25.02.2021 Newsletter

Geoblocking-Verordnung: Auswirkungen auf den Vertrieb

Die COVID-19-Pandemie hat dem Online-Handel einen kräftigen Schub gegeben. Gleichzeitig verursacht COVID-19 immer wieder Lieferengpässe mit der Folge, dass Produkte beim bevorzugten Händler nicht mehr vorrätig sind. Bei der Suche nach Alternativen nutzen Kunden dann gerne Angebote ausländischer Händler.

Für den grenzüberschreitenden Waren- und Dienstleistungsverkauf gilt in der EU seit Ende 2018 die sog. Geoblocking-VO (EU-Verordnung 2018/302). Sie soll den freien Warenverkehr innerhalb der EU gewährleisten und Diskriminierungen im Handel mittels ungerechtfertigtem Geoblocking unterbinden. Geoblocking ist jede technische Maßnahme, die dazu führt, dass ein potenzieller Käufer aufgrund seines geographischen Standortes nicht oder nicht vollständig auf die Angebote (z. B. eines Online-Stores) in einem anderen Land zugreifen kann.

Weiter Anwendungsbereich: auch Händler in Drittstaaten betroffen

Der Anwendungsbereich der Geoblocking-VO ist weit gefasst und richtet sich an sämtliche Anbieter, die ihre Waren oder Dienstleistungen in der EU grenzüberschreitend vertreiben. Die Pflichten gelten unabhängig davon, ob der Anbieter seinen Sitz innerhalb der EU oder in einem Drittstaat hat. Die Vorgaben der Verordnung erfassen sowohl B2B- als auch B2C-Geschäfte, sofern der Erwerber Endkunde ist und die Ware oder Dienstleistung nicht weiterverkauft oder weiterverarbeitet.

Was Anbieter beachten müssen: das „Shop-like-a-Local“-Prinzip

Den Diskriminierungsverboten der Verordnung liegt das sog. „Shop-like-a-local”-Prinzip zugrunde. Es besagt, dass Kunden aus einem anderen Mitgliedstaat der EU zu den gleichen Bedingungen und mit den gleichen Zahlungsmitteln Geschäfte abschließen können müssen wie einheimische Kunden.

Anbieter dürfen ausländischen Kunden daher nicht den Zugang zu ihrer Website sperren oder sie ohne Einwilligung automatisch auf eine andere Website weiterleiten. Beispiel: Ein Kunde mit französischer IP-Adresse muss die deutsche Homepage eines Händlers in gleicher Weise aufrufen und nutzen können wie ein deutscher Kunde. Unterhält der Händler mehrere länderspezifische Webshops, muss er beispielsweise dafür sorgen, dass der Kunde nicht automatisch ohne dessen Zustimmung auf eine andere länderspezifische Internetseite geleitet wird.

Daneben ist seit dem Inkrafttreten der Verordnung auch die ungerechtfertigte Ungleichbehandlung bei der Verwendung von Bestell- und Geschäftsbedingungen verboten. Ein solcher Verstoß ist häufig durch technische Details begründet. Das ist beispielsweise schon dann der Fall, wenn ein französischer Kunde im deutschen Webshop eine Bestellung nicht abschließen kann, weil die Eingabe seiner französischen Adresse als Rechnungsanschrift eine Fehlermeldung hervorruft.

Das bedeutet allerdings nicht, dass Händler nun ihr Angebot EU-weit vereinheitlichen müssen. Unterschiedliche, länderspezifische Angebote bleiben weiterhin zulässig. Ein Anbieter darf also z. B. einen länderspezifische Online-Shop mit unterschiedlichen Angeboten und Konditionen unterhalten und dabei AGB verwenden, die dem jeweiligen nationalen Recht entsprechen, solange alle Kunden dieses länderspezifischen Online-Shops – unabhängig von ihrem Stand- oder Wohnort – gleich behandelt werden. Auch länderspezifische Preisunterschiede sind weiterhin erlaubt, wenn sie den Kunden innerhalb des jeweiligen Gebietes in nicht-diskriminierender Weise angeboten werden.

Die Verordnung zwingt einen Anbieter auch nicht dazu, in jedem EU-Mitgliedstaat seine Waren oder Dienstleistungen anzubieten oder dorthin zu liefern. Der Anbieter muss sich nur an seine eigenen AGB halten. Bietet ein deutscher Händler die Lieferung z. B. nur innerhalb von Deutschland an, kann der französische Kunde auch nur die Lieferung an eine Adresse in Deutschland verlangen. Der Händler ist ebenso wenig dazu verpflichtet, einem ausländischen Kunden eine Abholung zu ermöglichen, wenn er bspw. als reiner Online-Shop auch einheimischen Kunden keine Abholung anbietet. Der ausländische Kunde darf aber die deutsche Adresse eines Weiterlieferungsservices angeben.

Das dritte Verbot betrifft Diskriminierungen hinsichtlich Zahlungsbedingungen ausländischer Kunden. Der Anbieter muss z. B. dafür Sorge tragen, dass ein ausländischer Kunde auch mit seiner ausländischen Kreditkarte einer bestimmten Marke bezahlen kann, wenn der Händler diese Kreditkartenmarke grundsätzlich als Zahlungsmittel akzeptiert.

Auswirkung auf Vertriebsverträge zwischen Lieferant und Abnehmer

Obwohl die Geoblocking-VO nur Diskriminierungen von Endkunden verbietet, wirkt sich die Verordnung auch entlang der Vertriebskette aus. Denn sie ordnet die Nichtigkeit von passiven Verkaufsbeschränkungen in Vertriebsverträgen an, die den Händler zu Verstößen gegen die Diskriminierungsverbote verpflichten. Darunter fallen z. B. die häufig vereinbarten territorialen oder kundenspezifischen Verkaufsverbote in Form von Exklusivitäts- oder Kundenschutzklauseln. Damit kann die Geoblocking-VO Vertriebsverträge und ganze Vertriebssysteme beeinflussen.

Vereinbaren Lieferanten mit ihren Abnehmern Verkaufsbeschränkungen, kommt darüber hinaus stets das Kartellrecht ins Spiel. Grundsätzlich gilt, dass das Kartellverbot und die Geoblocking-Verbote parallel laufen. Das heißt, Verkaufsbeschränkungen, die das Kartellrecht verbietet, sind auch nach der Geoblocking-VO unwirksam und umgekehrt. Es gibt jedoch Konstellationen, in denen das Kartellrecht ausnahmsweise bestimmte Verkaufsbeschränkungen zulässt, welche die Geoblocking-VO für nichtig erklärt. Die Geoblocking-Verbote können also über die Verbote des Kartellrechts hinausgehen und müssen dementsprechend bei der Vertragsgestaltung zusätzlich berücksichtigt werden. Das gilt z. B. beim konzerngelegten Vertrieb über eigene Vertriebsgesellschaften: Will die Konzernmutter ihren Vertriebsgesellschaften bestimmte Territorien exklusiv zuweisen und schreibt ihnen entsprechende territoriale Verkaufsbeschränkungen in die Verträge, sind diese in aller Regel nach dem Kartellrecht zulässig. Allerdings können diese konzerninternen Verkaufsbeschränkungen – je nach Ausgestaltung – gegen die Geoblocking-VO verstoßen und automatisch unwirksam sein.

Fazit

Verstöße gegen die Geoblocking-VO sind meist keine bewussten Geschäftsentscheidungen, sondern Folge von Unachtsamkeit bei der Aufsetzung des Bestellprozesses im Webshop oder bei der Vertragsgestaltung. Hersteller und Händler müssen daher nicht nur die technische Ausgestaltung ihrer Online-Shops an der Geoblocking-VO ausrichten, sondern auch ihre Vertriebsverträge auf Konformität mit der Verordnung überprüfen.

Verstöße gegen die Geoblocking-VO kann die zuständige Behörde im jeweiligen EU-Mitgliedstaat sanktionieren. In Deutschland ist das die Bundesnetzagentur. Hier drohen Bußgelder von bis zu EUR 300.000. Die Behörde kann außerdem das Verhalten für die Zukunft untersagen, notfalls mithilfe eines Zwangsgeldes in Höhe von bis zu EUR 10 Millionen.

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