch ein ggf. gefährdeter Arbeitsplatz gesichert werden kann und bei einem erfolgreichen Überstehen der Krise der Mitarbeiter auch am Aufschwung partizipieren kann. Zudem bestehen jedenfalls zum Teil zumindest geringe Steuervorteile.

Ein falsch aufgesetztes Modell kann aber auch negative Effekte haben. Beispiel:

Besonders interessant ist für Unternehmen bei Liquiditätsengpässen in der Krise die Mitarbeiterbeteiligung mit einer Entgeltumwandlung bzw. einem Gehaltsverzicht zu verknüpfen. Dabei kann mit dem Arbeitnehmer vereinbart werden, dass die Erfolgsbeteiligung nicht bar ausgezahlt wird, sondern das Kapital im Unternehmen verbleibt und dem Unternehmen z.B. als niedrig verzinstes Darlehen gewährt wird. Problematisch ist insoweit, dass es, auch wenn das Gehalt im Unternehmen verbleibt, regelmäßig zu einem steuerpflichtigen Lohnzufluss beim Arbeitnehmer kommt, weil dieser bei einer rein wirtschaftlichen Betrachtungsweise über den Geldbetrag bereits verfügt hat. Insbesondere wenn der Arbeitnehmer ganz auf das Gehalt verzichtet, kann diese Steuerbelastung entsprechende Beteiligungsmodelle erschweren oder gar verhindern.

 

7. Fazit

Mitarbeiterkapitalbeteiligungsprogramme können in der Krise dem Unternehmen helfen, schnell an Liquidität zu kommen. Bei Wahl des Programms sollten die gewünschten Effekte auf Arbeitgeber- wie Arbeitnehmer-Seite sorgfältig miteinander abgewogen werden, um ein den Ansprüchen gerecht werdendes Programm auf zu setzen.

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Jörn Kuhn

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