Steuerrecht27.03.2020 Newsletter
Liquidität sichern durch Steuer- und Sozialversicherungsbeitragsstundungen und Anpassung von Steuervorauszahlungen
(Stand: 6. April 2020)
Um den drohenden wirtschaftlichen Folgen des Corona-Virus zu begegnen, haben bereits am Freitag das Bundesministerium der Finanzen (BMF) und das Bundesministerium für Wirtschaft und Energie (BMWi) in einer gemeinsamen Erklärung ein Maßnahmenpaket zur Abfederung der Auswirkungen vorgestellt, worin bereits die Aspekte Steuerstundungen, Anpassung von Steuervorauszahlungen und Verzicht auf Vollstreckungsmaßnahmen enthalten waren.
Nachdem bereits diverse Landesfinanzministerien Richtlinien für die örtlichen Finanzämter herausgegeben haben, hat nun das BMF in Abstimmung mit den Bundesländern am 19.03.2020 zwei Schreiben veröffentlicht, die zentral die Voraussetzungen für eine zinslose Steuerstundung, die Möglichkeit der Anpassung von Vorauszahlungen und das Absehen von Vollstreckungsmaßnahmen regeln sollen.
Der steuerliche Maßnahmenkatalog der Bundesregierung zur Liquiditätssicherung bei Unternehmen wird hiermit konkretisiert. Hierbei sollen solche Unternehmen in den Genuss der Erleichterungen kommen, die „nachweislich unmittelbar und nicht unerheblich“ durch das Coronavirus betroffen sind:
- Steuerstundungen: Wenn die Einziehung von bis zum 31.12.2020 fälligen Steuern eine „erhebliche Härte“ darstellt, kann ein Stundungsantrag beim Finanzamt gestellt werden, womit die Steuerzahlungen hinausgeschoben werden können. Die Finanzämter werden angewiesen, hierbei keine (sonst üblichen) strengen Anforderungen an die Gewährung zu stellen. Hierbei sollen Anträge nicht alleine deshalb abgelehnt werden, weil die entstandenen Schäden nicht wertmäßig beziffert werden können. Auch soll auf die Erhebung von Stundungszinsen „in der Regel“ verzichtet werden. War in dem vom Bayerischen Landesamt für Steuern herausgegebenen Musterformular noch die Rede von einer zinslosen Stundung von drei Monaten, enthält das BMF-Schreiben hierzu keine Aussage. Insofern könnte davon ausgegangen werden, dass auch eine längere Stundung in Betracht kommt. Gleichwohl empfiehlt sich für die Formulierung eine Orientierung an dem Musterformular.
- Anpassung von Steuervorauszahlungen: Sollten die für 2020 nun anzupassenden Planungen zu geringeren – oder gar negativen – steuerlichen Einkünften führen, als noch den Steuervorauszahlungen zugrunde gelegt wurden, sollen nach dem BMF-Schreiben auch in gleicher Weise und demnach unter Verzicht auf eine detaillierte Einzelfallprüfung Herabsetzungen möglich sein. Auch bei der Herabsetzung von Steuervorauszahlungen empfiehlt sich eine Orientierung an dem Musterformular vom LfSt Bayern bzw. FinMin NRW. - bei gleichzeitiger Dokumentation der aktualisierten Planungen / Schätzungen. Wenn für die Erreichung einer sog. „Dauerfristverlängerung“ bei der Umsatzsteuer eine Sondervorauszahlung geleistet wurde, kann diese nach Abgabe einer „Null-Meldung“ erstattet werden (hierfür wurde bereits von einzelnen Bundesländern eine gesonderte Anleitung veröffentlich, z. B. NRW).
- Verzicht auf Vollstreckungsmaßnahmen: Bis zum Jahresende 2020 soll auf Vollstreckungsmaßnahmen (z. B. Kontopfändungen) beziehungsweise Säumniszuschläge wegen zu spätem Ausgleich von fälligen Steuern verzichtet werden. Hierzu bedarf es einer gesonderten Information an das zuständige Finanzamt.
Es ist davon auszugehen, dass die Maßnahmen ab sofort von den Finanzbehörden in ganz Deutschland umgesetzt werden. Hierbei ist zu beachten, dass zwar Herabsetzungsanträge bzgl. der Gewerbesteuervorauszahlung von den Finanzämtern bearbeitet werden, Stundungs- und Erlassanträge bzgl. der Gewerbesteuer jedoch unmittelbar an die jeweilige Kommune zu richten sind. Auch haben bereits viele Kommunen angekündigt, entsprechend „unbürokratisch“ zu verfahren und alle von der Bundesregierung in Aussicht gestellten Hilfen zu gewähren. Gleiches soll auch für die vom Bund und vom Zoll verwalteten Steuern gelten (z. B. Versicherungsteuer, Luftverkehrsteuer).
Unternehmen, die durch den Corona-Virus unmittelbar finanziell betroffen sind, sollten daher ihre Möglichkeiten prüfen und entsprechende Planzahlen für 2020 aktualisieren und ggf Schätzungen vornehmen. Auf dieser Basis können die Finanzbehörden dann kurzfristig schriftlich kontaktiert und entsprechende Herabsetzungen bzw. Stundungen beantragt werden. Ggf. kann auch eine „rückwirkende“ Herabsetzung der Ertragsteuervorauszahlungen für das erste Quartal 2020 erreicht werden (Einkommen-/ Körperschaft-/ Gewerbesteuer). Ggf. kann auch eine nachträgliche Herabsetzung der 2019er Vorauszahlungen erfolgen, bspw. im Hinblick auf einen möglichen Verlustrücktrag nach 2019.
Grundsätzlich wären entsprechende Stundungsmaßnahmen auch im Bereich der Umsatzsteuer denkbar. Hier ist jedoch zu beachten, dass Umsatzsteuerzahlungen regelmäßig nur für bereits erfolgte Umsätze und damit oftmals für bereits vereinnahmte Entgelte zu leisten sind und die Stundung entsprechender Zahlungen die Geschäftsleitung einem erheblichen persönlichen Haftungsrisiko aussetzt, wenn die Umsatzsteuer später nicht geleistet werden kann. Daher sollte dies vorsichtig erwogen und nur in Ausnahmefällen praktiziert werden.
Operative steuerliche Maßnahmen zur Liquiditätsschonung bei der Umsatzsteuer:
a) Umsatzsteuerberichtigungen „vorziehen” bei Forderungsausfall: Sobald „feststeht” oder es „sehr wahrscheinlich” ist, dass eine Kundenforderung ausfällt, kann die hierfür bereits abgeführte Umsatzsteuer berichtigt werden, Dies erfordert ein (ohnehin in diesen Zeiten durchgeführtes) „enges Monitoring“ der Kundenforderungen und eine hinreichende Dokumentation bei Berichtigung der Umsatzsteuer. Gehen wider Erwarten später doch Zahlungen ein, hat eine erneute Berichtigung zu erfolgen.
b) Beschleunigter Vorsteuerabzug: Die Prüfung der Eingangsrechnungen (materiell und formell) sollte beschleunigt werden, sodass möglichst schnell ein Vorsteuerabzug erfolgen kann.
Stundung von Sozialversicherungsbeiträgen
Auch hat sich der GKV-Spitzenverband mit einer Stellungnahme vom 25. März 2020 an die vom Coronavirus betroffenen Unternehmen gewendet.
Zur Unterstützung der Unternehmen sieht der Verband die folgenden Hilfestellungen vor, die zunächst auf die Beitragsmonate März bis April 2020 beschränkt sind:
- vereinfachte Beitragsstundung auf Antrag: Zum Nachweis einer erheblichen Härte der Einziehung der Beiträge reicht übergangsweise die glaubhafte Erklärung des Arbeitgebers aus, dass er durch die Pandemie erhebliche Umsatzeinbußen erlitten hat. Eine Stundung soll zunächst bis zum Fälligkeitstag der Beiträge für den Monat Mai 2020 (27. Mai 2020) gewährt werden. Auf die Erhebung von Stundungszinsen soll ebenso verzichtet werden wie auf eine Sicherheitsleistung.
- Darüber hinaus kann die Stundungsvereinbarung Beiträge umfassen, die vor dem genannten Zeitraum März bis April 2020 fällig wurden. Außerdem sollen auch die zeitversetzt zu erstattenden Beiträge bei Bezug von Kurzarbeitergeld in die Stundungsvereinbarung aufzunehmen sein, weil insoweit eine gewisse Vorlaufzeit bis zum Wirksamwerden der Schutzmechanismen einzuplanen ist. Eine Stundung ist in diesen Fällen nur bis zur Gewährung des Kurzarbeitergeldes möglich.
- Die vereinfachten Beitragsstundungen sollen jedoch ausschließlich nachrangiger Natur sein und erst als Liquiditätshilfe herangezogen werden können, wenn alle anderen Maßnahmen aus den verschiedenen Hilfspaketen und Unterstützungsmaßnahmen der Bundesregierung ausgeschöpft sind. Hierzu gehören insbesondere die Erleichterungen bei der Kurzarbeit sowie die Förder- und Kreditmittel, die durch das Bundesministerium der Finanzen und das Bundesministerium für Wirtschaft und Energie verantwortet werden.
- Der Antrag auf Stundung ist nicht an eine bestimmte Form gebunden und an die Krankenkassen als zuständige Einzugsstellen für die Sozialversicherungsbeiträge zu richten. Sofern in einem Unternehmen mehrere Krankenkassen vertreten sind, so ist ein Stundungsantrag an jede dieser Krankenkassen zu stellen.
Im Übrigen hat der Verband zum vereinfachten Stundungsverfahren hilfreiche FAQ veröffentlicht.
- Verzicht auf Vollstreckungsmaßnahmen: Zur weiteren Entlastung der Arbeitgeber soll auf die Erhebung von Mahngebühren und Säumniszuschlägen für den genannten Zeitraum verzichtet werden. Zudem soll bei einer erheblichen Betroffenheit des Arbeitgebers von Vollstreckungsmaßnahmen für den o. g. Zeitraum bei allen rückständigen oder bis zu diesem Zeitpunkt fällig werdenden Beiträgen vorläufig abgesehen werden.
NRW: Fristverlängerung für die Lohnsteuer-Anmeldung und -Abführung für März 2020
Am 2. April 2020 hat das Finanzministerium Nordrhein-Westfalen eine weitere Maßnahme zur Liquiditätssicherung vorgestellt. Von der Corona-Krise betroffene NRW-Unternehmen können auf Antrag eine zweimonatige „Fristverlängerung“ für die Abgabe der Lohnsteuer-Anmeldung sowie für die Lohnsteuer-Abführung für den Monat März 2020 bzw. das erste Quartal 2020 bis zum 10. Juni 2020 erhalten (hier zur Pressemitteilung).
Ein entsprechendes Antragsformular hat das NRW-Finanzministerium auf seiner Internetseite zur Verfügung gestellt. Hierin muss jedoch auch wiederum eine Begründung für die Fristverlängerung angegeben werden (als Beispiel aufgeführt: „Beeinträchtigung der Liquiditätssituation durch die Corona-Krise“), womit die Maßnahme offenbar auf unmittelbar betroffene Unternehmen zielen soll. Man erhoffe sich von dieser Maßnahme, vorübergehend zusätzliche Liquidität für die Unternehmen in einer Größenordnung von über EUR 3 Mrd. zu schaffen.
Auch wenn die rechtliche Umsetzung des Landes Nordrhein-Westfalen mit Blick auf die Gesetzessystematik etwas unorthodox sein mag, können unmittelbar betroffene Arbeitgeber erwägen, einen entsprechenden Antrag zu stellen. Das Finanzministerium weist darauf hin, dass nur im Falle einer Ablehnung eine Rückmeldung erfolgt und ansonsten von einer stillschweigenden Zustimmung ausgegangen werden kann.
Auch wenn die Corona-Krise hier zusätzliche Möglichkeiten schafft, sollte diese „Fristverlängerung“ für die Lohnsteuer nicht an vorderster Stelle zur Liquiditätsbeschaffung stehen. Sollte die Überbrückung am Ende nicht ausreichen, um eine nachfolgende Insolvenz zu vermeiden, ist die persönliche Haftung der Geschäftsführer nach § 69 AO nicht automatisch ausgeschlossen. Allerdings erfordert der Tatbestand zumindest eine grob fahrlässige Pflichtverletzung. Es bleibt zu hoffen, dass dieser Maßstab in der aktuellen Situation nicht so streng gesehen wird wie es von der Rechtsprechung bisher entschieden wurde. Die Lohnsteuer bleibt jedoch ein Sonderfall, weil es sich um („Fremd“-)Geld des Arbeitnehmers handelt, das eine Vorauszahlung auf dessen Steuerschuld darstellt. Sollte eine Antragstellung erfolgen, empfiehlt sich in jedem Fall die Aufstellung eines hinreichend detaillierten Liquiditätsplans mit entsprechender Berücksichtigung der Lohnsteuer für März zum späteren Zeitpunkt.
Aufgrund der besonderen Natur von Lohnsteuerbeträgen als eine Art „Treuhandverhältnis“ ist für Arbeitgeber anderer Bundesländer nach wie eine Stundung dieser Abgaben wohl eher nicht möglich. Bei besonderen Härten mag jedoch eine Art „faktische Stundung“ durch einen gesondert zu beantragenden Vollstreckungsaufschub in Betracht kommen, der auch bereits durch die Bayerische Finanzverwaltung in ihrem Musterformular angesprochen wird. Auch hierbei gilt jedoch, dass dies nicht an vorderster Stelle zur Liquiditätsbeschaffung stehen sollte.
Gerne unterstützen wir Sie bei den weiteren Überlegungen und der Kontaktaufnahme mit der Finanzverwaltung.
Dr. Gunnar Knorr
PartnerRechtsanwaltSteuerberater
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